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Eberhard-Schöck-Stiftung

Wie der Kulturpreis Deutsche Sprache nach Baden-Baden kam und was den Preisträger Max Goldt auszeichnet

Der Kulturpreis Deutsche Sprache wird erstmals in Baden-Baden vergeben. Der Preisträger 2022, Max Goldt, ist für einen ironischen Schreibstil von ansteckender Sprachschönheit bekannt.

Max Goldt, Schriftsteller und Musiker, spricht bei der Verleihung des Satire-Preises «Göttinger Elch 2016». (Zu dpa: «Schriftsteller Max Goldt geht nicht zu Lesungen») +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Schreibstil, der ansteckend wirkt ist das Markenzeichen von Max Goldt. Der Autor ist bekannt für Texte, die Präzision und Ironie zu einer eigenwilligen Sprachschönheit verbinden. Foto: Swen Pförtner/dpa

Zum Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm hätte er sicher einige Preziosen beitragen können. Dafür hätte Max Goldt freilich vor rund 180 Jahren leben und schreiben müssen. Was zum Glück nicht der Fall war.

Denn sonst hätte er nicht ab den späten 1980er Jahren seine Leserschaft mit zahlreichen Texten beglücken konnte, deren einzigartige Stilistik es folgerichtig macht, ihn mit dem Jacob-Grimm-Kulturpreis Deutsche Sprache auszuzeichnen. Übergeben wird dieser renommierte Preis an diesem Samstag – erstmals in Baden-Baden statt wie bisher in Kassel.

Kulturpreis Deutsche Sprache ist mit 30.000 Euro sehr hoch dotiert

Mit einer Prämie von 30.000 Euro ist diese Auszeichnung einer der höchstdotierten Sprachpreise. Getragen wird er von der Eberhard-Schöck-Stiftung in Baden-Baden, die 1992 von dem Bauingenieur und Unternehmer Eberhard Schöck gegründet wurde und sich für die Völkerverständigung mit Osteuropa sowie die Förderung des Handwerks engagiert.

Im Jahr 2000 rief Schöck zudem den Kulturpreis Deutsche Sprache ins Leben, der „beispielhafte Verdienste bei der kreativen Weiterentwicklung unserer Sprache“ auszeichnet, wie es auf der Homepage des Preises heißt. Verliehen wurde er seit seiner Gründung in Kassel. Letztmals ging er dort im Oktober 2021 an die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller.

Nach 20 Jahren aus Kassel nach Baden-Baden umgezogen

„Es war der Wunsch der Familie Schöck, den Sprachpreis nach Baden-Baden zu holen“, sagt Peter Möller, Geschäftsführer der Stiftung. Für Kassel habe man sich seinerzeit einerseits wegen des dortigen Wirkens der Brüder Grimm als prägende Sprachwissenschaftler entschieden, andererseits aus einem pragmatischen Grund: „Kassel liegt sehr zentral in Deutschland und ist gut zu erreichen.“

Ein geografischer Nachteil durch den Umzug sei bislang nicht zu erkennen: „Wir haben es schon bei den Jurysitzungen gemerkt, dass die Leute auch sehr gern nach Baden-Baden kommen.“ Auch den Wegfall langjähriger Sponsoren in Kassel hoffe man, bald kompensieren zu können. „Wir sehen keine finanziellen Nachteile auf uns zukommen.“

Als Stiftung wollen wir gute Leistungen auszeichnen und nicht schlechte Leistungen kritisieren.
Peter Möller, Geschäftsführer Eberhard-Schöck-Stiftung

Mit dem Umzug wird der Preis auch neu aufgestellt, da er künftig alleine von der Stiftung vergeben wird. Bislang erfolgten die Auszeichnungen in Zusammenarbeit mit dem Verein Deutsche Sprache (VDS), die 2021 beendet wurde.

„Wir sind in gegenseitigem Einvernehmen übereingekommen, dass diese Kooperation nicht mehr so gut zusammenpasst“, sagt Möller. „Als Stiftung wollen wir gute Leistungen auszeichnen und nicht schlechte Leistungen kritisieren.“ Der Verein hingegen sei in den vergangenen Jahren immer akzentuierter dazu übergegangen, sich sprachpolitisch zu engagieren und Kritik an Sprachentwicklungen zu üben. „Dazu sehen wir uns nicht berufen“, so Möller.

Extern war die Mitwirkung des VDS, der auf seiner Homepage unter anderem gegen den „Sprachnebel“ einer „Genderlobby“ wettert, bereits während der Verleihungen in Kassel kritisiert worden.

So hatten die Grünen in Kassel gefordert, dass die Stadt ihre Zusammenarbeit mit dem VDS in Form des jährlichen Kulturpreis-Zuschusses von 5.000 Euro beenden solle – was sich durch den Umzug, den der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle ausdrücklich bedauerte, dann erledigt hatte.

Preisträger Max Goldt betreibt ganz eigene Form der Sprachkritik

Solche strukturellen Konflikte sind in Baden-Baden nicht zu erwarten. Allerdings ist festzuhalten, dass mit Max Goldt nun ein Autor ausgezeichnet wird, der bereits Sprachkritik betrieb, bevor dies ein Feld für aufgeheizte gesellschaftliche Debatten wurde.

Bereits als Sänger der Band Foyer des Arts in den frühen 1980er Jahren machte er sich über Sprachhülsen lustig („Wissenswertes über Erlangen“). Als Autor, etwa mit seinen Kolumnen für die Satirezeitschrift „Titanic“, fiel er von Anfang an als genauer Beobachter auf, der Verrenkungen der öffentlichen Sprache aufs Korn nahm.

Als einzigartig in der deutschen Literatur dürfen seine grotesken Skripts für Radio- oder Fernseh-Interviews gelten: Satirische Texte, die weder eindimensional parodistisch sind noch auf Pointen abzielen und dennoch so entlarvend wie urkomisch sind.

Dass Max Goldts Werk sehr komisch ist, weiß ja nun jeder gute Mensch zwischen Passau und Flensburg.
Daniel Kehlmann, Autor

Letzteres gelingt, weil Goldt einen unverkennbaren eigenen Schreibstil pflegt. Durch überbetonte Sprachpräzision entsteht eine Mischung aus beruhigender Onkelhaftigkeit und ungreifbarer Ironie, die in ihrer Sprachschönheit ansteckend wirkt. Das belegen die zahlreichen Versuche von Rezensenten seiner Bücher, Hörbuch-Aufnahmen und Live-Lesungen, ihre Texte mit mindestens ein bis zwei Goldt-artigen Sätzen zu versehen.

Selbst ein so erfolgreicher wie anerkannter Literat Daniel Kehlmann spricht über den neuen Grimm-Preisträger im Goldt-Duktus: „Dass Max Goldts Werk sehr komisch ist, weiß ja nun jeder gute Mensch zwischen Passau und Flensburg“, hatte Kehlmann erklärt, als er Goldt 2008 den Kleist-Preis zusprach.

Dass dieses Wissen seitdem etwas in Vergessenheit geraten ist, mag daran liegen, dass Goldt schon seit längerem keine neuen Texte mehr vorgelegt hat. 2017 sprach er im Interview mit der „Zeit“ über die Erfahrung von Schreibblockaden. Diese würden aber nicht durch zu wenige Einfälle verursacht, sondern durch zu viele – und den großen Anspruch an sich selbst.

Leichter fallen ihm demnach Texte für die Comics, die er seit 1996 gemeinsam mit dem Zeichner Stephan Katz gestaltet (jüngste Buchveröffentlichung: „Väter im Türspalt“). Mal schauen: Vielleicht taucht Baden-Baden dann irgendwann zwar nicht in einem Text, aber dafür in einem mindestens ebenso unterhaltsamen Comic auf.

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