Hier muss das Phantom der Oper wohnen. Nur einige wenige Schritte und danach eine elegante Wendeltreppe aus kunstvoll geschmiedetem Eisen trennen das unterirdische Bauwerk vom Festspielhaus.
Hand angelegt haben an dieser Stelle vor weit mehr als 100 Jahren wahre Meister ihres Faches, als sie sich nach ehrgeizigen Plänen daran machten, der Kurstadt ein ganz neues Gesicht zu geben.
Damals verschwand so manches ganz einfach unter der Erde beziehungsweise unter der Oos. Ganze Abwasserschächte wurden unter den kleinen Fluss verlegt. Und letztlich entstand im Jahr 1895 ein verzweigtes Kanalnetz unter der Stadt, das beinahe 400 Kilometer Länge hat. So verschwand auf elegante Weise, was die Bürger und zweifellos in großem Maße die Kurgäste stören könnte.
Wer offenen Auges durch die Stadt geht, dem wird auffallen, dass das noch lange nicht alles ist. An manchen Stellen verschwindet die ganze Oos unter der Erde. Etwa im Bereich des Festspielhauses, wo sie unterirdisch die Straßenseiten wechselt.
Dieses Bauwerk ist atemberaubend kunstvoll gestaltet. Doch ganz so einfach wie das Pariser Phantom hätte sein Baden-Badener Verwandter es indessen nicht, sein Domizil in der Unterwelt zu verlassen. Denn der Zugang ist mit zwei starken Betonplatten verschlossen, die anzuheben es einen veritablen Kranwagen braucht. Ist das geschehen, wird die eingangs erwähnte Treppe sichtbar.
An deren Fuß wurde an den kunstvoll geklinkerten Wänden obendrein ein schmuckes Waschbecken installiert. Auch wenn der Raum, der sich hier erstreckt und von der Oos durchflossen wird, nimmt man ihn an der Oberfläche in keiner Weise wahr. Dennoch hat man sich an dessen Errichtung regelrecht verkünstelt. Vielleicht wollte man einst der Öffentlichkeit ein wenig mehr Einblicke in die Unterwelt gewähren.
Maurer erwiesen sich als Künstler
Denn was hier an den Wänden zu sehen ist, darf getrost als Klinkerkunst bezeichnet werden. Keine Kanten, alles sauber und sehr akkurat abgerundet, Wölbungen, die an einen Miniaturdom erinnern, Leibungen, die kunstfertig in Schichten angelegt sind. Wie gesagt, das Phantom würde sich hier gewiss wohlfühlen.