Vornehme Adresse
Das Bahnhofshotel Wenk gehörte einst zu den vornehmsten Adressen der Stadt. Das 1869 nach Plänen von Julius Knoderer vom Baden-Badener Büro Knoderer & Haunz errichtete Gebäude bildet den westlichen Abschluss der Eisenbahnstraße, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als Villenstraße zwischen Altstadt und Bahnhof entstand. Wer modern sein wollte und erfolgreich war, fand es schick, am neuen „Tor zur Welt“ zu wohnen. Davon war aber zuletzt wenig zu spüren. Aus dem kultivierten Bahnhofshotel wurde die „Alte Post“, die in der Nachkriegszeit durch ungeschickte Anbauten entstellt wurde und zuletzt in keinem guten baulichen Zustand war. Nach dem Tod der letzten Wirtin im Sommer 2017 machten die Erben die Gaststätte dicht.
Keine neue Gastronomie
Nicht nur Oberbürgermeister Hubert Schnurr hat sich damals gewünscht, dass die Gastronomie in dem denkmalgeschützten Haus fortgesetzt wird, doch es kam trotz Interessenten aus dieser Branche bekanntlich anders. Im Frühjahr 2018 erwarb der Bühler Ehrenbürger und frühere LuK-Geschäftsführer Ernst Kohlhage das Gebäude, um es auf seine Kosten für den Verein Pallium, der schwer kranke und sterbende Menschen und deren Familien berät und unterstützt, umzubauen. Pallium will seine aktuell auf vier Standorte verteilte Aktivitäten in der Bühler Eisenbahnstraße konzentrieren.
Abriss des Erweiterungsbaus
Die Projektleitung übernahm Sepp Meister, den Entwurf lieferte der Bühler Architekt Volker Leppert. Dieses Gespann hat bereits 2015 bei der Sanierung der ebenfalls denkmalgeschützten Gerberei Kuen in der Wiedigstraße vorbildlich zusammengearbeitet. Deshalb war das Entsetzen groß, als der ebenfalls denkmalgeschützte rückwärtige Erweiterungsbau des Bahnhofshotels aus dem Jahr 1902 im September 2018 abgerissen wurde. Sepp Meister verteidigt seine damalige Entscheidung auch heute noch vehement. „Der Anbau war eine Bausünde“, meint er. In der Tat wurde die Erweiterung von 1902 nach einem Entwurf des Acherner Architekten Josef Schnurr dem Ursprungsbau des renommierten Baden-Badener Villenarchitekten nicht gerecht und lag zu allem Überfluss auch noch einen halben Meter tiefer. „Durch den Abriss und den Neubau an seiner Stelle werten wir das Baudenkmal auf und geben ihm die Stellung zurück, die es verdient“, sagt Meister.
Eröffnung am 4. Oktober
Neubau und Sanierung stehen jetzt kurz vor ihrer Vollendung. Noch in dieser Woche will Pallium die neuen Räume möblieren, im September werden sie in Betrieb genommen. Die offizielle Eröffnung ist allerdings erst für den 4. Oktober geplant.
Schlichter Kubus
An der Stelle des rückwärtigen Gebäudetrakts steht jetzt der von Volker Leppert entworfene schlichte zweigeschossige Neubau (8 mal 13,5 Meter) mit großformatigen Rechteckfenstern. Zwischen dem verputzten Kubus und dem dominanten und deutlich höheren Altbau vermittelt eine vier Meter breite Glasfuge, die unter anderem den Aufzug und den Haupteingang aufnimmt.
Unangenehme Überraschungen
Wie bei Sanierungen üblich gab es für Meister und Leppert die eine oder andere unangenehme Überraschung. Die betrafen vor allem das Dach. „Viele Balken waren verrottet“, berichtet Meister. Im Bereich der beiden schlanken eisernen Säulen in der ehemaligen Gaststube gab es statische Probleme. „Das hielt alles nur noch aus Gewohnheit“, meint Meister. Aus der Sicht der Denkmalpflege gab es die eine oder andere unvermeidbare Enttäuschung. Die originalen Fenster waren nach dem Ablaugen nicht zu halten und mussten durch Nachbauten unter der teilweisen Verwendung der alten Beschläge ersetzt werden. Auch das Treppenhaus, das der Baden-Badener Architekt Leonhard Treusch 1892 eingebaut hat, musste der Schreiner in ähnlichen Formen ersetzen.