Skip to main content

Paul Yule arbeitet im Oman

Bühler Archäologie-Professor entdeckt historische Hehler am Hals des Kamels

Paul Yule ist eigentlich längst im Ruhestand. Der 72-Jährige, der an der Universität Heidelberg lehrt, forscht aber auf der arabischen Halbinsel. Im Herbst wird er zu einer Grabung in den Oman aufbrechen.

Der Archäologe Paul Yule ist Professor an der Universität Heidelberg und wohnt in Bühl. Er forscht im Oman.
Der Archäologe Paul Yule ist Professor an der Universität Heidelberg und wohnt in Bühl. Er forscht im Oman. Foto: Ulrich Coenen

„Carpe diem“, steht in großen Buchstaben auf seinem T-Shirt. Paul Yule ist außerplanmäßiger Professor am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Heidelberg.

Eigentlich befindet sich der 72-jährige Archäologe längst im Ruhestand. „Als Pensionär bin ich aber eher ein Flop“, scherzt der Wissenschaftler, der gemeinsam mit seiner Frau Carmen im Bühler Stadtteil Kappelwindeck wohnt. Yule folgt dem lateinischen Sprichwort und will jeden Tag für seine Arbeit nutzen.

Von seinem Haus aus hat der Deutsch-Amerikaner einen wunderbaren Blick auf die Reben und die romanische Burg Windeck, die hoch über Bühl thront. Das europäische Mittelalter interessiert Yule aber weniger. Er hat sein Leben als Forscher vorderasiatischen Kulturen gewidmet. „Mein Herz hängt an Arabien“, sagt er.

Viele Jahre lang hat Yule im Jemen geforscht. Für das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land gibt es inzwischen kein Visum mehr, berichtet er. Seine Frau Carmen, eine pensionierte Oberstudienrätin, drückt es deutlicher aus: „Viel zu gefährlich.“

Im Jemen hatte er sehr gerne gearbeitet

Der Jemen, der inzwischen im Chaos versinkt, hatte eine große Vergangenheit. Yule leitete von 1998 bis 2010 die Ausgrabungen in Zafar, der Hauptstadt eines Reiches, das sich im dritten nachchristlichen Jahrhundert als Großmacht auf der arabischen Halbinsel etablierte. Könige regierten von dort ein Land, das drei Viertel der Fläche Westeuropas umfasste und von Stämmen getragen wurde.

„Ich habe sehr gerne dort gearbeitet“, berichtet der Wissenschaftler. „In dem Dorf mit 400 Einwohnern, in dem ich tätig war, war ich der wichtigste Arbeitgeber.“ Die Menschen, die beim Heidelberger Professor als Grabungshelfer eingesetzt wurden, schreiben ihm zum Teil heute noch Mails.

Diese Drohnenaufnahme zeigt Hüttengräber aus der Zeit um. 800 vor Christus im Oman. Gräberfelder zählen zur wichtigsten Quelle der Geschichte des Landes.
Diese Drohnenaufnahme zeigt Hüttengräber aus der Zeit um. 800 vor Christus im Oman. Gräberfelder zählen zur wichtigsten Quelle der Geschichte des Landes. Foto: Paul Yule

Besonders seit 2011 engagiert sich der Bühler Archäologe im Nachbarland Oman. Das Sultanat im Südosten der arabischen Halbinsel unterscheidet sich politisch und gesellschaftlich grundsätzlich vom Jemen. Zwar ist Oman eine absolute Erbmonarchie, doch Yule spricht von einer moderaten Herrscherfamilie, die im Gegensatz zum großen Nachbarn Saudi-Arabien westlich orientiert sei.

Auch seine Frau Carmen, die den Professor regelmäßig bei Grabungskampagnen im Frühjahr und Herbst begleitet, lobt das im Vergleich zum Jemen fortschrittliche Schulsystem. „Bereits in der Grundschule gibt es Englischunterricht“, sagt sie. „Und selbstverständlich dürfen Frauen Auto fahren.“

Kein Traumland für Archäologen

Für einen Archäologen ist das Sultanat hingegen nur bedingt ein Traumland. „Die Einwohnerzahl im Wüstenstaat explodiert“, erklärt Yule. Sie liegt inzwischen bei knapp fünf Millionen.

Damit verbunden ist ein großer Druck auf die archäologischen Stätten, die überbaut werden. In der Regel wurden sie im Laufe der vergangenen Jahrzehnte bereits mehrfach geplündert. „Wenn die Leute Steine für ihren Hausbau brauchen, bedienen sie sich einfach“, sagt Yule. „Prinzipiell sind die Fundstätten in einem furchtbaren Zustand.“

Deshalb ist es schwierig, etwas über die Geschichte des Landes zu erfahren. In der frühen Eisenzeit, etwa 1200 bis 300 Vor Christus, war Oman ein wichtiger Kupferproduzent. Damals hieß das Land Qade und lieferte seinen wichtigsten Bodenschatz an eine Supermacht dieser Zeit: Mesopotamien.

Prinzipiell sind die Fundstätten in einem furchtbaren Zustand.
Paul Yule, Archäologe aus Bühl

Die Kupfervorkommen waren beachtlich, so dass man das Erz größtenteils im Tagebau gewinnen konnte. „Später haben das Heilige Land und Zypern Oman als Kupferexporteur ausgebootet“, sagt Yule. „Die Lieferwege waren kürzer.“

Eine Stadtkultur hat es in Oman trotz des Wohlstands nicht gegeben. „Es entstanden auch keine repräsentativen Bauwerke wie im Heiligen Land“, berichtet der Archäologe. Er spricht von lediglich zwei Städten mit rund 3000 Einwohnern. Die übrigen Menschen lebten in Dörfern. Trotz der bäuerlichen Kultur gab es eine Arbeitsteilung, denn die Mitarbeiter in der Kupfergewinnung und -verhüttung arbeiteten sehr fachmännisch.

Wie die Menschen in der Zeit vor Christi Geburt in Oman lebten, weiß niemand. Schriftliche Zeugnisse fehlen und Häuser haben die Archäologen bisher nicht ausgegraben.

Bisher stehen Friedhöfe im Mittelpunkt des Interesses der Forscher. In der Nähe der Hauptstadt Maskat untersucht Yule ein Gräberfeld mit 143 Gräbern. „Wir wollen jetzt 20 exemplarisch ausgraben und dokumentieren“, sagt er. Im Herbst ist die nächste Grabungskampagne geplant, denn im Hochsommer hält es kein Mitteleuropäer in der Wüste aus.

Spektakulärer Fund in der Wüste

Spektakulär war ein Fund, den 2012 drei Touristen in der Wüste gemacht haben. Sie glaubten, beim Zelten ein ehemaliges Schlachtfeld mit vielen Waffen entdeckt zu haben. Yule wurde mit der Leitung der Grabung beauftragt. In Wirklichkeit war es eine Metallschmelze aus der Zeit um 800 vor Christus. Uqdat al-Bakrah heißt der Ort. Das bedeutet „Der Hals des Kamels“.

Doch wie kamen die Metallgegenstände mitten in die Wüste? „Es handelte sich um eine antike Hehler-Station“, berichtet Yule. „Anscheinend wurden wertvolle Beigaben aus prähistorischen Gräbern geplündert und für den Wiederverkauf so verschmolzen, dass ihr Originalform wie Dolche oder Metallgefäße nicht mehr erkennbar waren. Es handelte sich wohl um eine Art prähistorische Geldwäsche.“

Die florierende Kupferindustrie in Oman hatte schlimme Folgen für die Umwelt. Um die Schmelzöfen zu befeuern, wurden viele Millionen Bäume gefällt. Heute ist Oman eine Wüste und das Klima hat sich im Vergleich zur Antike verändert.

Paul Yule

Paul Yule wurde 1947 in Minneapolis geboren und studierte ab 1966 Archäologie an den Universitäten von Minnesota, Marburg und New York, wo er 1981 mit einer Arbeit über frühe kretische Siegel promovierte.

Seit 1990 ist Yule Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Heidelberg, wo er sich 1995 für das Fach Vorderasiatische Archäologie habilitierte. 2004 ernannte ihn die Philosophische Fakultät zum außerplanmäßigen Professor. Yule leitete mehrere Ausgrabungen, unter anderem in Oman. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze. Im Bühler Stadtteil Kappelwindeck wohnt Yule seit 2010.

nach oben Zurück zum Seitenanfang