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Ausverkauf der Branche

Bühler Friseur kämpft ums Überleben und klagt über Haarschnitt-Tourismus in die Schweiz

Der Friseursalon von Uwe Gressinger in Bühl ist seit dem 16. Dezember wegen Corona geschlossen, und bleibt es auch. So langsam steht ihm das Wasser bis zum Hals. Wenn in Talkshows Gäste mit einem frischen Haarschnitt auftreten, fragt sich Gressinger, ob das überhaupt legal ist. Und auch der Friseur-Tourismus in die Schweiz stört ihn.

Uwe Gressinger sitzt in seinem Salon
Tristesse im Salon: Friseur Uwe Gressinger sitzt alleine in seinem Salon in der Bühler Schlossstraße. Trotz strenger Hygienemaßnahmen darf er weder Kunden empfangen noch zu Hause besuchen. Foto: Andreas Bühler

Ein trauriger Anblick: Uwe Gressinger steht allein in seinem Friseursalon und hält die leere Kasse in Händen. „Es kommt nichts rein. Trotz strenger Hygienemaßnahmen wird das wohl weiter so bleiben. Jetzt geht es für mich finanziell ans Eingemachte“, sagt er mit gedämpfter Stimme.

Noch schlechter gehe es seinen drei Angestellten, von den Teilzeitkräften ganz zu schweigen. Gressinger und sein Team stehen für so viele in seiner Branche. Sein Wunsch: „Wir wollen unter Einhaltung der peniblen Hygienemaßnahmen am 1. Februar öffnen und auch Hausbesuche machen.“ Traurig stimmen ihn die zunehmenden Anzeigen im Internet – dort hat der Ausverkauf schon mit Salonausstattungen zu Dumpingpreisen angefangen.

Staunen über frischen Haarschnitt

„Da stimmt doch was nicht“ meint er mit Blick auf Talkshows. Dem 57-jährigen Bühler Friseur entgeht nicht, wenn Moderatoren und Gäste wie Politiker oder auch Fußballspieler „plötzlich mit einem super Haarschnitt in der Sendung auftauchen.“ Und auch beim Anblick so mancher frisch gestylter Mitbürger komme er mächtig ins Nachdenken. „Ich kann das beurteilen. Sowas kann man in der Qualität nicht selbst machen.“, stellt er fest.

Wir Friseure sind die Geschnittenen.
Uwe Gressinger, Friseursalon-Inhaber

Wo sonst geschäftiges Treiben und Fön-Geräusche die Szene beherrschen, hallen jetzt die Worte von Uwe Gressinger im leeren Salon in der Bühler Schlossstraße. „Ich kann Ihnen sagen, dass es hier im Salon beim Haareschneiden sicherer ist als bei manchem Arzt, allein schon wegen der vielen Corona-Tests, die dort ablaufen.“ Er zählt die Maßnahmen auf: Die Mannschaft arbeitet in zwei Schichten, Sitze und Arbeitsgeräte wie Kamm und Schere werden sofort desinfiziert, Handtücher entfernt und nur jeder zweite Friseursessel besetzt.

„Was kann man mehr tun“, fragt sich Uwe Gressinger, der seinen Salon nun schon seit fast 30 Jahren betreibt. „Wir Friseure sind die Geschnittenen“, stellt er mit Blick auf die hohen Hürden bei den finanziellen Hilfen fest. Es gebe sogar schon einen Friseur-Tourismus in die benachbarte Schweiz.

Die Lage ist grenzwertig

„Ich kann die Situation nur als grenzwertig bezeichnen. Die Frage ist, wie lange unsere Betriebe das noch durchhalten. Schließlich ist unser Verdienst nicht so üppig bemessen, um ausreichend Rücklagen zu bilden“, sagt Petra Albrecht über die Lage der Friseure in der Region. Die Obermeisterin der Friseur- und Kosmetikinnung Mittelbaden, die einen Salon in der Bühler Johannes-Passage führt, sieht eine Pleitewelle anrollen.

„Der Markt ist sowieso schon durch Billiganbieter beim Lohnniveau unterwandert worden. Und man muss wissen, dass wir normalerweise ein starkes Saisongeschäft vor Feiertagen haben. Das Oster- und Weihnachtsgeschäft im vergangenen Jahr hat man uns schon weggenommen“, stellt Albrecht fest.

Unter diesen Umständen sei es für die Betriebe auch nicht möglich gewesen, Rücklagen zu bilden. Die Angestellten bekämen bei Kurzarbeit immerhin rund 60 Prozent ihrer normalen Vergütung. Schlimm dran seien vor allem die Teilzeitkräfte. „Und die gibt es eben in unserem Friseurgewerbe sehr viel. Viele Frauen schätzen es wegen der Familie, nicht Vollzeit zu arbeiten.“

Angesichts der neuen Corona-Entwicklung mit den veränderten Viren zeichnet sich doch eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen immer mehr ab.
Uwe Gressinger, Friseursalon-Inhaber

Der 14. Februar sei zwar als Termin für die Wiedereröffnung geplant gewesen. „Aber angesichts der neuen Corona-Entwicklung mit den veränderten Viren, die noch ansteckender sind, zeichnet sich doch eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen immer mehr ab. Ich bekomme wirklich Bauchweh, wenn ich daran denke, wie das weitergeht.“ Für Uwe Gressingers Wunsch der schnellen Öffnung dürfte es mithin nicht gut aussehen.

Hoffen auf Unterstützung

Das Friseurhandwerk stehe in der Krise ganz klar zu seiner Verantwortung gegenüber der Solidargemeinschaft, betont Albrecht. „Aber wir brauchen dafür auch ganz klar die Unterstützung der Gesellschaft, sonst schaffen wir das nicht.“ Sie stehe in Kontakt mit Landtagsabgeordneten, um die finanzielle Unterstützung voranzubringen.

Die Friseure sind nach ihren Angaben als Empfänger für das Übergangsgeld 3 aufgenommen worden. „Das ist gut. Aber bis dato ist noch kein Cent geflossen. Das Problem ist, dass wir von der Politik bislang noch keinen Termin genannt bekommen haben, wann wir die entsprechenden Anträge überhaupt stellen können.“ Die Zeiten für Uwe Gressinger, Petra Albrecht und viele ihrer Kollegen könnten also noch schwieriger werden.

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