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Haus wurde verkauft

Bühler Künstler Jörg Kräuter schließt sein Atelier

Rückbesinnung auf das Wesentliche: Kabarettist und Künstler Jörg Kräuter zieht um - und kündigt seinen Abschied vom Kabarett an.

Mann in Atelier
Sein Atelier ist für den Künstler Jörg Kräuter mit vielen Erinnerungen verbunden. Den Abschied sieht er dennoch gelassen. Foto: Katrin König-Derki

Kunst, Sperrmüll und eine Ahnung von Leere: Der Künstler Jörg Kräuter hat begonnen, sein großzügiges Atelier in der Hauptstraße 56 zu räumen. Das ist ein Schritt, der ihm seit Jahren vorschwebt, um sich verstärkt auf seine Glossen, auf Grafiken und Kabarett zu konzentrieren und von zu viel „Wust“ zu befreien.

Der Abschied erfolgt nun allerdings schneller als gedacht: Das Haus, das er nicht zuletzt wegen des inspirierenden multikulturellen Miteinanders liebt und in dem sich auch seine Privatwohnung befindet, wurde verkauft. Die 120 Quadratmeter große Fläche des Ateliers wird für Kräuter quasi unbezahlbar. Er sieht das gelassen, wenngleich mit diesem Ort unzählige Erinnerungen verbunden sind.

„Für meine ersten künstlerischen Arbeiten nutzte ich die Mansarde meiner Wohnung“, blickt er zurück. „Dann arbeitete ich einige Jahre, sehr gerne übrigens, im Hinterhof von Schuhmachermeister Günter Droll. Mein Umzug ins heutige Atelier 2008 brachte aber viele Vorteile mit sich, auch die Raumhöhe von 3,40 Metern und die guten Lichtverhältnisse durch die hohen Fenster. Hier konnte ich sogar sehr große Arbeiten herstellen, etwa das gigantische Boot aus Pappe für die Ausstellung ‚Alles Pappe‘ im Friedrichsbau.“

Gespräche mit Passanten durchs offene Fenster

Auch sein Atelier öffnete Kräuter häufig für die Bevölkerung. „Die unmittelbare Nähe zu meiner Wohnung war natürlich günstig. Und gerade im Sommer, bei geöffneten Fenstern, ergaben sich so manche Gespräche mit Passanten.“ Ja, Leben hatte er im Atelier, Feste inklusive.

Das ist eine andere Welt, in der ich alles vergesse, konzentriert arbeiten oder einfach nur laut Musik hören kann.
Jörg Kräuter, Künstler, über sein Atelier

Auch Journalisten kamen – von Funk, Fernsehen und Presse. Wenn er es denn wollte. Die Räume dienten ihm schließlich zugleich als Rückzugsort. „Das ist eine andere Welt, in der ich alles vergesse, konzentriert arbeiten oder einfach nur laut Musik hören kann.“ Im Atelier hat er außerdem seine literarische Muse, „die Traudl“, kennengelernt. „Unter Vorspiegelung künstlerischer Aktivitäten lockte ich sie her, und sie blieb. Ob wegen mir oder wegen der Kunst, sei dahingestellt“, sagt er, ganz der hintergründige Kabarettist.

Was mit dem Inhalt seines Ateliers passiert, hat er schnell beantwortet: Ins Depot im Gewölbekeller unter dem Haus oder, insbesondere das Mobiliar, auf den Müll. Und: „Eine letzte Ausstellung mit Arbeiten aus den vergangenen Jahren findet vom 20. November bis zum 18. Dezember statt. Sie stehen zugleich zum Verkauf.“

Jörg Kräuter will mit dem Kabarett aufhören

Mit seinen 66 Jahren sei es grundsätzlich an der Zeit, Aktivitäten und Besitz zu reduzieren, resümiert Kräuter. Das Wort „Minimalismus“ steht im Raum. „In diesem Sinne wird auch meine Wohnung immer leerer. Bücher, Geschirr, Möbel, alles schrumpft, und das empfinde ich als sehr angenehm.“

Zum Arbeiten wird er bald wieder in die Mansarde unter dem Dach zurückkehren: „Der Kreis schließt sich. Ich besinne mich auf einiges, was gut war. In der Kunst, im Schreiben. Mit Blick aufs Kabarett werde ich die schönsten Stücke sammeln und im nächsten Jahr aufführen, dann höre ich auch damit auf.“

Der Kreis schließt sich. Ich besinne mich auf einiges, was gut war.
Jörg Kräuter, Kabarettist

Angst macht ihm das nicht. Oder man sieht sie ihm jedenfalls nicht an, so ausgeglichen und leise vergnügt, wie er da im leicht chaotisch anmutenden Atelier sitzt. Angst, wovor auch? „Ich habe meinen Sport, schreibe, kümmere mich um mich selbst.“ Für so viel Weisheit schaut Kräuter eigentlich noch viel zu jung aus. Allein: Man glaubt ihm jedes Wort.

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