Manchem Stadtrat geht es mit der Digitalisierung im Rathaus nicht schnell genug. Da fallen schon mal knackige Sätze: „Bis wir so weit sind wie die baltischen Staaten, müssen wir noch ordentlich die Hosen wackeln lassen“, urteilte Walter Seifermann (GAL) bei den Haushaltsberatungen des gemeinderätlichen Verwaltungsausschusses.
Dort legte Daniel Fritz (CDU) nach: „Entscheidend ist, was beim Bürger ankommt. Das geht zu langsam, es ist ein Trauerspiel, was sich in den letzten Jahren getan hat. Wir müssen schauen, dass Dampf auf den Kessel kommt.“
Digitalisierung in Bühl: IT-Kosten je Mitarbeiter steigen um 55 Prozent
Fritz sieht zwischen Analyse und Umsetzung zu viel Zeit verstreichen: „Irgendwann sind die Dinge schon wieder überholt“. Gleichzeitig werde aber investiert und eingestellt. Der Haushaltsplanentwurf weist eine Steigerung der durchschnittlichen IT-Kosten je Mitarbeiter von 2020 bis 2023 um rund 55 Prozent auf 1.700 Euro aus.
Die Kritik mochte Bürgermeister Wolfgang Jokerst (Grüne) so nicht stehen lassen: „Wenn wir mit falschen Erwartungen hantieren, muss ich an der Stelle entschieden widersprechen“.
Er zog zum Vergleich die Stadt Offenburg heran. Diese habe im vergangenen Jahr für die Digitalisierung 24 Personen eingestellt, erwarte eine Rendite aber nicht vor fünf bis sieben Jahren. Es sei auch nicht so, dass jede Organisationsuntersuchung am Ende eine Einsparung bringe. Als Beispiel nannte er die Ortsverwaltungen: „Die Ortsvorsteher haben sich gefreut, dass alles bleiben soll, wie es ist“.
Daniel Bauer, der Leiter des Fachbereichs Personal – Organisation – Digitalisierung, kündigte für diesen Monat ein Treffen der entsprechenden Fachgruppe an: „Wir gehen das kontinuierlich an und schauen, wo die Bürger den größten Nutzen haben“. Außerdem liege ein Augenmerk darauf, was im re@di-Verbund übernommen werden könne. Dabei handelt es sich um eine interkommunale Zusammenarbeit der Städte Baden-Baden, Bretten, Bruchsal, Bühl, Ettlingen, Gaggenau, Rastatt, Rheinstetten und Stutensee. In verschiedenen Projektgruppen widmen sie sich Themen wie der Umsetzung digitaler Bürgerdienste, der E-Akte, dem digitalen Bauantrag oder auch der Schuldigitalisierung.
Weiter Weg zum papierlosen Büro
„Auch andere Städte in der Region sind hintendran“, konstatierte Georg Schultheiß (FW). „Da ist noch nicht alles aus dem Onlinezugangsgesetz umgesetzt.“ Dieses hatte Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, spätestens Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch digital anzubieten, immerhin knapp 600 zu digitalisierende Verwaltungsleistungen wurden dabei aufgelistet. Schultheiß regte eine Auflistung dessen an, welche digitalen Services die Stadt ihren Bürgern schon anbiete. Georg Feuerer (CDU) warnte davor, die Anzahl der Services zum Maßstab zu machen und verwies auf die Abhängigkeit von Rechenzentren.
Dass es bei aller Digitalisierung ein sehr weiter Weg bis zu einem papierlosen Büro ist, machte Karl Ehinger (FW) mit dem Hinweis auf das verbrauchte Papier deutlich: Im vergangenen Jahr waren es 3,9 Millionen Blätter, und die gleiche Größenordnung erwartet die Stadtverwaltung auch in diesem Jahr.
Allerdings, so Daniel Bauer, sei das klare Ziel, die Zahl der Ausdrucke zu verringern. Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie habe es mehr Ausdrucke gegeben. Die Drucker-Verträge liefen zum großen Teil dieses Jahr auf. „Wir stellen das neu auf“, sagte Bauer. Parallel werde auch an einem Dokumentenmanagementsystem gearbeitet.
Bühler Videokonferenzsystem wird in Frage gestellt
Corona hatte nicht nur den Papierverbrauch erhöht, sondern mit Palim! Palim! eine Videokonferenzlösung gebracht, die der Stadt bundesweite Aufmerksamkeit bescherte. Jetzt stellte Georg Schultheiß die Frage: „Brauchen wir Palim! Palim! noch?“ 16.000 Euro an jährlichen Kosten seien „schon ein Posten“, zumal die Qualität ab einer bestimmten Nutzerzahl nicht mehr so hoch sei.
Wenn das Angebot mit ausklingender Pandemie noch aus dem Fokus gerutscht sei, könne das Geld vielleicht in wichtigere Dinge fließen. „Im Winter haben wir es noch genutzt“, sagte Bauer. „Die Frage ist aber absolut berechtigt.“ Allerdings kämen pro Jahr auch 10.000 bis 14.000 Euro zurück, da acht weitere Städte das Bühler Angebot nutzen. Und, so Bauer, „Es hat sich noch keine abgemeldet.“