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Wechsel an US-College

Schwimmerin Giulia Goerigk aus Bühlertal ist vom deutschen Verband enttäuscht

Frühtraining hat für Giulia Goerigk aus Bühlertal in den USA eine neue Bedeutung erhalten. Damit kommt sie klar. Tief sitzt dagegen der Frust-Stachel wegen einer Entscheidung des deutschen Verbands.

Neue Sport-Reize in in den USA: Giulia Goerigk von der SGR Karlsruhe schwimmt seit Sommer 2022 für das Team der Texas A&M University.
Neue Sport-Reize in in den USA: Giulia Goerigk von der SGR Karlsruhe schwimmt seit Sommer 2022 für das Team der Texas A&M University. Foto: Texas A&M University

Seit vergangenen Sommer ist Texas die Heimat von Giulia Goerigk, genauer: Die Uni-City College Station, nordwestlich von Houston. An der Texas A&M University hat die 20 Jahre alte Lagen-Expertin, die weiterhin für die SGR Karlsruhe startberechtigt ist, ihr Wirtschaftsstudium aufgenommen.

Im Fokus aber steht der Leistungssport. Nach den ersten Monaten in den USA zieht die Bühlertälerin eine erste Zwischenbilanz und spricht auch über ihren Frust über eine Entscheidung des Deutschen Schwimmverbands (DSV).

Wie war es, an Weihnachten auch mal wieder auf heimischer Bahn im Wasser gewesen zu sein?
Giulia Goerigk

Es war schön, auch wieder mal mit den anderen zusammen im Fächerbad zu schwimmen. Ich war ja eine knappe Woche in Deutschland, sieben Einheiten musste ich da trotz der Feiertage unterkriegen.

Unterscheidet sich das Training in den USA stark von dem hier in Deutschland?
Giulia Goerigk

Wir trainieren zum Beispiel drüben überwiegend auf der Yard-Bahn, die ein bisschen kürzer ist als die 25-Meter-Bahn. In den Semesterferien sind wir jetzt aber auf die Langbahn gewechselt. Überhaupt wurde das Training richtig hochgefahren, das Wintertraining gilt hier als härtestes Training. Das ist wie Trainingslager und geht bis zum 26. Januar, wenn die Uni wieder losgeht.

Ist das Training generell härter?
Giulia Goerigk

Das kommt, glaube ich, auch auf die Uni an. Ich habe mir ja eine ausgesucht, die zum Lagenschwimmen passt. Das Training hier ist schon sehr intensiv, das Tempo deutlich schneller. Wir machen viel mit Equipment, binden uns zum Beispiel Gewichte um den Bauch oder wir haben auch so einen Brems-Fallschirm.

Was war denn die größte sportliche Umstellung?
Giulia Goerigk

Das Frühtraining! In Karlsruhe haben wir um sieben angefangen, hier beginnt um 5.50 Uhr das Aufwärmen und um sechs geht es ins Wasser. Dementsprechend muss ich so um viertel nach fünf aufstehen. Mein Zimmer ist zum Glück nur fünf Minuten weg vom Trainingskomplex. Aber an Frühstück ist da nicht zu denken, höchstens an einen Riegel oder so. Drei- bis viermal haben wir Frühtraining in der Woche, auch am Samstag. Aber man gewöhnt sich dran. Wenn ich mal bis sieben liegen bleiben kann, dann ist das jetzt ausschlafen für mich.

Was ist sonst noch anders?
Giulia Goerigk

Schwimmen ist hier mehr ein Teamsport, weil wir zum Beispiel auch als Mannschaft bei Wettbewerben antreten. Das spürst du auch im Training. Jeder muss immer da sein, auch wenn man verletzt oder nur etwas angeschlagen ist. Du bist dann am Beckenrand und feuerst an, und das hilft dir im Wasser gerade bei längeren Serien echt. Also: Mir macht es super viel Spaß hier.

Und ihr schwimmt dann gegen andere College-Teams?
Giulia Goerigk

Ja, es gibt da verschiedene Ligen. Wir sind in der SEC-Liga. Am Ende gibt es eine Meisterschaft und vom Abschneiden ist auch die finanzielle Unterstützung für die Colleges abhängig. Zudem gibt es den NCAA-Wettbewerb, wo du als Einzelsportler startest. Die Quali dafür habe ich schon in der Tasche.

Und das Studium ist ganz auf den Sport und das Training abgestimmt?
Giulia Goerigk

Genau. Wir bekommen sehr viel Unterstützung, es gibt zum Beispiel eine extra Sportler-Mensa. Das ist schon wichtig, weil es hier halt sonst viel Fast Food gibt. Und man merkt generell, dass der Sport einen anderen Stellenwert hat. Wir sind hier bei 70.000 Studenten zirka 500 Athleten, davon etwa 40 Schwimmer. Unser Trainer sagt immer, wir werden hier an der Uni angesehen wie Rockstars.

Und: Hat der „Rockstar“ Goerigk schon mal Heimweh gehabt?
Giulia Goerigk

Klar, die Phasen gab es. Gerade zum Beispiel an Thanksgiving, wenn viele heim zu ihren Familien fahren. Dann denkt man schon: Jetzt wäre ich auch gerne zu Hause. Aber ich war mit einer Freundin bei deren Familie in Florida, das war auch schön. Und grundsätzlich bereue ich meinen Schritt, in die USA zu gehen, überhaupt nicht. In Deutschland fehlt einfach die Unterstützung, deswegen hatte ich mich letztlich auch für Amerika entschieden.

Können Sie das konkretisieren?
Giulia Goerigk

Erstmal bist du sehr abhängig davon, ob du es in den Kader schaffst oder nicht. Dann ist es schwierig, Studium und Leistungssport zu verbinden. Es gibt die Möglichkeit, zur Bundeswehr zu gehen, das war schwierig, weil es nicht genügend Plätze gab. Und vielleicht will ja auch nicht jeder zur Bundeswehr. Dann kommen andere Sachen dazu: Ich hatte zum Beispiel an einem Bundesstützpunkt angefragt, aber nicht einmal eine Rückmeldung erhalten. Aber der Tiefschlag kam, als ich schon in Amerika war…

…was ist passiert?
Giulia Goerigk

Vom Deutschen Schwimmverband erhielt ich die Nachricht, dass ich erstmals seit drei Jahren 2023 nicht mehr im Kader bin – und das, obwohl ich die Norm geschwommen bin. Die Zeiten sind ja klar festgelegt und ich bin die Zeit für die 400 Meter Lagen offiziell geschwommen.

Und was ist die Begründung?
Giulia Goerigk

Bei den Nominierungskriterien heißt es, dass die Bundestrainer und Verband das letzte Wort haben. Allerdings wurden andere berufen, die nicht einmal die Kaderzeiten geschwommen sind. Ich wurde stattdessen in den Ergänzungskader gesteckt, wo man zum Beispiel kaum noch finanzielle Unterstützung bekommt.

Ob es daran liegt, dass Sie nach Amerika gegangen sind?
Giulia Goerigk

Ich weiß es nicht, das wird dir auch niemand beim DSV klar beantworten. Es heißt eben: Der Bundestrainer hat das letzte Wort, die Zeit gilt doch nicht. Für mich als Sportlerin ist das ein Schlag ins Gesicht. Man gibt alles, trainiert und trainiert, schwimmt die geforderte Zeit und am Ende steht man da. Da hat man schon den Eindruck: Es kommt nicht mehr auf die Leistung an. Das ist demotivierend. Für mich steht auf jeden Fall fest: Es war der richtige Schritt, zu gehen.

Sie haben ein Stipendium, wiegt der sportliche Frust härter als der finanzielle Aspekt?
Giulia Goerigk

Ich werde sehr gut unterstützt, das ist richtig. Aber es geht zum Beispiel um Flüge: Wie zahle ich die, wenn ich deutsche Meisterschaften schwimmen will oder andere Wettbewerbe in Europa?

Spornt Sie der Ärger über den DSV an?
Giulia Goerigk

Mein Trainer hier meinte: Dann zeigst Du es denen halt im Wasser! Aber das ist schwierig, zu glauben, wenn man seine Zeiten schwimmt und es trotzdem nicht genug ist. Das ist das Ding.

Hat der Kader-Frust Auswirkung auf Ihre Ziele für das neue Jahr?
Giulia Goerigk

Eigentlich ist mein Ziel schon, es zum Beispiel zur WM im Sommer zu schaffen. Aber nach dem ganzen Theater jetzt muss ich mal schauen, ob ich darauf Lust habe. Ich hätte aber auf jeden Fall die Möglichkeit, bei Wettkämpfen in den USA die Quali-Zeit zu liefern.

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