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Interview mit Ortsvorsteher Jürgen Lauten

Dorv-Laden in Eisental: Was das Konzept auch für andere Orte attraktiv macht

Seit Ende 2013 gibt es den Dorv-Laden in Eisental. Gerade im Lockdown schätzen die Kunden die Einrichtung und auch andernorts ist das Modell auf Interesse gestoßen. Im Interview mit den BNN zieht Ortsvorsteher Jürgen Lauten Bilanz.

Dorvladen Eisental
Der Eisentaler Dorv-Laden zieht etwa 150 bis 160 Kunden pro Tag an. Etwa 20 Prozent kommen von außerhalb, schätzt Jürgen Lauten. Foto: Bernhard Margull

Der Dorv-Laden ist über die Jahre zu einem wichtigen Bestandteil Eisentals geworden. Doch das siebte Jahr seines Bestehens brachte die Corona-Pandemie, und bereits im sechsten Jahr gab es die eine oder andere Schwierigkeit.

Der Eisentaler Ortsvorsteher Jürgen Lauten (CDU) war von Anfang an maßgeblich an dem Projekt beteiligt.

Im Gespräch mit unserem Redaktionsmitglied Wilfried Lienhard zieht er Bilanz, erklärt, was das Konzept auch für andere Orte attraktiv macht, und blickt auf Zukunftsperspektiven.

Im November 2013 hat der Dorv-Laden seinen Betrieb aufgenommen. Wie fällt Ihre Bilanz seither aus?
Lauten

Der Dorv-Laden ist mittlerweile unverzichtbar für den Ort. Gerade die Pandemie hat es an den Tag gebracht, wie wichtig eine solche Einrichtung ist. Vor allem im ersten Lockdown hat man auf einmal bemerkt, wie die Menschen es schätzen, im Ort einkaufen zu können. Aber auch im zweiten Lockdown hat man die Vorzüge etwa gegenüber großen Supermärkten zu schätzen gewusst, in denen keine Rücksicht genommen und mitunter gedrängelt wird, als gäb’s kein Morgen mehr. Die überschaubare Größe des Dorv-Ladens ist ein Vorteil. Er ist auch zu unserem Lebensmittelpunkt geworden, man trifft sich hier. Es sind viele Dinge in den Ort zurückgekehrt. Nicht zu vergessen: Eisental ist attraktiv geworden, auch für Neubürger. Wir haben am Ort eigentlich alles. Es war der richtige Schritt, es brauchte viel Zeit, aber wir haben etwas erreicht, um das uns heute viele beneiden.

Wie war die Entwicklung der Kundenzahlen?
Lauten

Zu Beginn sorgte der Reiz des Neuen natürlich für sehr großen Andrang. Das pendelte sich dann auf einem etwas niedrigeren, aber sehr stabilen Niveau ein. Wir haben im Schnitt 150 bis 160 Kunden pro Tag. Allerdings ist der Grat zwischen Plus und Minus sehr schmal. Fünf oder sechs Kunden weniger am Tag bedeuten aufs Jahr umgerechnet eine Umsatzeinbuße von 20.000 Euro. Das hat uns, als wir es durchgerechnet haben, selbst überrascht. Pro Einkauf haben wir einen Warenumsatz von rund neun Euro, was für einen solchen Laden ein sehr guter Wert ist.

Zieht der Laden auch Kunden von auswärts an?
Lauten

Ja, das tut er. Es ist aber schwer zu sagen, in welchem Umfang. Wir schätzen, dass es 15 bis 20 Prozent der Kundschaft sind. Gerade samstags und sonntags kommen etliche von auswärts. Da sind die Backwaren der Anziehungspunkt. Ein Plus ist sicher, dass wir viele regionale Produkte im Angebot haben von Hofläden oder der Zeller Mühle, zu denen man deshalb nicht extra fahren muss. Aktuell erhielten wir auch von der Stadt Bühl das Fair-Trade-Siegel.

Sie waren von Anfang maßgeblich an diesem Projekt beteiligt und haben sich auch über Eisental hinaus dafür engagiert. Was war Ihr Motiv?
Lauten

Ich bin hier aufgewachsen und wohne hier. Als Architekturstudent war es schon mein Thema, wie ein Ort weiterentwickelt werden kann. Ich kannte den Tante-Emma-Laden von früher noch, wo man einkaufen konnte. Es war mir ein Bedürfnis, im Ort wieder eine Infrastruktur aufzubauen. Das Dorv-Konzept überzeugte. Vieles davon haben wir umgesetzt, alles aber passt nicht. Aber es ist der richtige Ansatz. Der Erfolg gibt uns in gewisser Weise Recht, auch wenn wir jedes Jahr bei Null anfangen und nicht wissen, wo wir am Ende des Jahres landen. Allein die Tatsache, dass wir hier einen Lebensmittelpunkt geschaffen haben, ist ein Erfolg. Jedes Jahr, den es den Dorv-Laden länger gibt, ist ein gewonnenes Jahr.

Wie kam es zum Engagement im ganzen Land?
Lauten

Ich bin gefragt worden, ob ich mir das vorstellen könnte. Nun bin ich kein Unternehmensberater oder Betriebswirtschaftler. Aber in jedem Ort gibt es ein Team aus verschiedenen Fachrichtungen, da fließen die unterschiedlichsten Stärken ein. So war es in Eisental und auch in den Orten, die ich begleiten durfte. Ich wollte unsere Erfahrungen weitergeben, und es gab auch Synergieeffekte für Eisental, wenn etwa andernorts Ideen entwickelt wurden, sie sich auch bei uns anboten. Mittlerweile bin ich hier aber nicht mehr unterwegs, weil es in meiner beruflichen Situation nicht mehr möglich ist.

Hat es Sie überrascht, dass das Modell auch andernorts auf solches Interesse gestoßen ist? Wie viele Delegationen waren schon hier?
Lauten

Nein, das hat mich nicht verwundert. Denn landauf, landab haben die Orte in ländlichen Strukturen die gleichen Probleme. Es gibt keinen Laden mehr, die Leute fahren morgens raus und kommen abends wieder zurück, sie schlafen nur noch da. Eine solche Einrichtung bewahrt das Leben im Ort. Wie viele Delegationen schon hier waren? Das kann ich nicht mehr sagen, es waren jedes Jahr drei bis vier. Toll war, dass die Landesregierung mehrmals hier war, also die verantwortlichen Minister und Staatssekretäre, auch die Regierungspräsidien. Sie sind auf unser Projekt aufmerksam geworden und haben es als Vorbild dafür identifiziert, dass eine solcher Nahversorgung funktionieren kann. Unser Laden war der Anlass für Gespräche, wie solche Einrichtungen bei der Entstehung bezuschusst werden. Mittlerweile gibt es diese Zuschüsse. Das war bei uns noch nicht so.

Zum Dorv-Zentrum gehört mehr als das Einkaufen. Wie wichtig sind die Zusatzangebote?
Lauten

Sehr wichtig. Das gilt vor allem für die Post. Da stellte sich am Anfang die Frage, auch an anderen Orten mit solchen Einrichtungen, ob sich das überhaupt rechnet. Oft war man der Meinung, man müsste eigens eine Person für die Post einstellen, aber bei uns im Dorv-Zentrum wird diese Dienstleistung im Rahmen des Dorfladens einfach mitgemacht. Wichtig war, dass auch Pakete angenommen werden, sonst geht die Rechnung nicht auf. Wir haben hier innerhalb kürzester Zeit einen solchen Umschlag gehabt, dass die Post selbst überrascht war, normalerweise brauche eine Postagentur bis zu solchen Ergebnissen zwei, drei Jahre. Der Service hat auch Leute aus Nachbargemeinden angezogen, die sich die Fahrt nach Bühl oder Baden-Baden sparen wollten. Und oft wird dann gleich noch im Laden eingekauft, wenn man schon mal da ist. Genau deswegen sind Zusatzangebote so wichtig.

Das verflixte siebte Jahr brachte Corona und Bauarbeiten vor der Haustür: Wie schwierig war und ist die Situation für den Laden?
Lauten

Verflixt war bei uns schon das sechste Jahr. 2019 hatten wir einen Geschäftsführerwechsel und auch sonst einige personelle Veränderungen, der Trottenplatz wurde zu Baustelle. 2020 kam Corona hinzu, die Baustelle war das ganze Jahr noch da. Das alles war sehr schwierig und kraftzehrend, weshalb der Aufsichtsrat auch eine Dankeschön-Zahlung an die Belegschaft beschlossen hat. Wir haben aber trotz der Schwierigkeiten auch eine Weiterentwicklung gesehen. Es unterstützen uns auch Personen, die schon lange nicht mehr hier wohnen und eine großer Expertise mitbringen. Es wurde eine Umstrukturierung angestoßen. Wir waren an einem Punkt angelangt, an dem wir erkennen mussten, dass die Ansätze des ursprünglichen Dorv-Konzepts weiter richtig sind, aber vielleicht für unsere spezielle Zwecke angepasst werden müssen. Die Strukturen sind in Eisental nun mal andere Strukturen als in Nordrhein-Westfalen.

Was bedeutet Umstrukturierung und was heißt das für die Perspektiven des Ladens?
Lauten

Wir schauen auf das Sortiment und fragen, wie wir noch mehr Regionalität schaffen können. Wir haben seit Beginn gute und feste Partner, aber es sind in der Zwischenzeit weitere neue regionale Anbieter auf den Markt gekommen, die auch gut in unseren Laden passen würden. Die Perspektiven sind aufgrund dieses Umstrukturierungsprozesses gut. Getreu unserem Dorv-Motto „Von uns für uns“ wollen wir die Region und unsere regionalen Partner stärken und somit eine Win-Win-Situation für alle schaffen.

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