
Als am 14. April 1945 französische Truppen in Bühl einmarschieren, beschlagnahmen sie auch das Hausgrundstück von Walter Moog in der Burg-Windeck-Straße.
Die „Villa Moog“ wird eine Dienststelle der französischen Militärverwaltung. Der Arzt, der tief in die Zwangssterilisierungen im Dritten Reich verstrickt ist, muss am 18. September 1945 mit sofortiger Wirkung das Gesundheitsamt verlassen, seine Bezüge werden eingestellt. Er wird verhaftet und in ein Internierungslager in Freiburg gebracht.
Die Reinigungskommission des Ministeriums des Inneren in Freiburg urteilt am 13. September 1946, dass Moog als Amtsarzt untragbar sei und deshalb ein Jahr seinem Beruf nicht nachgehen dürfe. Sollte er eine Praxis eröffnen, darf er außerdem drei Jahre lang keine Kassenpatienten behandeln.
Das badische Innenministerium reiht Moog am 13. April 1949 in die Gruppe der „Minderbelasteten“ ein und kürzt sein Ruhegehalt um zehn Prozent. Während des Spruchkammerverfahrens rechtfertigt er sich, dass er bei seiner Arbeit nur die bestehenden Gesetze befolgt habe. Er zeigt keinerlei Schuldbewusstsein oder gar Mitgefühl für die zwangssterilisierten Opfer.
Arzt aus Bühl möchte Entschädigung
1951 reicht Moog beim Landesentschädigungsgericht Freiburg einen Entschädigungsantrag für Besatzungsschäden an seinem Haus ein. Er macht unter anderem Bauschäden geltend, listet ärztliches Instrumentarium und Bücher auf. Das Gericht spricht ihm am 18. August 1953 eine Entschädigung in Höhe von 21.615 D-Mark zu.
Mit dem Ende des NS-Regimes haben die Besatzungsmächte NS-typische Gesetze verboten, nicht jedoch das Zwangssterilisationsgesetz der Nazis, weshalb wohl die rassenideologischen Ziele der NS-Führung als auch die rechtswidrige Umsetzung dieses Gesetzes verkannt worden sind. Vielleicht hat dabei auch eine gewisse Rolle gespielt, dass in den USA zwischen 1907 und 1940 in mehr als 30 Staaten Sterilisationsgesetze in Kraft getreten waren.
Heftige Kritik an Entscheidung in Freiburg
Nach seiner Internierung kann Moog wieder als praktischer Arzt arbeiten. Nur der Verband der Verfolgten des Naziregimes (VVN) weist auf Moogs Rolle im Rahmen der Zwangssterilisationen hin und findet es befremdlich, dass er nun mithilfe deutscher Stellen seinen Beruf wieder ausüben könne: „Wir waren übrigens überzeugt, dass all jene, die Straftaten gegen die Menschheit begangen haben, sich einer gerechten Strafe nicht entziehen könnten“, heißt es in einem Schreiben des VVN vom 25. Mai 1949.
„Leider mussten wir feststellen, dass es immer Mächtige gibt, die Menschen von der Sorte des Dr. Moog beschützen und unterstützen.“ Wenn der Fall Moog keinen gerechten Ausgang finde, könne der VVN als aufgelöst betrachtet werden.

Das Schreiben findet sich in Akten des früheren „Archives de l’occupation francaise en Allemagne et en Autriche“ in Colmar. Dort ist auch ein Bericht der kommunistischen Zeitung „Unser Tag“ archiviert. Darin wird dem SS-Hauptsturmführer vorgeworfen, „Tausende von Menschen für immer ruiniert“ zu haben.
Auf Wunsch des Kreisleiters habe er Verstümmelte des Ersten Weltkrieges an die Front schicken wollen, was einer militärärztlichen Abmachung widersprochen habe; einen Kollegen habe Moog als Saboteur gemeldet, weil er sich geweigert hatte, Männer zum Volkssturm zu schicken. Überprüfen lässt sich das nicht.
Dass Moog bei der Anhörung einen Anwalt zur Seite hat, der bereits Vorsitzender einer solchen Spruchkammer gewesen ist, führt die Zeitung zu dieser Feststellung: „Der innere Verfall der gesamten Denazifikation konnte nicht überzeugender bewiesen werden“.
Bewerbung um Sitz im Bühler Gemeinderat
Im Vorfeld der ersten Bühler Gemeinderatswahl nach dem Ende der NS-Diktatur werden aus politischen Gründen 220 Männer und Frauen aus der Wahlliste gestrichen. Zu ihnen zählt Walter Moog. An der Wahl am 15. September 1946 darf er nicht teilnehmen. Zwei Jahre später ist das bereits anders. Schließlich kandidiert Moog bei der Wahl am 15. November 1953 für einen Sitz im Gemeinderat.
Auf dem Wahlvorschlag erhält er 1.264 Stimmen. Für den Einzug in das Gremium reicht das nicht. Vier Jahre wäre er als Nachrücker für den ausscheidenden Theo Eisele an der Reihe. Eisele hat sich vergeblich um das Amt des Bühler Bürgermeisters bemüht und gibt nun auch sein Gemeinderatsmandat auf. Moog lehnt die Nachfolge ab und begründet dies mit seiner Gesundheit.
Wie erklärt sich die hohe Stimmenzahl? Moog ist schon in den 1920er Jahren in Bühl nicht nur als Amtsarzt bekannt gewesen, sondern auch als Vorsitzender des VfB Bühl. Dieses Amt übernimmt er am 28. August 1924 und übt es bis 1933 aus. 1952 wird er Vorsitzender des Sport-Ausschusses und vertritt damit den VfB Bühl, den Turnverein Bühl, den Turnverein Kappelwindeck und den Skiclub Bühl.
Der VfB wählt ihn am 29. Juli 1953 einstimmig zum Ehrenpräsidenten, um seine Verdienste um den Fußballsport zu würdigen. Moog stirbt am 18. September 1965 in Baden-Baden.
Ehrenpräsident beim VfB Bühl
Im Mai 1946 hatte sich das Gesundheitsamt Bühl, die bis vor Kurzem noch von Moog geleitete Behörde, beim Unzhurster Pfarrer Richard Weber gemeldet.
Eine Frau, Mitte 30, hatte einen Antrag auf Wiederfruchtbarmachung gestellt, sie war wegen angeblichen Schwachsinns zwangssterilisiert worden. Vom Pfarrer wollte das Gesundheitsamt wissen, ob sie zur Führung eines Haushalts und zur Pflege und Erziehung von Kindern in der Lage sei. Webers Antwort ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Die Sterilisierung widerspricht der natürlichen Ethik und lt. wiederholten Erklärungen der höchsten kirchlichen Stelle in den letzten Jahren der kath. Morallehre, sodass eine Stellungnahme unsererseits bei einem Antrag auf Wiedergutmachung eines vom Staat geschehenen Unrechts erübrigt und klar sein dürfte.“
Für das Medizinverbrechen der Zwangssterilisation während des NS-Regimes fanden sich bereitwillige „Gehilfen in Weiß“ wie auch Dr. Moog in Bühl, der nach dem Ende der NS-Diktatur wieder als Arzt praktizieren konnte und in Bühl als „ehrenwerter Bürger“ auf breite öffentliche Anerkennung stieß. Die traumatisierten Opfer begleiteten ihr Makel und Scham der Unfruchtbarkeit hingegen bis ins hohe Alter.
Zur Serie
Zwangssterilisierungen waren eines der zahlreichen Verbrechen der Nationalsozialisten. Bei der Umsetzung der Rassenpolitik ab 1933 spielten dabei auch Mediziner in den Städten und Gemeinden eine Rolle. In Bühl war dies unter anderem Walter Moog, der Leiter des Gesundheitsamts. Diese Serie beleuchtet nicht nur seine Tätigkeit zwischen 1933 und 1945, sondern stellt auch die Frage, wie es mit ihm nach dem Ende des Dritten Reiches weiterging.