Hexen und Physik, das passt nicht zusammen, lacht Ralph Christ. Auf dem Marktplatz dreht sich das Glücksrad des Fördervereins der Bühler Hexen. Je kleiner die Finger sind, die es drehen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass dank helfender Finger im Hintergrund das Rad an der richtigen Stelle stehen bleibt, von Christ, seines Zeichens selbst eine Bühler Hexe, mit einem Fanfarenstoß betuscht. Die Glückskinder nehmen einen Berliner entgegen und ziehen damit freudig von dannen.
Hexen und Stimmung, das passt bestens zusammen an diesem Samstagmorgen. Spätestens mit dem Einzug der Hexenmusik, die im Paraden-Stil einläuft, ist auch das zahlreich gewordene Publikum trotz niedriger Temperaturen auf hohen Drehzahlen.
Die Musik geht in die Füße, es wird geklatscht, es wird geschunkelt, in wenn auch homöopathischen Dosen regnet es Konfetti, und es setzt sich schon mal eine Polonaise in Bewegung.
Der Krieg ist nicht vergessen
Präsenz wollten sie zeigen, die Bühler Hexen, Corona zum Trotz an die Fastnacht erinnern. Das ist gelungen und kommt bei den Passanten an, viele bleiben stehen und genießen das so bunte wie laute Spektakel. Die dunklen Facetten der Zeit sind weit weg, aber keineswegs vergessen.
Der Krieg in der Ukraine und wie damit umgehen, darüber hätten auch die Hexen diskutiert. sagt Zunftmeister Gernot Baumann: „Dass so etwas auf europäischem Boden wieder möglich ist, das ist uns nicht egal und es gefällt uns nicht. Aber ändern wir etwas, wenn wir nicht feiern?“ Die Menschen hätten nach zwei Jahren die Nase voll von Corona und wollten einfach unbeschwert feiern.
Die Hexen wollen einen Beitrag dazu leisten, für ein Weilchen abzutauchen in eine Welt ohne Sorgen. Gerade bei ihrer Aktion nach dem Motto „Willsch an Fastnacht Du frohlocke, lass bei Dir die Hexe rocke!“ scheint dies auch sehr gut gelungen zu sein. Die Hexenmusik sei rege für diese kurzen „Privatkonzerte“ gebucht worden, berichtet Baumann: „Das war echt super. Wir wussten überhaupt nicht, wie das werden würde.“ Es wurde ein Erfolg. Die Hexen spielten auch im Kindergarten St. Elisabeth, wo es den Kindern riesig gefallen habe.
„Es war eine Pracht“, sagt Baumann, und bei der Erinnerung an den Auftritt im Bewohnten Wohnen des DRK am Nordtorkreisel kommt er geradezu ins Schwärmen: „Das war eine der schönsten Geschichten überhaupt.“ Als die Hexenmusik den „Böhmischen Traum“ gespielt habe, hätten zwei Damen um die 85 nach ihren Rollatoren gegriffen und zur Musik getanzt, eine in Erinnerung an ihren verstorbenen Gatten, mit dem sie zu dieser Melodie stets getanzt habe.
Präsenz real und digital
Getanzt wird auch unter freiem Himmel. Die Garde der Narrhalla unter der Leitung von Evelin Autenrieth zieht am Eingang zur Schwanenstraße die Blicke auf sich und lässt manchen Autofahrer noch langsamer fahren als erlaubt. Auch auf dem Johannesplatz gibt die Garde eine freudig beklatschte Vorstellung wirbelnder Beine (und schon an den Vortagen war sie immer wieder mal zu sehen). Die Narrenräte legen auf dem Marktplatz eine Kostprobe ihrer Schunkel- und Sangesfähigkeiten ab.
An ihrem Stand schlüpfen sie in die Rolle des Rosenkavaliers und verehren Passantinnen einen Blütengruß. Auch der Narrenspiegel und ein Piccolöchen sind im Angebot. Sich zeigen, das ist auch hier die Intention, sagt Zunftmeister Michael Vetter. Das funktioniert im „richtigen“ und im virtuellen Leben: Die Narrhalla hat unter dem Motto „...Länd in Sicht?“ Videos produziert und online gestellt. Und ob Hexen, Narrhalla oder andere Gruppen: Sie eint die Hoffnung, dass 2023 wieder eine unbeschwerte, „ganz normale“ Fastnacht in Sicht ist.