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Gefahr aus Asien

Experten warnen vor Panik: Deutsche Fledermäuse übertragen kein Coronavirus

Können Fledermäuse das neuartige Coronavirus übertragen? In Mittelbaden leben die kleinen Säugetiere unter vielen Dächern am Rande des Schwarzwaldes. Berichte über asiatische Fledermäuse haben in den vergangenen Wochen für Beunruhigung gesorgt. Doch Experten sehen im Hinblick auf deren deutsche Verwandte keine Gefahr.

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Kein bisschen unheimlich: In Deutschland gibt es mehr als 20 Fledermausarten, in Mittelbaden sind es mindestens 15. Gefahr geht von den kleinen Tieren nicht aus. Foto: Thomas Frey/dpa

In Vampirfilmen wirken Fledermäuse meist bedrohlich. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie rücken die einzigen Säugetiere, die fliegen können, in den Mittelpunkt des Interesses von Wissenschaftlern und Laien. In Medienberichten wurden Fledermaushöhlen gar als Ursprung tödlicher Viren bezeichnet.

Gerade in den Dachgeschossen vieler alter Häuser in der Vorgebirgszone des Schwarzwalds leben Fledermäuse, die alle streng artengeschützt sind. Können diese das neuartige Coronavirus übertragen? Um es vorwegzunehmen: Niemand muss um seine Gesundheit fürchten.

Martin Straube ist Amtstierarzt beim Landratsamt Ortenaukreis. Der promovierte Veterinär kennt sich aus und hat 2015 ein Buch mit dem Titel „Falsche Vampire und fliegende Hunde – Die geheimnisvolle Welt der Fledermäuse“ veröffentlicht.

Jede Menge Viren entdeckt

Seine Expertise ist so groß, dass seine Kollegen im Landratsamt Rastatt bei ihm anrufen, wenn sie mit Fledermäusen zu tun haben. „In unserem Haus gibt es in dieser Hinsicht jedenfalls kein spezielles Fachwissen“, räumt die Rastatter Pressesprecherin Gisela Merklinger ein und verweist nach Offenburg.

Fledermäuse sind nach Auskunft des Experten mit 1.400 Arten die zweitgrößte Säugetierordnung und in den letzten Jahrzehnten überproportional virologisch erforscht. Daher überrascht es Straube eigentlich nicht, dass in ihnen viele Viren entdeckt wurden. Allerdings beherbergt jede Fledermausart für sich betrachtet nicht mehr Viren als andere (Wild-)Tiere.

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Eine Fledermaus der Art "Großes Mausohr" aus der Gattung der "Mausohren" im Flug. Foto: Klaus Bogon/dpa

Coronaviren verursachen Durchfall bei Kälbern

„Coronaviren sind im Tierreich weit verbreitet, beispielsweise auch bei Katzen“, sagt Straube. „Bei Kälbern können sie Durchfall auslösen.“ Mit dem neuartigen Coronavirus, das Fachleute als SARS-CoV-2 bezeichnen, haben diese Coronaviren allerdings nichts zu tun. Coronaviren bilden eine große Familie. Vertreter dieser Coronaviren wurden auch bei europäischen Fledermäusen nachgewiesen. „Diese sind aber nicht verwandt mit SARS-CoV-2“, betont Straube.

Nach Auskunft des Experten haben Viren und ihre Wirte, egal ob Tier oder Mensch, eine lange gemeinsame Geschichte hinter sich. „Virus und Wirt passen sich einander an, damit sie sich nicht gegenseitig stören“, sagt Straube. „Das ist der ideale Zustand.“ Es sei für das Virus kontraproduktiv den Wirt gesundheitlich zu beeinträchtigen oder gar zu töten.

Kritisch sei allerdings der Übergang eines neuen Virus auf Mensch oder Tier. „Schafft ein Virus den Übergang auf ein Lebewesen, dessen Immunsystem nicht angepasst ist, können daraus ernste Krankheiten wie SARS-CoV-2 resultieren.“

Mit der Asiatischen Hufeisennase ging alles los

Martin Straube berichtet, dass ein SARS-CoV-2 ähnliches Virus bei einer Asiatischen Hufeisennase entdeckt wurde. Offensichtlich lebten diese Fledermausart und das Virus schon lange zusammen. „Es ist nicht bekannt, dass die Asiatische Hufeisennase davon krank wird“, sagt Straube. „Der direkte Übergang dieses Virus auf den Menschen ist wegen unterschiedlicher Oberflächenstrukturen der Zellen praktisch ausgeschlossen. Diese Viren können nicht in die menschlichen Zellen eindringen.“

Der Vorläufer von SARS-CoV-2 ist nicht erst kürzlich, sondern bereits vor mindestens zwei Jahrzehnten von der Asiatischen Hufeisennase auf ein anderes Tier übergesprungen. In diesem Tier hat es sich verändert und konnte schließlich den Übergang zum Menschen schaffen.

Hufeisennasen-Fledermäuse hängen an der Decke.
Hufeisennasen-Fledermäuse hängen an der Decke. Foto: Armin Weigel/dpa

Riesiger Stress für exotische Tiere auf Tiermärkten

Die Märkte mit exotischen Tieren in China hält der Tierarzt für durchaus gefährlich. „Dort sitzen extrem gestresste Tiere auf engstem Raum zusammen, die sich in der Natur nie begegnet wären. Bedingungen also, die den Übergang von Viren erleichtern. Wir Menschen dringen heute selbst in die letzten Naturräume vor. Das ist auch unser Erstkontakt mit dem einen oder anderen Krankheitserreger.“

Von unseren Fledermäusen geht null Gefahr aus
Martin Klatt, Biologe und Referent für Arten- und Biotopschutz beim Nabu

Kein Risiko geht von den Fledermäusen in Mittelbaden für die Menschen aus. „Sie leben mit uns schon lange unter einem Dach, ohne als Krankheitsüberträger eine Rolle zu spielen“, erklärt Straube.

Mehr als 20 Fledermausarten in Deutschland

„Von unseren Fledermäusen geht null Gefahr aus“, betont Martin Klatt. Der Biologe aus Bühl ist Referent für Arten- und Biotopschutz beim Nabu. Insgesamt leben in Deutschland mehr als 20 Fledermausarten. Beim Artenschutzgutachten für die Ostanbindung des Baden Airparks in Rheinmünster wurden beispielsweise 15 Fledermausarten festgestellt.

„Die Zwergfledermaus ist die kleinste und häufigste Art, die bei uns heimisch ist“, berichtet Klatt. „Sie wiegt nur dreieinhalb bis acht Gramm und findet Platz hinter jedem Fensterladen.“ Die größte Art in Deutschland und in Mittelbaden ist das Große Mausohr, das die Flügelspannweite einer Amsel erreicht.

Klatt unterscheidet zwischen Fledermäusen, die zumindest zeitweise in von Menschen berichteten Gebäuden hausen, und Fledermäusen, die nur in der freien Natur leben. Dazu gehört die Bechsteinfledermaus, die ein typischer Waldbewohner ist. Das Graue Langohr, das im Mutterhaus des Klosters Neusatzeck entdeckt wurde , bezieht hingegen seine Wochenstube zur Aufzucht der Jungen im Dachstuhl von Gebäuden.

„Nicht nur alle Fledermausarten sind durch europäischen Rechts streng geschützt“, betont Klatt. „Dasselbe gilt auch für ihre Quartiere.“

Klatt warnt vor Spekulationen

Klatt ist froh, dass die Spekulationen um Fledermäuse und Corona die Menschen in der Region in den vergangenen Wochen nicht zu sehr beunruhigt haben. „Ich bin in dieser Sache weder angerufen, noch persönlich angesprochen worden“, sagt er.

„Die Leute sind glücklicherweise vernünftig. Es ist ja auch schlichtweg absurd, chinesische Fledermäuse mit unseren heimischen Arten zu vergleichen.“

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