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Züchter aus Mittelbaden sind besorgt

Folgen der Corona-Pandemie: Alte Hühnerrassen sind vom Aussterben bedroht

Die alten Hühnerrassen, die früher auf allen Bauernhöfen gackerten, wurden schon vor einem halben Jahrhundert durch industrielle Hybridlinien ersetzt. Die Hobbyzüchter, die die letzten wertvollen Bestände pflegen, kämpfen bei der Zucht mit den Folgen der Corona-Pandemie.

Deutsche Sperber
Vom Aussterben bedroht: Die Deutschen Sperber sind eine selten gewordene alte Nutztierrasse. Die Corona-Pandemie erschwert den wenigen Hobby-Züchtern die Aufgabe, die Rasse zu erhalten. Foto: Ulrich Coenen

Die Corona-Pandemie bedroht vom Aussterben bedrohte alte Haustierrassen. Das mag zunächst paradox klingen, weil das Virus diese Tiere gar nicht angreift. Doch Konrad Lienhart, Kreisvorsitzender Rastatt/Baden-Baden im Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG), weiß es besser. „Unsere Zucht und damit Zukunft hängen an einem seidenen Faden“, sagt der selbstständige Schreiner aus dem Bühler Stadtteil Vimbuch.

Der 61-Jährige stammt aus einem landwirtschaftlichen Elternhaus. Hühner zur Eierversorgung hält er seit Jahrzehnten. Zur Rassegeflügelzucht kam er schließlich vor mehr als 20 Jahren. Seitdem ist Lienhart Mitglied des Kleintierzuchtvereins C25 Ottersweier.

In der Vergangenheit hat er bereits mehr als ein halbes Dutzend der insgesamt rund 180 anerkannten Rassen gezüchtet. 20 gelten heute als gefährdet und stehen auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH).

Konrad Lienhart aus Bühl ist Kreisvorsitzender der Rassegeflügelzüchter Rastatt/Baden-Baden.
Konrad Lienhart aus Bühl ist Kreisvorsitzender der Rassegeflügelzüchter Rastatt/Baden-Baden. Foto: Ulrich Coenen

Eigentlich wäre jetzt für die Züchter Ausstellungssaison auf Kreis-, Landes- und Bundesebene. „Stattdessen ist wegen den Pandemie alles tot“, sagt Lienhart. Für den Erhalt der selten gewordenen Rassen sind diese Geflügelschauen, auf denen die Tiere von Preisrichtern bewertet und für die Zucht frei gegeben werden, unersetzlich.

Alte Rassen sind ein wertvoller Genpool

Bis in die 1960er Jahre wurden die heute selten gewordenen Nutztiere auf allen Bauernhöfen zur Eier- und Fleischproduktion gehalten. Vor mehr als einem halben Jahrhundert haben die von einer Handvoll Industrieunternehmen weltweit im Genlabor hergestellten Hybridlinien, die je nach zugedachter Aufgabe mehr Eier und mehr Fleisch liefern, die alten Rassen verdrängt.

Die Firmen sind aber auf den wertvollen Genpool der alten Rassen angewiesen, um immer wieder neue Eier- und Fleischlieferanten zu kreieren. Durch Zucht lassen die Hybriden sich nämlich nicht vermehren. Ihre Nachkommen nehmen – von der Industrie durchaus beabsichtigt - mit nicht kalkulierbaren Folgen wieder die Eigenschaften des Ausgangsmaterials an.

Alle haben Angst vor der Zukunft.
Konrad Lienhart, Kreisvorsitzender Rassegeflügelzüchter Rastatt/Baden-Baden

Was heute in der Landwirtschaft, auch bei Biobauern, gackert, stammt ausnahmslos aus diesen Laboren. Auch Selbstversorger, die Hühner im eigenen Garten halten, bedienen sich dort. Die findige Industrie bietet für dieses Publikum nämlich inzwischen Hybriden mit fantasievollen Namen wie Blausperber an. Alte Rassen gibt es fast nur noch bei BDRG-Hobbyzüchtern.

„Die Probleme der Rassegeflügelzüchter sind aktuell riesig“, berichtet Lienhart. „Weil die Ausstellungen ausgefallen sind, konnten wir unsere Tiere weder tauschen noch verkaufen. Das ist aber zur Blutauffrischung wichtig. Jetzt sitzen unsere Hühner im Stall und warten auf Abnehmer.“ Bei Lienhart sind es zurzeit rund 80 Hühner und 15 Enten. „Im Grunde ist ein ganzes Zuchtjahr verloren“, klagt der Kreisvorsitzende.

Das ist umso bedrohlicher, weil die nächste Zuchtsaison bereits vor der Tür steht. Schon im Lauf des Dezembers landen die ersten Eier der großen Rassen wie Brahmas im Brutautomaten, im Frühjahr folgen dann die anderen. „Wegen der Ungewissheit halte ich mich mit der Zucht sehr zurück“, erklärt Lienhart. Die meisten anderen Züchter folgen seinem Beispiel. Im Januar bis April werden also nur wenige Küken schlüpfen.

Kleintierzuchtvereine stehen vor dem finanziellen Aus

Nicht nur die die Rassen der Roten Liste wie die aus dem Rheinland stammenden Deutschen Sperber oder die badischen Sundheimer sind dadurch bedroht, für einige Kleintierzuchtvereine stellt sich die Existenzfrage. Im besonderer Maße betroffen sind vor allem die sehr aktiven Organisationen mit vereinseigenen Zuchtanlagen, wie es sie im Landkreis Rastatt in Au am Rhein, Muggensturm, Gaggenau und Ottenau gibt. „Wegen Corona sind die Gastronomie und die Geflügelmärkte in diesen Anlagen geschlossen“, berichtet Lienhart. „Den Vereinen fehlt das Geld, um die hohen laufenden Kosten zu decken. Alle haben Angst vor der Zukunft.“

Auch in den anderen Vereinen liegt das Vereinsleben brach. „Es gibt keine Treffen und keinen Austausch zwischen den Züchtern“, sagt der Kreisvorsitzende. „Es ist schwer, die ohnehin viel zu wenigen Jugendlichen, die wir für unser Hobby begeistern konnten, auf diese Weise bei der Stange zu halten. Einige Züchter im Seniorenalter haben in den vergangenen Wochen bereits frustriert aufgegeben.“

Tipps vom Fachmann

Nähere Informationen für Privatleute, die beim Erhalt der alten Rassen helfen wollen, gibt es beim Kreisvorsitzenden Konrad Lienhart, Telefon (0 72 23) 90 19 90.

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