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Pfarrer weisen Vorwürfe zurück

Freikirchen in Bühl und Achern wollen keine Superspreader sein

Freikirchen stehen in Sachen Corona-Masseninfektionen in der Kritik. Pfarrer aus Bühl, Achern und Ottersweier weisen diese Vorwürfe in den Medien entschieden zurück.

Gemeinde in der Konkordia
Gemeinde in der Konkordia: Pfarrer Johannes Dappen betont, dass bei Gottesdiensten in der Eisenbahnstraße in Bühl die Hygieneregeln strikt eingehalten werden. Foto: Ulrich Coenen

„Halleluja! Keine Masken!“ titelt der Spiegel. Das Magazin berichtet über den freikirchlichen Pfarrer Christian Stockmann, der mit seinen Anhängern vor dem Bundeskanzleramt in Berlin gegen Abstandspflicht und Impfungen gebetet hat.

Auch andere Medien schreiben seit Monaten regelmäßig über Corona-Massenausbrüche in den Freikirchen. Der Bayrische Rundfunk sprach sogar von einem gefährlichen Gottvertrauen und den Freikirchen als Superspreader. Die Freikirchen in Bühl und Achern grenzen sich von Christian Stockmann deutlich ab, ärgern sich aber auch über die Medienberichterstattung, insbesondere den Beitrag im „Spiegel“.

Matthias Czepl, Pfarrer der Josua Christengemeinde Achern, hat einen Leserbrief an die Redaktion in Hamburg geschickt. „Ich finde es gut, dass Sie nachfragen“, meint er zum Telefonrundruf dieser Redaktion. Den Beitrag im Spiegel findet der Pfarrer diskriminierend. „Wir halten uns strikt an die Regel“, sagt er. „Als Gemeinden sind wir ein Stück weit Vorbild. Wir sind eben nicht durch Gott geschützt. Verschwörungstheorien haben bei uns keinen Raum.“ Man dürfe nicht von einer Freikirche auf andere schließen.

Czepl räumt ein, dass es in Freikirchen Infektionen gab. „Aber die gab es aber auch in der katholischen und evangelischen Kirche“, meint er. „Allerdings wurde darüber nicht im selben Umfang in den Medien berichtet.“

Die Namen aller Gottesdienstbesucher werden notiert.
Matthias Czep, Pfarrer der Josua Christengemeinde Achern

Bühler Pfarrer: Nicht von einer Freikirche auf die andere schließen

Die Sitzplätze in seiner Kirche hat der Pfarrer von 100 auf 34 reduziert. Der Abstand zwischen den Stühlen beträgt jetzt mehr als eineinhalb Meter. „Der Begrüßungsdienst am Eingang weist die Besucher höflich aber bestimmt darauf hin, dass sie einen Mund-Nase-Schutz tragen müssen, bis sie Platz genommen haben“, berichtet Czepl. „Auch beim Singen muss dieser getragen werden. Die Namen aller Gottesdienstbesucher werden notiert. Wir halten sogar fest, wo genau jeder sitzt.“

Johannes Dappen ist Pfarrer der Gemeinde in der Konkordia in Bühl „Ich kenne den Kollegen nicht, und ich wusste nicht, was da los ist“, sagt er zu den Vorfällen in Berlin. Er hält es aber für falsch, von einer Freikirche auf alle zu schließen. „Was da in Berlin geschieht, sind total verdrehte Dinge“, findet er. „Das geht gar nicht.“

Seine Gemeinde hat nach dem Lockdown im Frühjahr sofort die Gottesdienste eingestellt und auf Online umgestellt. „Es gab auch keine Kleingruppen mehr, obwohl gerade die zu unserer Frömmigkeit gehören“, erklärt Dappen.

Inzwischen gibt es ein Hygienekonzept, das auf Abstand, Maskenpflicht und Desinfektion beruht. „Weil es in unsere Kirche deshalb nur noch 60 Sitzplätze gibt, bieten wir jetzt zwei Gottesdienste an“, sagt der Pfarrer. „Wir sind sehr vorsichtig.“

Mein Bruder war an Covid-19 erkrankt
Johannes Dappen, Pfarrer der Gemeinde in der Konkordia in Bühl

Von Corona-Leugnern hält er nichts. „Mein Bruder war an Covid-19 erkrankt, meine Frau ist Amerikanerin und hatte Fälle in ihrer Familie“, meint er. „Aber gerade in der Krise gibt der Glaube Sicherheit. Es kommt aber auf die Art und Weise an, wie die Hygienemaßnahmen eingehalten werden.“

Neuapostolische Kirche Bühl
Neuapostolische Kirche in Bühl: Vorsteher Michael Herr berichtet von strengen Regeln für die Besucher der Gottesdienste in der Nelkenstraße. Foto: Bernhard Margull

Michael Herr, Vorsteher der Neuapostolischen Kirche in Bühl, berichtet von einem Schutzkonzept der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland, das für alle Gemeinden gilt. „Das ist strenger als die Vorschriften der Landesregierung“, stellt er fest.

Freikirchen am Pranger?

In Gemeinden, die in einem Landkreis mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 35 liegen, muss jetzt als Vorsichtsmaßnahme im gesamten Gottesdienst eine Mund-Nase-Bedeckung getragen werden. Bisher durften die Masken am Sitzplatz abgenommen werden, waren aber in der Kirche und auf dem gesamten Kirchengelände Pflicht. „Bereits am Eingang weisen wir auf die eineinhalb Meter Abstand hin, und wir überprüfen das auch“, sagt Herr. „Außerdem gibt es Möglichkeiten, die Hände zu desinfizieren.“

Die Zahl der Plätze in der Bühler Kirche wurde von mehr als 200 auf 50 bis 60 reduziert, um den notwendigen Abstand der Gottesdienstbesucher einzuhalten. „Wir singen nicht, lediglich die Orgel spielt“, sagt der Vorsteher der Gemeinde. Für Verschwörungstheoretiker hat er kein Verständnis: „Wir müssen mit dem Virus leben lernen und damit umgehen. Corona zu leugnen, ist eine sehr schlechte Lösung.“

Roland Lorenz ist Pastor der Freien christlichen Gemeinde Arche in Ottersweier. Er antwortete nur per Mail auf die ABB-Anfrage. „Ich habe von diesen Vorwürfen noch nichts gehört und habe auch nicht die Zeit und das Interesse, mich mit diesen Vorwürfen auseinanderzusetzen, die von wo auch immer kommen“, schreibt er. „Die Freikirchen sind hier nicht mehr oder weniger betroffen, als andere Kirchen, Betriebe, Pflegeheime oder Gaststätten und vieles mehr. Mir scheint, dass hier wohl eher dieses Thema missbraucht wird für eine kritische Sichtweise, die auch zuvor schon vorhanden war. Allgemeingesellschaftlich finde ich es schlecht, wenn nun einzelne Pflegeheime, Betriebe, Kirchen oder wer auch immer so sehr in den Medien benannt und regelrecht an den Pranger gestellt werden.“

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