Es hat auf jeden Fall etwas von einem Kraftort: Wenn man den Garten der Familie Heidt in Neusatz betritt, verfliegt aller Alltagsstress wie von Zauberhand. Palmen, Lavendel, ein Feigenbaum und ein hochstämmige Rose setzen wohldosierte Akzente. Mittendrin, auf dem Rasen, ein Elefant aus Granit. Vor Blicken verborgen lädt eine Sitzgruppe an einem kleinen Teich zum Verweilen ein.
Alles wirkt sorgsam komponiert, dennoch nicht statisch. Fließende Linien, die den Blick des Betrachters leiten - zu einem Fixpunkt wie einem Baum, einer markanten Staude. Dann öffnet sich wieder eine Freifläche. Es ist ein wohltuender Rhythmus, nicht der hämmernde Takt der westlichen Rendite-Gesellschaft. Es sind die Prinzipien von Feng Shui, der daoistischen Harmonielehre, die die chinesische Gartenkunst prägt.
Hausherrin hat Planungshoheit
Die Entstehungsgeschichte dieses Gartens, vielleicht lässt sie sich am besten mit Hermann Hesses „Stufen-Gedicht” erfassen, wo es heißt: „Und jedem Anfang wohnt ein neuer Zauber inne. Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.” Denn das Gärtnern war für die Heidts wirklich ein Anfang. „Am 20. Februar hat uns unser Tibetterrier Bha-Yan im Alter von 14 Jahren verlassen müssen”, berichtet Melitta Heidt. Er war unheilbar krank, hatte Krebs. „Jetzt stellte sich die Frage, wohin mit der Energie. Wir hatten ja unseren Garten, aber der war wirklich nicht schön.” Genau das sollte sich ändern.
Die gelernte Industriekauffrau machte erste Entwürfe „wie es aussehen könnte”, las Gartenbücher, recherchierte im Internet, ließ sich von TV-Dokus inspirieren, befasste sich intensiv mit dem Thema Feng Shui und fertigte erste Skizzen. „Ich kann mir so etwas immer sehr konkret vorstellen.” So gewann das künftige Gartenparadies immer mehr Kontur. „Solche Schaffensprozesse machen sehr zufrieden”, berichtet Melitta Heidt.
Dann kam die Corona-Pandemie. „Gerade als Rentner konnten wir da überhaupt nichts machen”, so Franz Heidt, zumal die drei Kinder längst aus dem Haus sind. Stillstand ist aber definitiv nicht die Sache des 70-jährigen ehemaligen Lastwagenfahrers mit der Leidenschaft für schnelle Motorräder. Und auch nicht die seiner vier Jahre ältere Gattin. „Und so ist aus Corona unser Garten geworden”. Auf dem überdachten Freisitz mit Blick ins Grüne lässt sich trefflich über die Lust am Gärtnern philosophieren, während ein Mäusebussard über dem benachbarten Obstgrundstück elegant seine Kreise zieht.
Ehemann übernimmt Handwerker-Part
„A gardeners work is never done” sagen die in dieser Materie sehr bewanderten Briten, kurz gesagt: Es gibt immer was zu tun. Und auch die Heidts unterschreiben den Satz. „Der Garten ist noch nicht fertig”, sagt Melitta Heidt, der kreative Kopf, die Impulsgeberin, die Planerin, die sich eigentlich lieber im Hintergrund hält. „Zuerst hat er ja immer geschimpft”, sagt sie, mit liebevollem Blick auf ihren Gatten und sein Engagement für das heimische Grün, jetzt habe er das tägliche Gießen übernommen. „Seit ich nicht mehr Motorrad fahren darf!”, grantelt der ein bisschen und lacht. Zudem übernimmt der Hausherr den Part des Handwerkers, demnächst sind diese Qualitäten wieder gefragt. Der Garten soll noch ein Gewächshaus erhalten, in dem die vielen Exoten überwintern können.
Bisweilen zeigt sich Franz Heidt in Sachen Garten sehr generös. Den Granit-Elefanten, markanter Blickfang auf der großen Rasenfläche, ist ein Geschenk von ihm. Die Ehefrau hatte ich sich so sehr gewünscht. „Elefanten sind Glücksbringer”, sagt die Gattin, ganz im Geist des Feng Shui. Die Anlieferung könnte allein ein Kapitel in der Heidtschen Gartenchronik füllen.
Der Hausherr, über 40 Jahre als Brummi-Fahrer sein Geld verdiente, spricht voll des Lobes über den Berufskollegen, der mit seinem 27-Tonner über winklige Bergstraßen den 500-Kilogramm-Monolithen bis aufs Grundstück brachte. Nur da ging der Plan dann nicht ganz auf. „Ich hätte gern eine Schirmakazie neben dem Elefanten gehabt. Ein Elefant steht für mich für Afrika. Und da gehört eine Schirmakazie dazu”, schwärmt Melitta Heidt. Aber in Mittelbaden sei dieser Baum nicht richtig aufgehoben. So sei es eine Scheinakazie geworden, auch bekannt als Kugel-Robine.
Der Mäusebussard und seine Kollegen haben an diesem Tag Ausdauer, tauchen immer wieder auf. Franz Heidt ist auf Du und Du mit der artenreichen Vogelwelt rund um das Anwesen, es ist sein Elternhaus. Er berichtet mit Begeisterung von Blau- und Kohlmeisen, die hier wohnen, vom Gartenrotschwanz, vom Dompfaff, vom Buntspecht, der sich so gern am Meisenknödel labt oder die Krähe „mit Stimmbruch.” Rehe kommen bis ans Grundstück.
Franz Heidt spielt auf dem Handy ein Video ab, ein Kitz steckt darin zaghaft den Kopf durch die Zedern. „Wir wohnen im Paradies”, sagt der 70-Jährige, und für dessen Erhalt tut das Ehepaar viel, verzichtet auf die chemische Keule, pflanzte Lavendel für die Bienen, nutzt Schafwolle als Frostschutz, installierte ein Insektenhotel, und, und, und. Doch auch im Paradies gibt es Probleme - es sind die Katzen der Nachbarschaft, die den Vögeln das Leben schwer machen.
Und immer wieder kommt eine wunderbare Gartengeschichte dazu - so wie die von der hochstämmigen Rose. Melitta Heidt liebt die Königin der Blumen, allerdings nicht die üppigen, gefüllten sondern die schlichten, kleinen Blüten. Ihren Hochstamm bestellte sich die Garten-Chefin bei einem Fachversand. Corona-bedingt kam die Pflanze aber erst im Mai. „Mit blanken Wurzen”, so die Expertin, normalerweise müsste so eine Rose viel früher in die Erde. Doch mit der Zuwendung der Neusatzer Gartenfreunde mit dem grünen Daumen gedeiht der Stamm inzwischen prächtig. Nur einmal, da wurde die Harmonie im Heidtschen Garten jäh gestört: Die Strelitzie zierte sich. Melitta Heidt machte eine Ansage: „Wenn Du nicht blühst, bringen wir Dich zu Kompost-Vogel.” Sieben prächtige Blüten trug die Pflanze daraufhin.