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OB Schnurr warnt

"Im Kloster Neusatzeck bei Bühl droht eine weitere Ruine im Schwarzwald"

Der Bühler Gemeinderat entscheidet über den Umbau des riesigen Mutterhauses des Klosters Neusatzeck in ein Seniorenzentrum. Das Projekt ist umstritten. Bühls Oberbürgermeister Hubert Schnurr warnt vor einer Ablehnung. Er befürchtet eine weitere Ruine im Höhehengebiet wie beim Kurhaus Hundseck. Auch das denkmalgeschützte Josef-Bäder-Haus werden die Dominikanerinnen 2020 aufgeben.

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Aus dem Dachgeschoss des Mutterhauses geht der Blick zum denkmalgeschützen Josef-Bäder-Haus des Klosters Neusatzeck. Rechts das Ökonomiegebäude, das abgerissen werden soll. Foto: Ulrich Coenen

Mehrheit ist nicht sicher

Die endgültige Entscheidung trifft aber nicht das Dorfparlament, das nur beratende Funktion hat, sondern einen Tag später der Bühler Gemeinderat. Doch auch bei diesem Gremium ist sich dessen Vorsitzender Schnurr alles andere als sicher. Er wird dem Gemeinderat den geänderten Bebauungsplan für das Seniorenzentrum Neusatzeck vorlegen. Der ist die rechtliche Grundlage für das Projekt. „Der Gemeinderat entscheidet, ob der Bebauungsplan in die Offenlage geht oder nicht“, sagt Schnurr auf Anfrage dieser Redaktion. Tut er dies, werden offiziell Fachbehörden und Bürger beteiligt, können also ihre Meinung einbringen.

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Das Mutterhaus des Klosters Neusatzeck soll bis auf den Mittelbau, in dem Fledermäuse hausen, abgerissen werden. Foto: Ulrich Coenen

OB befürchtet eine weitere Ruine

„Ich gehe fest davon aus, dass der Ortschaftsrat das Projekt wie bereits im März ablehnen wird“, erklärt der OB. „Wie der Gemeinderat entscheidet, muss man abwarten.“ Schnurr spricht sich klar für das Seniorenzentrum aus. „Alle klagen über Ruinen im Höhengebiet“, stellt er fest. „Hier geht es um ein konkretes Projekt, dass den Verfall eines Gebäudes verhindert. Aktuell sind wir noch Herr des Handelns und sollten diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.“

Schnurr weist ausdrücklich darauf hin, dass es die im Umfeld des Neusatzer Ortschaftsrates kolportierten Alternativen zum Seniorenzentrum nicht gebe. „Es gab in den vergangenen neun Jahren, in denen das Mutterhaus zum Verkauf angeboten wurde, andere Interessenten“, erklärt er. „Deren Pläne wurden aber aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt.“

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Heimat von Fledermäusen: Im Dachstuhl befindet sich die "Wochenstube" des artengeschützten Grauen Langohrs. Foto: Ulrich Coenen

Keine Chance für Neubaugebiet

Schnurr weiß, dass sich viele an der Stelle des riesigen Gebäudekomplexes in Neusatzeck, der in drei Bauabschnitten zwischen 1928 und 1981 entstanden ist, ein kleines Neubaugebiet wünschen. „Das ist ein Wunschtraum, der kaum genehmigungsfähig sein wird“, konstatiert er. „Nach der Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe darf außerdem der älteste viergeschossige Baukörper im Zentrum nicht abgerissen werden, weil in seinem Dachstuhl artengeschützte Fledermäuse nisten. Er würde einem möglichen Neubaugebiet im Wege stehen.“

Die Projektentwickler und ihr Architekt haben die Pläne für das Seniorenzentrum auf Wunsch der Neusatzer und zuletzt nach der Entscheidung des Regierungspräsidiums mehrfach überarbeitet.

„Ich kann damit leben“, sagt Schnurr. „Wenn wir jetzt ablehnen, ist da oben auf Jahre hinaus tote Hose.“

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Kapelle des Mutterhauses Neusatzeck Foto: Ulrich Coenen

Keine Alternativen in Sicht

Ortvorsteher Hans-Wilhelm Juchem hält sich bedeckt. „Wie die Stimmung im Dorf ist, kann ich zurzeit nur schwer abschätzen“, sagt er. „Die Bevölkerung hat erst am Donnerstagmorgen aus dem Acher- und Bühler Boten erfahren, dass die Projektentwickler ihre Pläne für das Seniorenzentrum Neusatzeck nach der Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe überarbeitet haben. Die öffentliche Diskussion setzt erst jetzt ein.“

Aktuelle alternative Vorschläge zur Nutzung des Mutterhauses sind dem Ortsvorsteher nicht bekannt. „Auf mich ist niemand zugekommen“, berichtet er.

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Auch das denkmalgeschützte Josef-Bäder-Haus auf der anderen Seite der Schwarzwaldstraße wollen die Dominikanerinnen im nächsten Jahr aufgeben. Foto: Ulrich Coenen

Nonnen verlassen Josef-Bäder-Haus

Juchem weist darauf hin, dass es in Neusatzeck bald ein weiteres Problem geben wird. „Die Dominikanerinnen verlassen Ende 2020 das Kloster auf der anderen Seite der Schwarzwaldstraße“, berichtet er. „Das ist dann das nächste Thema.“

Im Gegensatz zum wenig attraktiven jüngeren Mutterhaus, das sich unmittelbar an der Straße erhebt und mit seinen gewaltigen Dimensionen das Schwarzwaldtal sprengt, fügt sich das denkmalgeschützte neuromanische Kloster (so genanntes Josef-Bäder-Haus) aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervorragend in die Landschaft ein. Über seine zukünftige Nutzung ist noch nicht entschieden.

Tausende Anfragen abgelehnt

Zurzeit steht das Mutterhaus im Zentrum der kommunpolitischen Debatte. Bernd Matthias, neben Gerd-Arno Stubbe einer der beiden Projektentwickler, ist sichtlich verärgert, dass er nicht in die nicht öffentliche Sitzung des Technischen Ausschusses eingeladen wurde, um sein modifiziertes Konzept für Neusatzeck vorzustellen. „Man hat wohl keine Notwendigkeit gesehen“, meint er. Matthias setzt auf die Zustimmung des Gemeinderates und verweist auf den „absoluten Notstand bei Pflegeplätzen“.

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Spartanisch einfach: Die ehemaligen Zimmer der Ordensfrauen im Altbau von 1928 Foto: Ulrich Coenen

„Das dürfte keinem verantwortungsbewussten Gemeinderatsmitglied entgangen sein“, erklärt er. „Pflegeheime in Baden-Württemberg müssen wöchentlich Tausende Anfrage zurückweisen. Die Ablehnungsquote liegt im Schnitt bei 80 Prozent, wie aus einer Umfrage mehrerer Wohlfahrtsverbände im Südwesten hervorgeht.“

Matthias weist darauf hin, dass sein Seniorenzentrum „Alleinstellungsmerkmale“ aufweist. Er nennt den großen Demenzgarten, den Kuschelzoo und die 20 Mitarbeiterwohnungen, die im zentralen Altbau eingerichtet werden sollen, der wegen der Fledermäuse erhalten werden muss. Dort ist auch die Infrastruktur mit Hofladen, Frisör und Verwaltung geplant. Das Pflegeheim entsteht in einem Neubau auf dem Gelände der Ökonomie. Der talseitige Trakt von 1981 wird abgerissen und durch einen Neubau für betreutes Wohnen ersetzt, der über einer Parkgarage entstehen soll.

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An den Stahlstützen im Erdgeschoss des Ökonomiegebäudes nagt der Rost. Die Statikerin empfiehlt den Abriss des Gebäudes. Foto: Ulrich Coenen

Kommentar zum Thema: Dilemma

Nach zwei Jahren schier endloser Debatte kommt es am 18. Dezember im Bühler Gemeinderat zum Showdown. Ohne Frage sprengt das Mutterhaus Neusatzeck mit seinen gewaltigen Dimensionen und einer Wohnfläche von 6 370 Quadratmetern das Schwarzwaldtal und seine kleinteilige Bebauung. Einem anderen Bauherrn als der Kirche wäre dieses völlig deplatzierte Bauwerk niemals genehmigt worden. Ohne Zweifel werden die projektierten Ersatzbauten nicht zierlicher sein.

Es wäre sicherlich reizvoll, das Gelände der Natur zurückzugeben. Doch wer soll das bezahlen? Es geht nicht nur um den Kaufpreis für das Gelände, das auf Immobilienforen im Internet jahrelang für 2,5 Millionen Euro angeboten wurde. Selbstverständlich wurde diese Summe nicht erzielt, doch auch der Abriss des Mutterhauses wird eine halbe Million Euro kosten.

Andere Ideen und Projektentwickler für das Mutterhaus gibt es nach Auskunft von Oberbürgermeister und Ortsvorsteher aktuell nicht mehr. Damit hätte sich leider auch ein baurechtlich problematisches Neubaugebiet an dieser Stelle erledigt, das sich zweifellos besser in die Landschaft fügen würde als ein großes Seniorenzentrum.

Das Verbot des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die artengeschützten Fledermäuse umzusiedeln, macht eine kleinteilige Wohnbebauung an dieser Stelle praktisch unmöglich. Der riesige Baukörper von 1928, in dessen Dachgeschoss das Graue Langohr haust, muss erhalten bleiben. Das ist mehr als erstaunlich, denn in diesem Jahr wurde dort keine einzige Fledermaus gesichtet. Nach Expertenmeinung könnte das traditionsbewusste Tier aber eines Tages den Weg dorthin zurückfinden.

Der Gemeinderat steht vor einem Dilemma. Die Pläne für ein Seniorenzentrum mit seiner großen Baumasse im Schwarzwaldseitental sind ohne jeden Zweifel alles andere als ideal. Doch was wäre die Alternative? Wenn die beiden Projektentwickler, die ihr Ziel in Neusatzeck seit zwei Jahren mit großer Hartnäckigkeit verfolgen, eine endgültige Absage erhalten, könnte das verheerende Folgen haben.

Dass die Interessenten für den hässlichen Altbau, der innerhalb von sechs Jahrzehnten in drei Bauabschnitten errichtet wurde, nicht Schlange stehen, hat sich in den vergangenen Jahren mehr als deutlich gezeigt. Lassen die Kommunalpolitiker die jetzige Chance verstreichen, könnte an dieser Stelle ein zweites Hundseck drohen. Das will in Bühl vermutlich niemand, zumal im nächsten Jahr auch eine Lösung für das denkmalgeschützte Klostergebäude an der anderen Straßenseite gesucht werden muss. Das schmiegt sich in die Landschaft und prägt sie. Es sollte unbedingt erhalten werden und eine sinnvolle neue Nutzung erfahren.

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