Die Reaktion war wie erwartet: gleich null. Nach der Ankündigung des Rückzugs von Jürgen Kohler als Festwirt des Bühler Zwetschgenfests stehen potenzielle Nachfolger nicht gerade Schlange. Ja, es gab noch nicht einmal eine einzige Anfrage oder einen Anruf.
Dabei kann sich Bürgermeister Wolfgang Jokerst (Grüne) diese Großveranstaltung am zweiten September-Wochenende ohne ein Festzelt mit Bewirtung der Zehntausenden Besucher und die abwechslungsreiche Programmfülle gar nicht vorstellen: „Es ist ein enorm wichtiger Bestandteil.“
Der Beigeordnete muss aber auch eingestehen: „Einen Plan B haben wir nicht. Wir setzen voll auf eine Nachfolgelösung.“ Immerhin: Als Bürgerhaus-Gastronom bleibt Kohler der Stadt erhalten.
So wird die 73. Auflage des vielleicht größten badischen Heimat-, Kultur- und Europafests für Jokerst und Oberbürgermeister Hubert Schnurr (FW) mit vielen Arbeitsgesprächen verbunden sein, um im September 2023 nicht mit bitterer Miene in die süß-saure Frucht beißen zu müssen.
Die fünf Gaudi-Tage möchte man deshalb auch nutzen, um befreundete Schausteller zu kontaktieren und deren sowie Jürgen Kohlers Netzwerke zu nutzen. Jürgen Hahn, der mit seinem Schaustellerbetrieb seit 1980 den Vergnügungspark mit bestückt, zählt zu den engsten Beratern der Organisatoren im Bühler Rathaus. Aber auch der 75-Jährige ist mit seinem Latein am Ende: „Spontan fällt mir niemand ein.“ Er muss vielmehr davon berichten, dass auch der Festwirt auf der „ Freiburger Mess“ das Handtuch geworfen hat.
Weinfest in Breisach wegen Personalmangel abgesagt
Das Kaiserstühler Weinfest in Breisach Ende August, das zu Hahns Top-Drei-Veranstaltungen im Jahreskalender zählt, wurde gleich komplett abgesagt, weil mangels Personal der Aufbau der Infrastruktur mit bis zu 30 Weinlauben nicht zu bewerkstelligen war. Hinzu kämen Lieferengpässe und die Inflation, die umsatztechnisch nicht mehr aufgefangen beziehungsweise an die Gäste weitergegeben werden könnte. Der Offenburger Unternehmer schaut besorgt in die Zukunft: „Das mündet alles in ein Fiasko.“ Und was speziell Bühl betrifft: „Das Zwetschgenfest steht und fällt mit dem Festwirt!“
Auch Edgar Arnoux ist der Stadt eng verbunden und nutzte in den 70er Jahren die damalige Obstmarkthalle (OAG) als Winterlager für seinen Fuhrpark und seine Fahrgeschäfte. Aus dem Ärmel kann auch er keine Alternativen schütteln. Im Gegenteil. Er berichtet von Festwirt-Absagen unter anderem bei Traditionsveranstaltungen in Bayreuth, Hof, Düsseldorf und Pforzheim. Dabei liefen die Geschäfte mindestens so gut wie vor der Pandemie: „Die Menschen sind wie ausgehungert. Jeder Tag ist umsatztechnisch wie ein Sonntag.“
Der Fachkräftemangel schreckt manchen Wirt
Ein Mann, der in diesen Tagen in der Stadt immer wieder als Alternative und neuer Festwirt gehandelt wird, ist der Bühler Eventmanager Axel Sator. Von dieser Zeitung zu einem möglichen Engagement befragt, meint er: „Mit Sicherheit nicht!“ Zum einen fehle die „Personal-Kapazität“, und mit dem heutigen Bestand seien die Standards, die Jürgen Kohler gesetzt habe, nicht zu erfüllen.
Ebenfalls genannt wird Sergio Corsano. Der 52-jährige Multi-Gastronom mit Betrieben wie Platzhirsch (Johannesplatz), Pomodorino (ehemals „Hanauer Hof“), Da Lucio (Achern) und Triebfeder der Bühler After-Work-Partys bekennt: „Der Reiz, aber auch viel Respekt ist da.“ Das Zwetschgenfest spiele schließlich in der Champions League, in der habe Jürgen Kohler „schon einiges gerockt“. Der Fachpersonal-Mangel sei nach wie vor ungelöst und werde sich vermutlich weiter verschärfen. Seine weitere Vorgehensweise: „Erst mal die Rahmenbedingungen anschauen, nach Sponsoren Ausschau halten und sich dann Gedanken machen.“
Wolfgang Jokerst kündigt derweil für Mitte September eine Bestandsaufnahme mit allen tangierten Fachabteilungen, Jürgen Kohler, Jürgen Hahn und weiteren Akteuren an. Er sagt: „Nach dem Fest ist vor dem Fest.“