
Vier Jahre Abstinenz: Der Zweijahres-Rhythmus und Corona hatten zusammen dafür gesorgt, dass die „Novemberlicht“-Anhänger lange darben mussten. Nun meldete sich die badisch-elsässische Kulturreihe zurück. Mit Witz, mit Musik, mit Geschichten von „hiwwe und driwwe“, mit dem Bühler und überzeugten Badener Jörg Kräuter sowie seinem kongenialen, elsässischen Kollegen Jean-Pierre Albrecht aus Ernolsheim-lès-Saverne.
Und auf jeden Fall lässt sich sagen, mit diesem herrlich bissigen, dynamischen Auftakt im Bürgerhaus Neuer Markt, bei dem die doch beachtliche und auf jeden Fall begeisterte Zuschauerschar auch erfuhr, warum Albrecht wegen eines Schweinebauchs gleich zwei Mal nach Ottersweier gefahren ist und wie das im Hause Kräuter mit der buchstäblich heißen Liebe auf der Kachelofen-Bank war, ist klar: Das Novemberlicht leuchtet wieder über der Region.
Ach was, im Bürgerhaus war es bei Albrecht und Kräuter ein richtiges Feuerwerk. Es waren für die treuen Fans der badisch-elsässischen Kulturreihe, die es inzwischen auch schon gut 20 Jahre gibt, vier Jahre der Entbehrung. Aber, so Bühls Bürgermeister Wolfgang Jokerst (Grüne): „Wir jammern nicht, wir freuen uns umso mehr, dass wir heute starten.“
Die 13. Auflage des Veranstaltungsreigens ist es, an zehn Abenden gibt es an verschiedenen Spielorten Programm; am Mittwoch, 9. November, gleich wieder in Bühl im Bürgerhaus, wenn das Theater Baden Alsace mit der Zeitrevue „Dreyeckland“ gastiert.
Für Norddeutsche ohne Dialektkompetenz war es bisweilen schwierig
Aber damit sollte, um es badisch (oder elsässisch) zu sagen, erst mal alles offizielle „gebabbelt sei“. Jörg Kräuter und Jean-Pierre Albrecht kennen sich seit langem. Und auch im Bürgerhaus merkte man einmal mehr, es ist ein kongeniales Duo.
Bisweilen muss der Zuschauer deshalb schnell sein, sonst verliert er auch mal den Anschluss bei diesen vielen Bemerkungen und Anspielungen, wenn sich die beiden begeisternden Künstler, virtuos die gedanklichen Bälle zuwerfen. Für Norddeutsche ohne regionale Sprachkompetenz wird es schwierig, Schwaben müssen duldsam sein, aber da spricht sich der „König von Baden“ (Kräuter) eh’ für einen Jägerzaun an der Grenze aus.
Ja, sie hatten es nicht leicht, die Bühnenarbeiter. Jean Pierre Albrecht, der zur Gitarre so herrliche Instrumente wie Drehleier („Oh Katzejammer“), Psalter, keltische Harfe oder das vogesische Scheitholz spielt, wusste in launigen Worten davon zu erzählen. „S’ isch schlimm gsi“, schlimm war es, und was hat er deshalb nicht alles gemacht, als nichts mehr ging: Sogar geräuchert. Pech nur, wenn der bestellte Räucherofen zu klein ist, der gekaufte Schweinebauch zu groß, und beim Umtausch, deshalb zwei mal Ernolzheim – Aspichhof, schließlich zwei Zucchini mit auf die Reise gehen.
Jörg Kräuter begeistert in Bühl auch mit Slideguitar
Ja, sie können es noch. Albrecht ebenso wie Kräuter. Letzter, bekannt als Kolumnist beim ABB, auch als Wahnsinns-Bluesgitarrist, mit Slideguitar zum Niederknien und Songtexten, bei denen man gern Schnappatmung durch Schlapplachen riskiert. Die Geschichte, wie er seine Traudl im zarten Teenageralter bei der katholischen Jugenddisco im Tabakschuppen kennen lernte und der damalige Pfarrer Josef Baier als Jüngstes Gericht erschien... Man will den „Steh-Blues“ am liebsten in Endlosschleife hören.
Es war einer dieser Kabarettabende, an dem der Spannungsbogen nicht abreißt. Ob Albrecht (samt elsässischem Scheitholz) über den Weiher hinter dem Haus singt oder Kräuter über den Nebel, man bleibt einfach dabei. Auch bei „Komm, komm, dummel di, komm“, ein bisschen J.J. Cale auf badisch-elsässisch oder dem Blues vom „Hudle“.
Für Nicht-Südstaatler: Dummel di heißt „komm’ in die Hufe“ und Hudle bedeutet Hektik machen. Die Zwetschge darf da nicht fehlen. „Ich hab’ gehört, Bühl isch d’Hauptstadt von de Zwetschgle“, hebt Albrecht launig an, und natürlich wird es dann satirisch, bis hin zur Tatsache, dass die blaue Frucht eigentlich aus Ernolzheim kommt.
Sie lassen nichts aus, schießen sympathisch-wortgewandt ihre Spitzen auf den Wein ebenso wie die badischen Tüftler, auf steigende Nebenkosten durch die Energiekrise, das Bier, den Hopfen und anderes mehr. Ach ja, und das amouröse Abenteuer auf der Ofenbank? Es war wohl das eine „Brikettle“ zu viel, wie so oft im Leben.
Den Gästen im Bürgerhaus war es definitiv nicht zu viel, sie verlangten vehement zwei Zugaben, die die Künstler gern gewährten.