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Unzufrieden mit der Polizei

Die 17-jährige Jennifer M. aus Bühl wird vermisst - jetzt ermitteln die Eltern selbst

Die 17-jährige Jennifer M. aus Bühl ist seit mehr als vier Monaten verschwunden. Die verzweifelten Eltern vermuten sie bei ihrem iranischen Freund in Bremen. Sie kritisieren die Arbeit die Polizei, haben einen Privatdetektiv eingeschaltet und ermitteln selbst.

Eine Polizeistreife fährt zu einem Einsatz.
Die Polizei sucht nach einer vermissten 17-Jährigen aus Bühl. (Symbolbild) Foto: Patrick Seeger/dpa/Symbolbild

Update:

Die 17-Jährige Jennifer M. ist inzwischen gefunden worden. Sie hat sich bei ihrem Freund in Bremen aufgehalten.

Die Familie M. aus Bühl ist verzweifelt. Seit viereinhalb Monaten ist ihre Tochter Jennifer spurlos verschwunden. Am 27. Juli hat das Mädchen, das am 4. Dezember 17 Jahre alt geworden ist, gegen 9 Uhr sein Elternhaus verlassen. Weil die Ermittlungen der Polizei bisher nicht zum Erfolg geführt haben, wendet sich die Familie nun an die Medien.

„Wir haben den Verdacht, dass Jennifer zu ihrem 20-jährigen Freund nach Bremen gefahren ist“, berichtet die Patentante, die namentlich nicht genannt werden will, im Interview mit unserer Redaktion. „Mit der Arbeit der Polizei sind wir nicht zufrieden.“

Die Familie hat deshalb bereits vor einigen Wochen einen Privatdetektiv in Bremen beauftragt. „Der machte eine Zeugin ausfindig, die Jennifer Anfang August mit ihrem Freund gesehen haben will.“ Der scheint rasend eifersüchtig und ein Kontrollfreak zu sein.

Ist Jennifer bei ihrem Freund?

Nach Kenntnis der Familie M. hat Jennifers Freund, der iranischer Staatsbürger ist, einen Teil seiner Jugend im Heim verbracht und wohnt, seit er volljährig ist, wieder bei seinem Vater. Die Familie M. vermutet Jennifer im Umfeld des Freundes.

Die Eltern des jungen Mannes sind getrennt. „Es ist Jennifers erste Beziehung und sie ist nicht glücklich“, berichtet die Patentante. „Es ist sehr traurig, dass sie an den falschen Mann geraten ist. Jennifer war ein fröhliches Mädchen mit einem festen Freundeskreis, bevor sie ihn kennengelernt hat.“

Wir verteilen Flyer und sprechen mit den Leuten.
Jennifers Vater ist mit einem Onkel in Bremen unterwegs

Der Vater berichtet im Gespräch mit dieser Redaktion, dass das Mädchen nie Alkohol oder Zigaretten konsumiert hat und erst recht keine Drogen. Er ist mit einem Onkel Jennifers aktuell in Bremen unterwegs, um nach seiner Tochter zu suchen. „Wir verteilen Flyer und sprechen mit den Leuten“, berichtet er. „Aktuell gibt es aber keine neuen Erkenntnisse.“

Ihren Freund lernte Jennifer im Juni 2019 in einem Chat-Room im Internet kennen. „Sie hat sich Hals über Kopf in ihn verliebt“, sagt der Vater. Jennifer war damals 15, er 18 Jahre alt. Zunächst wussten die Eltern nichts von der Beziehung, bemerkten aber bereits im August Veränderungen in ihrer Persönlichkeit.

„Wie wir später von Klassenkameraden und Freunden erfahren haben, hat sie bereits zu dieser Zeit ihre sozialen Kontakte komplett abgebrochen“, sagt der Vater. „Anfangs waren wir wegen der Entfernung und kultureller Unterschiede natürlich skeptisch. Anstatt dies intern zu lösen, wandten sich beide direkt an das Jugendamt. Es gab Gespräche mit dem zuständigen Jugendamt und wir gaben der Beziehung eine Chance.“

Er zwang sie, rund um die Uhr erreichbar zu sein
Jennifers Eltern über den Freund aus Bremen

Silvester feierte der junge Mann aus Bremen mit der Bühler Familie und war anschließend mehrfach längere Zeit zu Besuch. Die Skepsis der Eltern wuchs. Die schulischen Leistungen der Realschülerin fielen dramatisch ab, sie zog sich zurück, nahm zehn Kilo ab. „Der Freund setzte sie immer stärker psychisch unter Druck“, berichtet der Vater. „Er zwang sie, rund um die Uhr erreichbar zu sein. Irgendwann führte das zu massiven Schlafstörungen.“

Die nächtlichen Anrufe führten zum Streit mit den Eltern. Jennifer unternahm zwei Suizidversuche und wurde von der Polizei vorübergehend in eine psychiatrische Klinik gebracht. Im Juni 2020 erteilten die Eltern dem Freund Hausverbot. Jennifer schaffte den Realschulabschluss.

Ihr Freund versuchte nun, das Mädchen von seiner Familie zu entfremden. Die Eltern nahmen ihr zeitweise das Handy weg. „Wir stellten auf Anraten der Polizei bereits im Juni einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Freund beim Gericht“, berichtet der Vater. „Das hat einen Gerichtstermin veranlasst, bei dem die Kindeswohlgefährdung unserer beiden Töchter beurteilt werden sollte.“

Ohne Ersatzkleidung und Personalausweis das Haus verlassen

Die Lage spitzte sich dramatisch zu. Am 27. Juli, einen Tag vor ihrer Abschlussfeier, verließ Jennifer um 9 Uhr ohne Ersatzkleidung, Personalausweis, Mobiltelefon und mit 40 Euro Bargeld das Haus.

Sie hinterließ den Eltern eine Nachricht, dass sie gegen 15 Uhr nach Hause kommt. Die nahmen gegen 19 Uhr Kontakt mit dem Freund auf. „Er behauptete, er wisse nicht, wo sie sei“, sagt der Vater. „Wie sich später aus seiner eigenen Aussage ergab, waren die beiden jedoch zu diesem Zeitpunkt gemeinsam in Karlsruhe. Anschließend gingen wir zur Polizei, um unsere Tochter als vermisst zu melden.“

Die Eltern berichten, dass Jennifer gegen 22 Uhr mit der Bahn zurück nach Bühl fuhr. Dort wurde sie um 23 Uhr von Jugendlichen, die ihren Schulabschluss feierten, an einem Spielplatz gesehen. Jennifer berichtete ihnen von Problemen mit ihrem Freund und ihrer Familie. Ein Mädchen bot Jennifer einen Schlafplatz an.

Dieses Mädchen erstattete den verzweifelten Eltern später Bericht. Mit einem geliehenen Handy schloss sich Jennifer im Badezimmer ein und telefonierte mehrere Stunden mit ihrem Freund. „Auch hier konnte das Mädchen den Kontrollwahn des Freundes beobachten, da sie ihm am Telefon berichten musste, dass Jennifer bei ihr übernachtet hat und keine Jungen dabei waren“, sagt der Vater. Gegen 22 Uhr verließ Jennifer ihre Wohnung.

Am 30. Juli erfuhren Jennifers Eltern, dass ein Bekannter ihrer Tochter als Reaktion auf die Vermisstenanzeige per Messengerdienst Snapchat Kontakt zu ihr aufgenommen hatte. „Hi, hast du Zeit?“ postete er. Jennifer antwortete: „Nein, ich bin in Bremen“. Kurze Zeit später wurde ihr Account nach Auskunft der Eltern gelöscht.

„Erschreckenderweise konnte die Kriminalpolizei in den vergangenen vier Monaten keinerlei weitere Ermittlungsansätze gewinnen, obwohl seit dem Tag des Verschwindens kein Lebenszeichen von unserer Tochter vorliegt und alles darauf hindeutet, dass ihr Freund darin verwickelt ist“, erklären die Eltern. „Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Entziehung Minderjähriger wurde nie eröffnet.“

Die Eltern haben den Verdacht, dass ihre Tochter entweder gegen ihren Willen in Bremen festgehalten wird oder Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist.

Polizei vermutet das Mädchen in Bremen

Das Polizeipräsidium Offenburg äußerte sich zu dem Fall nur schriftlich und knapp. „Die Suche nach der Vermissten dauert derzeit an, auch unter Einbindung der Polizei aus Bremen“, heißt es in der E-Mail. „Die Ermittlungen werden bei den Beamten des Kriminalkommissariats Rastatt geführt.

Nach Einschätzung der Polizei hält sich die Gesuchte im Raum Bremen auf. Konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat liegen derzeit nicht vor. Es findet ein ständiger Austausch mit den Bremer Kollegen statt. Es wurde auch bereits eine Öffentlichkeitsfahndung sowohl in der Region Bühl, als auch in Bremen veranlasst. In Bremen wurde aktuell eine erneute Öffentlichkeitsfahndung in die Wege geleitet.“

Familie bittet um Hinweise

Die Familie M. hofft auf Hinweise aus der Öffentlichkeit und bittet um Hinweise zum Aufenthaltsort von Jennifer: hilfefuerjennifer@gmail.com

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