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Kein Parkplatz am Mummelsee

Keine Angst vor Corona: Frühling bringt Hochbetrieb an die Schwarzwaldhochstraße

Das frühlingshafte Wetter mit Temperaturen von bis zu 18 Grad lockten die Menschen aus Mittelbaden in die Sonne: An den touristischen Hotspots an der Schwarzwaldhochstraße wie am Mummelsee waren am Sonntagnachmittag alle Parkplätze belegt.

Auto an Auto reihten sich die Ausflügler am Sonntagnachmittag an der Schwarzwaldhochstraße.
Auto an Auto reihten sich die Ausflügler am Sonntagnachmittag an der Schwarzwaldhochstraße. Foto: Spether

Fast hatte man den Eindruck, als ob es die Leute angesichts der derzeitigen Corona-Problematik ins Freie zieht: Autofahrer, Motoradfahrer, Mountainbiker, Wanderer und Spaziergänger waren in Scharen unterwegs. Bei strahlendem Sonnenschein quetschten sich wie gewohnt hunderte Autos über die schmale Schwarzwaldhochstraße und in die wenigen freien Parklücken.

Wer erwartet hat, dass sich die Menschen aus Angst vor dem Coronavirus nicht zu den beliebten Ausflugszielen in der Region trauen, musste sich jedenfalls eines Besseren belehren lassen. Am Mummelsee herrschte trotz der grassierenden Epidemie und der Nähe zum Risikogebiet Grand Est reger Betrieb.

Polizei kennt die angespannte Parkplatzsituation

Laut Auskunft des Polizeipräsidiums Offenburg war die Schwarzwaldhochstraße kein Einsatzschwerpunkt.  Die Parkplatzsituation kommentierte der diensthabende Beamte lakonisch-trocken: „Das ist normal an einem Wochenende bei so einem Wetter.“

Das Tagesgeschäft, das bestätigt Direktionsassistent René Lüdecke vom Berghotel, ist von der Corona-Epidemie weitgehend unbeeinflusst. Die Buchungen allerdings seien besonders in den vergangenen beiden Tagen zurückgegangen. „Noch ist Nebensaison“, erklärt Lüdecke, ob in diesem Jahr aber so viele Übernachtungsgäste wie sonst – viele davon aus Frankreich – kommen, könne man jetzt noch nicht sagen. „Im Restaurant haben wir die Bestellungen auch schon zurückgefahren“.

Auch Franzosen nutzten die letzte Chance für einen Ausflug in den Schwarzwald

Am noch zugefrorenen und von Schneehaufen umringten See selbst hatten zunächst zwar nur wenige Menschen auf den Bierbänken und der Terrasse des Hotelrestaurants Platz genommen – immerhin waren es nur 13 Grad Außentemperatur. Bald aber tümmelten sich junge und alte Gäste, darunter auch Franzosen, und machten sich zu Wanderungen auf oder hielten Plausch bei Bier und Rostbratwurst.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Unter den Gästen ist auch eine Biker-Truppe mit Motorsportbegeisterten aus Karlsruhe, Linkenheim und Stutensee. „Nein, wir haben keine Angst“, sagt Filialleiter Thomas Layh, der gerade aus seinem Urlaub in der Türkei zurückgekommen ist. „Dort wurden wir am Flughafen mit Wärmebildkameras kontrolliert, in Deutschland aber gar nicht“, erzählt seine Begleiterin Angelika Müller, die Stationsleiterin an einer Tankstelle ist. „Den Meter Abstand kann ich dort eh nicht halten“, beantwortet sie die Frage nach dem häufigen Kundenkontakt und dem damit verbundenen Infektionsrisiko.

Bertram Hammerschmid aus Stutensee arbeitet bei Bosch. „Über unsere Elsässer haben wir noch keine Infos“, erzählt er mit Blick auf die aus dem mittlerweile als Risikogebiet eingestuften französischen Kollegen.

Seinen geplanten Ausflug ins Elsass musste er streichen: „Seit gestern Nacht um 12 ist da ja alles zu.“ Biker-Kollege Tino arbeitet beim Revisionswerk von Breitling, wo Tausende Uhren auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft werden. „Wenn das drei Monate geschlossen werden muss, wird’s spannend“ meint der Vater von zwei Kindern. Seine 19-jährige Tochter, „die hat jetzt ein Problem“, wo sie mitten in der Prüfungsphase vor dem Abitur steckt.

Lehrerin weiß noch nicht, wie ihr Leben ab Dienstag abläuft

Das kann ein Lehrerehepaar aus dem Murgtal bestätigen, das mit seinen beiden Kindern auch den Weg zum Mummelsee gefunden und sich „bewusst für ein bisschen frische Luft entschieden“ und nebenbei im Schwarzwaldladen ein paar Besorgungen erledigt hat. „Wir wissen noch nicht genau, wie es ab Dienstag läuft“, sagt die Lehrerin, „es herrscht nach wie vor Dienstpflicht, aber die Umsetzung ist noch nicht ganz klar. Wir haben es als Lehrer ganz gut, unsere Nachbarn zum Beispiel haben aber Probleme, die Kinder zu betreuen. Wir versuchen uns da gegenseitig auszuhelfen“.

Von Ferien könne indes nicht die Rede sein. „Die Schule“, so der Vater, während seine Kinder schon zum Nach Hause gehen drängen, „stellt Materialen für Hausaufgaben bereit, und steht für Rückfragen telefonisch und per Mail zur Verfügung“.

Sorgen um die kranke Mutter

Eine Medizintechnikerin aus Karlsruhe ist ebenfalls mit Mann und Kindern zum Mummelsee gefahren. Während diese gerade mit den Spielgeräten beschäftigt sind, erklärt sie, dass sie seit Kurzem im Home-Office arbeitet. Für Betreuung ist also gesorgt. „Man darf den Kindern keine Panik vermitteln“, zeigt sie sich angesichts der allgemeinen Unsicherheit überzeugt, die sich auch in der Region nicht selten in leergefegten Supermarktregalen und dem knappen Gut Klopapier äußert.

Sorgen macht sie sich eher um ihre Mutter, die an einer Lungenkrankheit leidet. „Da werden wir erst einmal auf Abstand gehen müssen“, meint sie. Und den großen Geburtstag mit 35 Gästen nächste Woche hat sich die Familie auch entschieden, abzusagen.

Alle Informationen gibt es auf bnn.de/coronavirus

Ihr Mann arbeitet in der Logistikabteilung bei Mercedes Benz in Offenbach bei Landau. Die elsässischen Kollegen müssen seit vergangenem Montag zuhause bleiben, die Spedition aus Italien darf nicht mehr kommen. Was im Quarantänefall passiert, ist noch unklar. Die Verwaltung arbeitet bereits im Home-Office. Auch der Vater ist besorgt um seine Eltern. „Die mussten nun die Reise zur Verwandtschaft in Marokko canceln“, bedauert er.

Fast alle Tische im Zollhaus in Au am Rhein besetzt

Im Zollhaus in Au am Rhein sitzt auch nicht niemand. Vielmehr sind fast bis auf den letzten Platz alle Tische gefüllt. „Draußen ist alles voll, drinnen merkt man‘s aber schon“, antwortet Chefin Marina Müller angesprochen auf die Corona-Epidemie und die leeren Plätze im Restaurant.

„Seit letzte Woche wurden schon drei Geburtstage abgesagt“, schildert sie die Lage. Notfallpläne gebe es noch nicht, das Personal habe man inzwischen aber auf gut ein Drittel zurückgefahren, teilt die Chefin über die Theke hinweg mit.

Einer der Kellner im Zollhaus ist auch Altenpfleger. Sorgen, dass er sich anstecken könnte, macht er sich keine, verhindern lasse es sich ja doch nicht. Im Altenheim sei man über den eingeschränkten Besuchsplan hinaus aber auch gut auf den Ernstfall vorbereitet. Zu den vielen Gästen bemerkt er: „Ist wahrscheinlich auch besser für die Psyche, mal raus zu kommen, statt sich zuhause Sorgen zu machen“.

Hätte jetzt jemand gefragt, ob er sich dazustellen darf, hätten wir wahrscheinlich nein gesagt.

„Wir hätten nicht gedacht, dass hier so viel los ist“, sagt Anita Tesar, die sich in Begleitung ihres Manns Kurt gerade am Stehtisch unter dem kleinen Pavillon eine Currywurst schmecken lässt. „Wir haben uns schon hier so ein bisschen abseits von der Menschenmenge hingestellt, sodass wir nicht so eng aufeinandersitzen. Hätte jetzt jemand gefragt, ob er sich dazustellen darf, hätten wir wahrscheinlich nein gesagt“, gibt sie zu.

Angst haben sie aber eigentlich keine. „Man muss es nehmen wie es kommt. Man sollte es nicht herausfordern, man darf aber auch niemanden einsperren“. Immerhin arbeitet sie in einer Bäckerei in Linkenheim-Hochstetten und hat daher täglich mit vielen Kunden auf engem Raum zu tun. „Da wird in letzter Zeit ganz viel gekauft“, teilt sie ihre Beobachtungen.  „Wir waschen uns dann eben ganz oft die Hände“, erklärt sie die Vorbeugemaßnahmen.

Im Atomkraftwerk gibt es kein Home Office

Ihr Mann Kurt ist in Rente. Der gelernte Maschinenbauer arbeitet aber ab und zu drei bis vier Wochen in einem Atomkraftwerk im bayrischen Gundremmingen. „Das muss laufen“, sagt er, „Home Office wird da schwierig“. Konkrete Notfallpläne gebe es bisher aber nicht.

Heidi Lorenz arbeitet im St. Antonius-Kinderheim in Karlsruhe. „Wir haben Kinder, die nicht nach Hause können oder dürfen, die müssen auch was essen“, beschreibt sie die schwierige Lage angesichts der drohenden Ausbreitung des Coronavirus‘. Im Vincentius Kindergarten betreut sie zusammen mit ihren Kollegen auch Kinder von Ärzten. „Wir stellen eventuell eine Notgruppe zusammen, damit die Betreuung gewährleistet ist und die Eltern im Beruf nicht fehlen“.

Die Empathie darf nicht auf der Strecke bleiben.

Ihr Tischnachbar, alleinerziehender Vater von zwei Kindern, hält die Maßnahme, soziale Kontakte nach Möglichkeit einzuschränken, zwar für sinnvoll, gibt aber zu bedenken, dass das bei Teenies nicht immer möglich sei. „Man kann sie ja nicht einsperren“.

Corina van Venrooy, ebenfalls am Tisch, findet es demzufolge auch bedauerlich, dass die Veranstaltungen am KIT abgesagt wurden, für die sich ihr eher introvertierter Sohn so sehr interessiert hat. Insgesamt gelte es abzuwarten und nicht in Panik zu verfallen, ist sich die Gruppe einig – auch wenn das bei all den Nachrichten zur Corona-Krise und der immer spürbareren Beunruhigung schwer falle: „Die Empathie darf nicht auf der Strecke bleiben“, sagt der 60-jährige Vater am Tisch.

Wie wir über die Auswirkungen des Coronavirus berichten Auf bnn.de berichten wir zurzeit verstärkt über die wichtigsten Entwicklungen rund um Corona in der Region rund um Karlsruhe, Bretten, Pforzheim, Rastatt und Bühl. Jeden Tag schränken Kliniken die Besuchszeiten ein, Schulen schließen, Firmen schicken Mitarbeiter nach Hause. Es ist selbst für unsere Redaktion zeitweise schwierig, den Überblick zu behalten. Deshalb filtern wir für unsere Leser aus der Flut an Informationen, welche der vielen Corona-Meldungen wichtig sind – unter anderem in dieser Übersicht .

Alle Informationen prüfen wir, um keine Falschinformationen zu verbreiten. Viele Menschen, auch in unserer Redaktion, machen sich ohnehin Sorgen. Wir möchten sie informieren und nicht verunsichern.

Zwei unserer Kollegen befassen sich ausschließlich mit dem Thema Corona – als unsere internen Experten. Viele weitere BNN-Redakteure recherchieren täglich zu den Auswirkungen von Covid-19 in den Städten und Gemeinden der Region. Unsere Autoren sprechen mit Entscheidern in den Landratsämtern, Krankenhäusern und in Firmen. Gleichzeitig telefonieren sie (Betroffene treffen wir derzeit nicht persönlich) mit Menschen, die Cafés schließen, Veranstaltungen absagen oder zu Hause bleiben müssen.

So möchten wir dazu beitragen, dass Menschen in der Region sich auf dem aktuellsten Stand halten können, um die richtigen Entscheidungen für ihren Alltag und ihre Gesundheit zu treffen.

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