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Drastische Folgen

Keine Entenbabys in Bühl: Stockenten verlieren nach rabiatem Mäh-Einsatz ihre Nester

Die Mäharbeiten im Bachbett der Bühlot in Bühl haben dramatische Folgen: Die Stockenten verlieren ihre Gelege und lassen ihre Eier zurück. Die Bürger toben, die Stadt spricht von einem „sehr bedauerlichen Fehler“. Doch war die Aktion überhaupt erlaubt?

Stockenten Nest
Weil bei Mäharbeiten in der Bühlot in der Bühler Innenstadt radikal abgesenst wurde, müssen die Wasservögel leiden. Foto: Jörg Seiler

Brütende Stockenten im Hitzestress, eine abgemähte Sandbank in der Bühlot im Bereich des Sonnengässles und eine traurige Nachricht: Es wird dort keine Entenbabys geben.

Eine Bühler Bürgerin sorgte sich um die Wasservögel und kam in die Redaktion. Als Anwältin für Anas platyrhynchos sozusagen. Klar, dass der Reporter der Sache sofort nachging. Und in der Tat: In der prallen Mittagssonne saßen die Entenmamas auf den Nestern und hechelten. Das nun zeigt laut Experten, dass es ihnen zu warm ist.

Das war am Dienstag, 17. Mai. Einen Tag später bezeichnet es die Stadtverwaltung auf Anfrage der Redaktion als „sehr bedauerlichen Fehler, der eigentlich nicht passieren darf“.

Die Bürgerin, die das Leid der Enten entdeckte und darauf aufmerksam machte, war fassungslos, wunderte sich, wie man so wenig Einfühlungsvermögen gegenüber den Tieren zeigen kann. „Die haben jetzt nichts mehr, keinen Sicht- und vor allem keinen Sonnenschutz. Warum macht man das?“

Das Thema ist längst auch in den sozialen Netzwerken angekommen. Eine junge Bühlerin hat Bilder gemacht und kommentiert in der Gruppe Bühl (Baden): „Nun schon das dritte Jahr in Folge wird ohne Sinn und Verstand der Mäher angeschmissen und die Grünstreifen im Wasser zerstört. Und somit auch viele Leben.“

Nabu-Referent: Mäh-Aktion ist rechtlich nicht erlaubt

Die rechtliche Lage jedenfalls ist eindeutig: „Das ist nicht erlaubt“, sagt Martin Klatt und verweist auf die Europäische Vogelschutzrichtline. Derzufolge sind die Vögel wie ihre Fortpflanzungsstätten geschützt, so der Referent für Arten- und Biotopschutz beim Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg. Die Vogelschutzrichtlinie ist ein Regelwerk, das helfen soll, die heimischen Vogelarten in den Mitgliedsstaaten der EU zu erhalten. Längst hat das Werk Eingang in zahlreiche, nationale Naturschutz-Gesetzgebungen gefunden.

Es stellen sich deshalb mehrere Fragen: Wer macht so etwas, hat man da (bewusst) nicht hingeschaut? Und vor allem, hätte das nicht noch ein bisschen Zeit gehabt, bis die Stockenten fertig gebrütet haben?

Zuständig für die Bühlot ist der Zweckverband Hochwasserschutz, der von den Städten Bühl und Baden-Baden sowie der Gemeinde Sinzheim gegründet wurde. Laut Matthias Buschert befanden sich auf den Anlandungen zwischen Gecco und Gasthaus „Schwanen“ drei Entennester mit zehn, vier und elf Eiern. Der Bewuchs darum, vor allem Gras, wurde komplett abgemäht. Eine städtische Mitarbeiterin war laut Pressesprecher der Bühler Stadtverwaltung noch am Abend vor Ort, schaute sich die Situation an.

25 Enteneier sind nach rabiatem Mäh-Einsatz an der Bühlot verloren

Für die Stockenten hat der rabiate Mäh-Einsatz drastische Folgen: Die Störung war so gravierend, dass die Enten die Nester verließen. Die Gelege sind ausgekühlt, es wird keine Küken geben. Ein Unding, denn laut Naturschutzgesetz müssen die Gewässer so gepflegt werden, dass die Brut nicht gestört wird. Das bedeutet, wird gemäht, „muss der Abstand zu den Nestern so groß sein, dass die Elterntiere nicht durch Lärm vertrieben werden und ausreichend Bewuchs als Sichtschutz und Schatten stehen bleibt“, erläutert Buschert.

Entengelege
Die Eier sind ausgekühlt und es wird deshalb keine Stockenten-Babys geben. Auch in den sozialen Netzwerken ist das Thema. Foto: Jörg Seiler

Für die Pflege zeichnet seit Jahrzehnten ein landwirtschaftlicher Betrieb verantwortlich, der im Auftrag des Verbands arbeitet. Der kennt die Regeln, denn für jedes Gewässer des Zweckverbands gibt es detaillierte Pflegepläne.

Die beinhalten unterschiedliche Zeitpunkte für das Mähen. Das heißt, es gibt immer Abschnitte, die gepflegt und die nicht bearbeitet sind. Das hilft den brütenden Vögeln. Im Mai beginnt die Saison, sie dauert bis Oktober. „Klare Vorgabe ist aber, dass Brutplätze nicht gestört werden dürfen und dann eben in einem weiteren Arbeitsgang zu einem späteren Zeitpunkt bearbeitet werden sollen“, betont Buschert. Laut Landratsamt Rastatt existiert keinen generelle Regelung, nach der Pflegemaßnahmen zur Brutzeit verboten sind.

Allerdings handelt es sich bei der Stockente um eine besonders geschützte Tierart laut Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Und das untersagt, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu verletzten oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen zu beschädigen oder zu zerstören, erläutert Kreis-Pressesprecher Michael Janke. Ebenso darf keiner die Fortpflanzungsstätten dieser Tiere kaputt machen.

Unabhängig von einem konkreten Fall gilt laut Kreisbehörde: Grundsätzlich sollte mit Rücksicht auf die brütenden Vögel vorausschauend gemäht werden, um eben die Nester nicht zu beschädigen. „Eine Beschädigung liegt auch dann vor, wenn sich die ökologische Qualität der Fortpflanzungsstätte verschlechtert, was auch durch die Entfernung umliegender Vegetation und der folglich fehlenden Deckung eintreten kann“, so das Landratsamt.

Tragödie am Bühlot kein Einzelfall?

Auf Facebook beschäftigt das Thema die Mitglieder der Gruppe Bühl (Baden) sehr. „Absolut traurig.... anstatt sie mal die ganzen Gewässer von dem Abfall und den Scherben befreien damit die Tiere nicht zu Schaden kommen, zerstören sie noch mehr Lebensraum. Hauptsache das Stadtbild sieht oberflächlich ordentlich aus“, heißt es in einem Kommentar.

Es gibt allerdings auch Diskutanten, die die Pflegemaßnahmen verteidigen, und es gibt eine Aussage, die noch nachdenklicher stimmt: „Auch bei uns haben Sie am Bach gemäht und dazu noch die Hecken mit dem Mäharm abrasiert. Da haben auch Vögel drinnen gebrütet.“ Die Tragödie an der Bühlot scheint kein Einzelfall zu sein.

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