Alea ist jetzt ein Star. Sie ist der „Kidboss“. So steht es auf dem Filmplakat, das einen außergewöhnlichen Streifen ankündigt: eine Hommage an „den schönsten Job der Welt“.
Die 2:24 Minuten sind aber noch mehr, nämlich der Versuch, Interessentinnen und Interessenten für eben diesen Job zu finden. Denn es nicht nur „der Schönste“, sondern auch einer, bei dem Angebot und Nachfrage auseinandergehen. Viele Stellen bleiben unbesetzt. Die Rede ist von Erzieherinnen und Erziehern. Alea bringt es im Film so auf den Punkt: „Ich weiß gar nicht, warum wir keine Leute finden.“
Das Mädchen besucht den Kindergarten St. Michael in Ottersweier. Sie ist dort eines von 165 Kindern, dazu kommen weitere 62 in der Kinderkrippe St. Marien und mittlerweile auch die Naturgruppe Wiesenhüpfer. Judith Lang und Janina Weis leiten die Einrichtung. Die Frage nach dem Personal beantwortet Judith Lang nicht mit einer Zahl, sondern kurz und knapp mit „zu wenig“. Während die Stellen im Krippenbereich voll besetzt seien, fehlten im Kindergarten mindestens zwei Vollzeitstellen, „und es ist zu befürchten, dass es noch mehr werden“.
Idee zum Film in Ottersweier kam vom Elternbeirat
Die Idee zum Film sei im Elternbeirat entstanden, der bei der Suche nach neuen Fachkräften unterstütze. „In Ottersweier gilt: ,Nicht nur klagen, sondern auch handeln´“, beschreibt Lang die Devise der Eltern. Sie wollten „noch anders als bisher auf unser Anliegen aufmerksam machen“.
Dabei half der Kontakt zur Kappelrodecker Firma Sevenam, die sich mit „Brand Design, Video, Corporate“ beschäftigt. Ob etwas denkbar wäre, um sich von der Masse abzuheben? Klar, lautete die Antwort von Markus Meier und Arvin Nesselhauf, die ihr Unternehmen vor gerade mal eineinhalb Jahren gegründet haben. Die sich anschließende Sponsorensuche war erfolgreich, die Bernhard-Friedmann-Stiftung, die Gemeinde, Sevenam, Elternbeirat und private Spenden brachten den notwendigen hohen vierstelligen Betrag zusammen.
Das hat sie supergut gemacht, als wäre sie eine Schauspielerin.Markus Meier
Produktionsfirma Sevenam
Sevenam drehte zwei Tage lang im Kindergarten, Kinder und Erzieherinnen bildeten die Darstellercrew. Zuvor waren Meier und Nesselhauf schon einmal dort, schauten sich um und sprachen mit den Kindern. Wer welche Rolle übernehmen würde, das sei Sache des Kindergartens gewesen.
Alea spielt die Hauptrolle und empfängt als „Kidboss“ eine Bewerberin. Am Ende schiebt sie den Arbeitsvertrag über den Tisch: „Fehlt nur noch die Unterschrift.“ Markus Meier, der selbst in Ottersweier zu Hause ist, ist begeistert von Alea: „Das hat sie supergut gemacht, als wäre sie eine Schauspielerin“. Der Auftrag sei auch für ihr Unternehmen etwas Besonderes gewesen, „das haben wir nicht alle Tage, ganz im Gegenteil“.
Ottersweierer Bürgermeister ist begeistert
Auf den Dreh folgte eine mehrwöchige Postproduktion. Seit Mittwochmorgen ist der Film online und ist rund 2.000 Mal abgerufen worden. Judith Lang und Janina Weis, die den Kindergarten seit einem dreiviertel Jahr leiten, sind stolz auf das Produkt „und dass wir das machen konnten“. Auch Bürgermeister Jürgen Pfetzer (CDU) ist hellauf begeistert: „Der Film ist klasse! Wir wollten ein Zeichen setzen gegen den Personalmangel in den Kindergärten und mit dem Imagefilm einen neuen Weg gehen. Das ist deutlich besser gemacht als die The-Länd-Kampagne des Landes für die Gewinnung von Lehrern.“
Zwar ist in Ottersweier die Kirche der Träger der Kindergärten. Sämtliche Gebäude sind aber Eigentum der politischen Gemeinde. Außerdem trägt diese auch 90 Prozent der Betriebskosten. „Wie die meisten Kindergärten in Deutschland, so haben auch wir das notwendige Personal-Soll nicht zur Verfügung“, sagt der Bürgermeister.
Deshalb suche man nun nach neuen Wegen in der Personalgewinnung, „um den Eltern und Kindern einen verlässlichen Kindergartenbetrieb gewährleisten zu können“. Aktuell müssten bei Personalmangel etwa durch Krankheit oder Beschäftigungsverbote zu oft Gruppen tageweise geschlossen werden. „Wir wollen uns auch einen Personalpool über dem Sollbestand zulegen, um für Ausfälle künftig gewappnet zu sein“, sagt Pfetzer.
Warteliste im Kindergarten bleibt bestehen
Zwischenzeitlich seien auch drei Kindergartengruppen aufgestockt worden: „Das diente dazu, die Warteliste abtragen zu können“, erläutert Janina Weis. „Zum neuen Kindergartenjahr werden die Gruppen aber wieder die Standardgröße haben.“ Die größeren Gruppen könnten nur ein Instrument für kurze Zeit sein, ergänzt Judith Lang. Die Warteliste bestehe aber weiterhin.
Jetzt sind die beiden Erzieherinnen gespannt auf die Auswirkungen des Films. Bewerbungen gäbe es immer wieder mal, sagt Lang, aber nicht jede münde auch in eine Anstellung. Die Qualität müsse stimmen und eine neue Kraft auch zum Team passen. Dass das Stammteam in Ottersweier stabil sei, freue sie. Noch größer wäre die Freude, wenn der Film dazu führen würde, Neuzugänge begrüßen zu können.
Deshalb wird kräftig für den Film getrommelt. Das Filmplakat samt QR-Code als Eintrittskarte ins Kindergartenkino werde in Ottersweier und Umgebung aufgehängt, aber auch in den einschlägigen Berufsschulen. „Und wir werben natürlich dafür, den Link weiterzuleiten“, schmunzelt Lang. Im Kindergarten selbst muss dafür nicht mehr geworben werden. Die Kinder seien begeistert, und aus Aleas Gruppe sei gerade die Frage gekommen, ob es noch Plakate geben. Alea ist jetzt eben ein Star.