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Heiratsschwindler im Internet

Love-Scamming-Opfer: „Ich war süchtig wie nach einer Droge“

Petra W. ist eine mutige Frau. Sie ist der mafiösen Nigeria Connection auf den Leim gegangen und wurde von dieser erstklassig organisierten Heiratsschwindler-Bande emotional tief verletzt und finanziell ausgebeutet. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, die sich aus Scham ins Schneckenhaus zurückziehen, sucht die Krankenpflegerin die Öffentlichkeit und will andere vor dem sogenannten Love oder Romance Scamming warnen.

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Es sind keine schönen Erinnerungen. Petra W. blättert in der Ausdrucken der zahlreichen Mails, die sie von Mike bekommen hat. Foto: Ulrich Coenen

Am 19. Juni 2018 war Petra W. in einem Beitrag in der ZDF-Drehscheibe zu sehen. Nach dem Artikel über Cyberkriminalität am 24. April in dieser Zeitung , in der Oberkommissar Bernhard Schölzel vom Polizeirevier Bühl auf die perfiden Methoden der Scammer hingewiesen hat, meldete sie sich in der Redaktion.

Liebesaus nach 28 Ehejahren

„Natürlich ist mir die Sache peinlich, doch ich sehe im Internet täglich Frauen, die ahnungslos auf Love Scammer reinfallen“, sagt sie. „Deshalb mache ich daraus kein Geheimnis mehr.“ Für die heute 56-Jährige aus einer Bühler Nachbargemeinde begann die Geschichte im Jahr 2013 nach der Trennung von ihrem Mann nach 28 Ehejahren. Ihr erwachsener Sohn hatte seiner im Internet unerfahrenen Mutter gerade ein Facebook-Konto eingerichtet, als sie über den Messenger des sozialen Netzwerks eine Nachricht von einem Mike Alwin erhielt. Der stellte sich in fehlerhaftem Deutsch, das offensichtlich aus dem Google-Übersetzer stammte, als US-amerikanischer Ingenieur aus Texas vor: verwitwet, zwei Kinder, gläubiger Christ. Auf dem Foto seines Facebook-Profils sah er mit seinem dichten dunklen Haar und der Brille durchschnittlich, aber sympathisch aus. Für Petra W. ein Glücksfall, ist doch auch sie gläubige Christin. Täglich gingen über den Messenger Nachrichten, bald in englischer Sprache, hin und her, später kamen Emails und WhatsApp-Chats hinzu. Statt ihres Mobiltelefons legte sich Petra W. ein Smartphone zu, um die Kommunikation zu verbessern.

Hochzeit war bald ein Thema

Schon bald war Hochzeit ein Thema. „Ich habe bei ihm alles gefunden, was ich bei meinem Ex-Mann vermisst habe“, sagt Petra. Bereits drei Wochen nach dem Erstkontakt berichtete Mike, dass er mit seinen Töchtern die USA verlassen und als selbstständiger Ingenieur einen Auftrag für den Bau einer Pipeline in Nigeria angenommen habe. Erst jetzt erhielt Petra eine Telefonnummer, um die sie zuvor vergeblich gebeten hatte.

Mike rief jeden Morgen an

Ihr Tag lief nun nach einem bestimmten Schema ab. Jeden Morgen um 7 Uhr meldete sich Mike sehr kurz telefonisch. „Weil er auf dem Sprung zur Arbeit war, blieb kaum Zeit für ein längeres Gespräch“, erinnert sich Petra. „Er hat eine wunderbare Stimme und erschien mir sehr rücksichtsvoll und sensibel.“ Den Tag gingen schriftliche Nachrichten hin und her, von Mike mit Liebesschwüren oder Anhängen mit tollen zur Situation passenden Songs, beispielsweise von Phil Collins, garniert.

Teurer Geburtstagswunsch

Irgendwann berichtete Mike, dass er am nächsten Tag Geburtstag habe. Er wünschte sich ein iPad. Petra war pikiert, die Tablets des Herstellers Apple sind bekanntlich teuer. Sie kaufte ein normales Tablet für 300 Euro und schickte es nach Nigeria. Ihr Sohn wurde skeptisch. Er lud die Fotos von Mike in der Google-Bildersuche hoch und konnte sie einem Mann aus Portugal zuordnen, dessen Bilder von der Bande aus Nigeria für ihre kriminellen Zwecke gestohlen wurden. Das ist typisch für deren Machenschaften, ebenso wie die guten Berufe, die sich die Gauner üblicherweise geben. Empört konfrontierte Petra Mike mit dem Betrugsvorwurf. Doch der reagierte sehr geschickt. Es gelang ihm sein Opfer zu überzeugen, dass der Portugiese seine Identität gestohlen habe.

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Heiratsschwindler der Nigeria Connection suchen mit gestohlenen Identitäten über soziale Netzwerke Kontakt zu alleinstehenden Frauen. Dabei geht es nur ums Geld. Foto: Ulrich Coenen

Wie eine Gehirnwäsche

„Es war wie eine Droge, ich war süchtig“, sagt sie heute. „Es fühlt sich im Nachhinein wie eine Gehirnwäsche an.“ Jetzt kamen im regelmäßigen Abstand Horrormeldungen von Mike mit der Bitte um Geld. Zunächst hatte eine Tochter Meningitis, aber leider funktionierte seine Kreditkarte nicht mehr, um die Klinik zu bezahlen. Mike weinte am Telefon. Petra, die als Krankenschwester um die drohende Gefahr wusste, überwies 2500 und zwei Tage später noch einmal 2000 Euro für die Behandlung, die dem Mädchen angeblich das Leben rettete. „Im Laufe von zweieinhalb Jahren habe ich insgesamt 9500 Euro auf diese Weise verloren“, sagt sie. Oft waren es nur Summen von wenigen zehn oder hundert Euro. Die Begründungen Mikes wurden immer abenteuerlicher. Zuletzt war die Ölpipeline explodiert, und dem Ingenieur drohte angeblich sogar Gefängnis. Er brauchte dringend Geld für einen Anwalt.

Heiratsschwindler erkennen

Auf Facebook, wo die Banden unter anderem ihr Unwesen treiben, gibt es eine Seite „Heiratsschwindler erkennen“, die Petras Sohn entdeckte. Über diese Seite lernte sie andere Opfer kennen, unter anderem eine Frau aus der Schweiz, die heute ihre beste Freundin ist. Nach der Explosion der Pipeline konnte sie Mike nicht mehr von seiner Aufrichtigkeit überzeugen.

Ermittlungen im Ausland sind schwer

Die Bühler Polizei, an die sich Petra in ihren Zweifeln im Laufe der Jahre mehrfach gewandt hatte und die sie ausdrücklich vor Mike gewarnt hatte, konnte ihr Geld nicht zurückholen. Ermittlungen gegen Straftäter in Zentralafrika sind unmöglich.

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