Jürgen Kohler hatte am Feiertag einen wichtigen Termin. Am Nachmittag loggte er sich in eine Konferenz der Kreisvorsitzenden des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) ein.
Sie ließen sich vom baden-württembergischen Landesvorsitzenden und dem Geschäftsführer über die Details der neuen Corona-Verordnung informieren. „90 Prozent der Kreisvorsitzenden waren dabei“, sagt der Bühler Vertreter.
Das sei selten – und es ist auch ein Zeichen dafür, wie sehnsüchtig mögliche Öffnungsschritte erwartet wurden.
Vorbereitungen im Hotel getroffen
Wenn der Inzidenzwert eines Landkreises an fünf Werktagen in Folge unter 100 liegt, dürfen Innen- und Außengastronomie unter einer Reihe von Hygieneauflagen wieder öffnen und Hotels auch touristische Gäste empfangen. „Wir freuen uns und sind voller Hoffnung“, sagt Renate Haag. Für die Senior-Chefin des Hotels am Froschbächel in Bühl sind die angekündigten Lockerungen ein Schritt in die richtige Richtung. Sieben Monate herrscht nun schon wieder der Lockdown.
Im Fall des Froschbächel bedeutete das Grundbetrieb mit kleineren Tagungen, Geschäftsreisenden und Essen auf den Zimmern. Insofern ist es kein Kaltstart, doch die vergangene Zeit mit ihren Ungewissheiten zehrte an den Nerven wie an den Rücklagen aller Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. Die Umsatzeinbußen liegen bei etwa 70 Prozent, erläutert Haag. Ihr Haus sieht sie gerüstet. „Wir haben überall Desinfektionsspender“, berichtet sie.
Die Gäste sind zurückhaltend und unsicher.Renate Haag, Senior-Chefin Froschbächel in Bühl
Und nicht nur das: Das Bündel an Maßnahmen reicht bis hin zu Luftreinigern und einer Fiebermess-Station. Die sich abzeichnenden Perspektiven seien wichtig, „Hotellerie, Gastronomie, der Einzelhandel, alle hängen ja mit dran“, so die Senior-Chefin. Und es sei auch ein Zeichen für die Mitarbeiter, die sich in Kurzarbeit befinden. Die Gastronomie hofft jetzt vor allem auf die Außenbewirtung, auf gutes Wetter, die Hotellerie auf Urlauber.
Von einem Ansturm auf die Zimmer sei aber noch nichts zu spüren. „Die Gäste sind zurückhaltend und unsicher.“ Sorgenfrei macht die jüngste Stuttgarter Entscheidung die Betriebe nicht, es sei schwierig, so Renate Haag, wenn die Inzidenz wieder steige, könne auch schnell wieder alles geschlossen sein.
Freude ja, Euphorie nein
„Es ist eine Perspektive. Die Freude ist da, aber keine Euphorie“: Auch im „Einsiedelhof“ in Kappelwindeck bereiten sich Inhaberin Gabriele Habich und ihr Team mit Hochdruck auf das mögliche Öffnungsszenario vor, bei Innen- wie Außengastronomie. Aber ein Restaurant fährt man nicht von jetzt auf gleich in den Vollbetrieb. Lebensmittel, vor allem Frischware, „sind ein Riesenthema“, so Habich.
Es gebe derzeit „sehr viele Fragezeichen“. Eines davon gilt dem Inzidenzwert: Wann bewegt er sich für fünf Tage unter 100? Und dann die Tatsache, dass der Ortenaukreis und Baden-Baden in Sachen Inzidenz aktuell besser aufgestellt sind – wie verhalten sich die Gäste, wenn dann auch die Betriebe im Landkreis Rastatt wieder öffnen dürfen?
Wie reagieren sie auf die Pflicht, ein Dokument vorzulegen, dass sie gerade negativ getestet oder geimpft sind, werden die kurzfristigen Selbsttests angenommen, wer kommt dafür auf?
Dass sich die Leute abwartend verhalten, zeigt ein weiteres Detail: Der „Einsiedelhof“ hat eine treue Klientel, die sich alljährlich zu Pfingsten einfindet. Dieses Mal sei alles ungewiss, so die Chefin. Die Stammgäste befänden sich in der Warteschleife und gäben sich in Sachen Buchung sehr verhalten. „Wir können uns einfach nicht entscheiden“, diesen Satz hat Habich immer wieder gehört.
Die Schnelltests sind ein Fortschritt.Gabriele Habich, „Einsiedelhof“ in Kappelwindeck
Dehoga-Kreisvorsitzender Jürgen Kohler ist mit Blick auf die Gastronomie vor allem wichtig, dass nicht nur die Außen-, sondern auch die Innenbewirtung erlaubt sein soll. Für die Hotels sei auch der mögliche zweite Öffnungsschritt von Bedeutung, da dann Wellness-Hotels wieder verschiedene Angebote machen könnten.
Allerdings sieht Kohler auch einige problematische Punkte. Dazu zählt er das Ende der Bewirtung schon um 21 Uhr. Und manches sei im Vergleich zum vergangenen Jahr eine Verschärfung: „Dass sich ein touristischer Hotelgast jeden dritten Tag testen lassen muss, hatten wir so nicht.“ Trotz aller Bedenken im Detail: „Das ist ein Fortschritt.“
Die Dehoga-Vertreter hätten gut verhandelt: „Ohne ihren Einsatz sähen wir alt aus.“