Vertreter des Gemeinderats, der Verwaltung und der Vereine bilden die mehr als 60 Teilnehmer große Delegation, die an diesem Donnerstag aus Ottersweier in die belgische Partnergemeinde Westerlo fährt. Der Anlass sind die Feiern zum 60-jährigen Bestehen der Partnerschaft, deren erster Teil bereits im vergangenen Jahr beim Besuch der Flamen in Baden stattgefunden hat.
Die Partnerschaft zwischen den beiden Gemeinden ist in mancherlei Hinsicht etwas Besonderes. Dazu zählt, dass Gemeindeverbindungen zwischen Deutschland und Belgien eher dünn gesät sind. Bundesweit sind etwa 135 zu finden. Zum Vergleich: Mit französischen Gemeinden haben sich mehr als 2.300 deutsche Kommunen verschwistert.
Die Partnerschaft zwischen Ottersweier und Westerlo ist auch die älteste ihrer Art in Baden-Württemberg, auf Bundesebene gehört die Partnerschaft zu den ersten zehn. Insgesamt sind solche Verbindungen im Südwesten an den Fingern zweier Hände abzuzählen. Ebenfalls belgische Partner haben die Städte Ettlingen (Middelkerke, seit 1971) und Oberkirch (Osterzeele, seit 1991).
Allerdings gibt es einen großen Unterschied: Oberkirch hat weitere Partnerstädte in Frankreich und Wales, Ettlingen in Frankreich, England und Italien (eine 1992 geschlossene Partnerschaft mit dem russischen Gatschina ruht). Für Ottersweier dagegen ist Westerlo die einzige Partnergemeinde im Ausland, im Inland gibt es zusätzlich die Verbindung mit dem sächsischen Krauschwitz.
Partnerstädte: Westerlo ist deutlich größer als Ottersweier
Dass Westerlo mehr als viermal so viele Einwohner zählt als Ottersweier, ist eine weitere Besonderheit dieser Partnerschaft. Das allerdings war nicht von Anfang so. Denn die Verbindung war Ottersweier 1962 mit der damals noch selbständigen Gemeinde Tongerlo eingegangen. 1971 ist im Zuge einer Kommunalreform ein Teil von Westerlo geworden (ein Jahr, bevor Ottersweier um Unzhurst gewachsen ist). Heute ist der Ort einer von inklusive Hauptort sieben Stadtteilen.
Welche Bedeutung haben deutsch-belgische Partnerschaften? Anruf bei der Deutschen Botschaft in Brüssel: Martin Kotthaus ist seit 2018 Botschafter in Brüssel. Der Jurist, der im Auswärtigen Amt in Berlin auch schon die Arbeitseinheit „Deutschlandbild im Ausland“ geleitet hat, hatte bereits Belgien-Erfahrung: Von 2006 bis 2011 war er Leiter Presse der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union.
„Belgien und Deutschland liegen inmitten von Europa, sind umgeben von Freunden, sind beste Partner und teilen viele gemeinsame Werte“, teilt Kotthaus auf die Frage mit, was den besonderen Wert deutsch-belgischer Städtepartnerschaften ausmacht. „Das war nicht immer so und ist angesichts der gemeinsamen Geschichte nicht selbstverständlich.“
Belgien und Deutschland teilen viele gemeinsame Werte.Martin Kotthaus Deutscher Botschafter in Belgien
Kotthaus erinnert daran, dass Deutschland den neutralen Nachbarn zweimal überfallen habe. „Tod, Zerstörung und Verfolgung waren die Konsequenzen. Im Ersten Weltkrieg wurde Belgien zu großen Teilen zerstört und auch tausende von Zivilisten fanden den Tod. Im Zweiten Weltkrieg wurde Belgien einmal mehr besetzt, über 25.000 jüdische Mitbürger wurden in das Konzentrationslager Auschwitz geschickt, nur wenige kamen von dort zurück.
Die Ardennenschlacht 1944/45 brachte einmal mehr den Krieg nach Belgien, als sich die Belgier bereits von Nazi-Deutschland befreit glaubten. Dennoch reichte uns Belgien gemeinsam mit Luxemburg, den Niederlanden, Frankreich und Italien 1951, nur sechs Jahre nach dem Ende des Kriegs, mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl die Hand. So legten die sechs Gründerstaaten das Fundament der europäischen Einigung.“
Belgien und Deutschland - heute ziemlich beste Freunde
Heute seien Belgien und Deutschland beste Freunde und arbeiteten in der EU und den Vereinten Nationen eng zusammen. Deutschland sei für Belgien Handelspartner Nummer 1 und Belgien für Deutschland an neunter Stelle.
„In der Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der damit einhergehenden Energieverknappung wurde Belgien binnen kürzester Zeit zum zweitwichtigsten Gaslieferanten für Deutschland über das LNG-Terminal in Seebrügge und sorgte so gemeinsam mit anderen dafür, dass in Deutschland weiter geheizt und produziert werden konnte. Jetzt bauen Belgien und Deutschland gemeinsam mit anderen Staaten an einer Zukunft mit grünem Wasserstoff und erneuerbarer Windenergie aus der Nordsee“, so der Botschafter. Perspektivisch sollen bis 2050 300 Gigawatt klimaneutraler Strom aus der Nordsee kommen, wie beim zweiten Nordseegipfel in Ostende im Mai dieses Jahres beschlossen wurde.
„Die enge Kooperation und Freundschaft wären ohne die Freundschaft zwischen den Menschen nicht vorstellbar“, urteilt Kotthaus. Städtepartnerschaften seien dabei ein wesentliches Element, „denn nichts ist besser geeignet, die Menschen in bekannter Umgebung miteinander vertraut zu machen, einander zu verstehen und auch miteinander zu feiern“.
Jede Städtepartnerschaft ist immer etwas Einzigartiges.Martin Kotthaus Deutscher Botschafter in Belgien
Er freue sich über jede funktionierende Städtepartnerschaft und wisse, „dass es oft einzelne, engagierte Bürger sind, die dahinterstehen, wofür wir ihnen alle dankbar sind. Dabei ist jede Städtepartnerschaft immer etwas Besonderes und Einzigartiges. Manchmal sind es gemeinsame Sportbegegnungen, Austauschprogramme von Schulen oder Vereinen, manchmal gemeinsame Jugendprojekte oder Geschichtsthemen getragen von bürgerlichem Engagement im europäischen Geiste.“
In Zeiten von globalem Tourismus litten Städtepartnerschaften oft unter einer Überalterung der aktiven Teilnehmer. „Die Menschen vergessen, wie wichtig es war und welch Geschenk es ist, einander zu Hause als Freunde zu begegnen und sich zu treffen – weil sie es gar nicht anders kennen, was ja per se sehr zu begrüßen ist. Wenn es die Städtepartnerschaft Westerlo-Ottersweier schafft, die Begeisterung für das gutnachbarschaftliche Miteinander in die nächste Generation zu tragen, wäre das ein ganz großer Erfolg.“