Ohne Zwischenfälle verlief auch die dritte Demonstration der „Querdenker“ entlang der Ottersweierer Hauptstraße am Sonntagnachmittag. Nur beim Eintreffen des Protestzugs in der Dorfmitte, wo das Bündnis „Ottersweier gegen rechts“ zur Gegenkundgebung aufgerufen hatte, gab es Lärm etwa durch Rasseln und Tröten.
Einige Anwesende auf dem Kirchplatz skandierten „Masken auf“. Laut Polizeiangaben demonstrierten auf Seiten der Querdenker rund 190 Personen. Die Gegen-Kundgebung besuchten um die 70, wie eine Ordnungsbeamtin schätzte.
Im Fokus der Gegenveranstaltung in der Dorfmitte, an der erneut auch die „Omas gegen rechts“ aus Kandel teilnahmen, stand die Frage, ob es mehr Sinn macht, sich öffentlich gegen die Querdenker (an diesem Tag häufig auch als „Schnee-Demo“ oder „Spaziergang“ definiert) zu positionieren oder sie zu ignorieren.
Gegendemonstranten fordern Distanzierung von Rechtsextremen
Einhellig sprachen sich die Redner dafür aus, „Flagge zu zeigen“. Wie Ben Decker von der „Solidarity Ortenau“ es unter Verweis auf die Weimarer Republik formulieren sollte: „Wir haben gesehen, was passiert, wenn zu viele wegschauen.“
Zunächst sprach die Psychologin Anke Hofmann aus Sasbach, die ebenfalls befand: „Es darf nicht geschwiegen werden.“ Sie forderte die Demonstranten auf, sich von rechtsextremen Handlungen und Haltungen zu distanzieren und diesen keine Bühne zu geben. „Mir fehlt eine klare Abgrenzung gegen rechts.“
Wir müssen gegen Intoleranz aufstehen.Thomas Gönner, Grünen-Stadtrat in Baden-Baden
Der Schüler Theo Kaufmann kritisierte, dass bei den Querdenkern gerade auf Telegram „Meinungen als Fakten dargestellt werden“. Menschen würden manipuliert. Der Organisator der Demo nutze ihre Ängste aus, um Aufmerksamkeit für sich und seine Ideologien zu generieren. Den wenigsten Querdenkern könne man den Vorwurf machen, Nazis zu sein, doch: „Sie sind blind vor Angst und schließen sich Rechtsradikalen an.“
Thomas Gönner, Grünen-Stadtrat in Baden-Baden, betonte, hier werde nicht gegen eine einfache Meinung protestiert. „Wir sprechen von einem Neonazi mit einer absoluten Weltsicht, in der eben keine Toleranz gegenüber anderen existiert.“ Die einfache Antwort auf die Frage, ob Gegenprotest verzichtbar sei, laute: „Wir müssen gegen Intoleranz aufstehen.“
Gewinne die Intoleranz auch nur ein einziges Mal, vernichte sie die Toleranz und damit die Demokratie. „Genau deshalb werden wir jeden Sonntag hier stehen, bis auch Herr Kurz wieder aufgibt.“
Querdenker ziehen gelassen am Kirchplatz vorbei
Schülerin Melanie Müßig kritisierte, die „Führungsebene“ der „Schnee-Demos“ stelle sich in der Opferrolle dar. Gemeint seien mit „Opfern“ also nicht etwa Flüchtlinge oder jene Menschen, die an Corona starben. Müßig rief daher zu einer Schweigeminute „für alle Opfer“ auf. Sie appellierte an die Demonstranten: „Macht die Augen auf, startet euer eigenes konstruktives Gespräch. Mit Populisten wie Marco Kurz geht ein solches nämlich nicht.“
Wer mit so jemandem marschiert, steht nicht für eine demokratische Gesellschaft.Ben Decker, Gegendemonstrant
Ben Decker räumte Fehler etwa beim Impfprozess ein, auch erhielten Selbständige zu wenig staatliche Unterstützung. Vor Kurz warnte hingegen auch er: „Wer mit so jemandem marschiert, steht nicht für eine demokratische Gesellschaft.“
Ernst Böttler aus Ottersweier sagte, er sei als Ingenieur gewohnt, Probleme von verschiedenen Seiten zu betrachten und auch quer zu denken. „Die heutigen Querdenker jedoch tun etwas anderes. Sie verunglimpfen und verbreiten Lügen.“
Der Polizei vor Ort dankte er für ihren Einsatz: „Die Beamten tun ihren Dienst, um die Freiheit zu schützen, die auch immer die Freiheit der Andersdenkenden ist.“
Die Demonstranten, darunter auch junge Familien, zogen insgesamt gelassen am Kirchplatz vorbei. Eine Seniorin stellte sich einige Minuten mit einer erhobenen Kerze vor die Teilnehmer der Gegen-Kundgebung. Auf beiden Seiten wurden die „Gegner“ teils gefilmt und fotografiert. Zu Eskalationen kam es nicht.