Es ist mehr als Liebhaberei. Es geht um Familientradition. Das Fachwerkhaus in Ottersweierer Ortsteil Haft mit der Hausnummer 43 ist als Uhrmacherhaus bekannt. 2013 hat Bettina Kist das denkmalgeschützte Anwesen von ihrer entfernten Tante Klara Ebert (geborene Kopf) geerbt.
Das kam ein wenig überraschend, denn das Ehepaar Bettina und Klaus Kist hatte wenige Jahre vorher unmittelbar neben dem Haus der Mutter von Bettina in Ottersweier ein Einfamilienhaus für sich und die drei Kinder gebaut.
Nun war Bettina Kist plötzlich Eigentümerin eines seit vielen Jahren vernachlässigten Baudenkmals. Andere hätten versucht, diese Immobilie so rasch wie möglich los zu werden. Das kam für das Ehepaar Kist nicht in Frage. Aus gutem Grund!
Initialen der Bauherren über dem Eingang
Das Wohnhaus ist inschriftlich im Türsturz in das Jahr 1835 datiert. Daneben finden sich die Initialen SR und RW. Die stehen für Sebastian Kopf und Regina Wahnsiedel als Bauherren. „Ich bin die Ururur-Enkelin dieses Ehepaares“, sagt Bettina Kist. „Meine Oma ist übrigens in diesem Haus aufgewachsen.“
Haus und Hof wurden als landwirtschaftlicher Hof erbaut, 1890 kam die Uhrmacherwerkstatt hinzu. Von der zeugt heute noch eine Uhr im Giebel. „Früher hat es mittags geläutet“, berichtet Bettina Kist. „Leider wurde die mechanische Uhr in den 1970er Jahren durch eine digitaltechnisch gesteuerte Uhr ersetzt.“ Die bleibt stumm.
Familie Kist räumt ein Jahr lang nur aus
Ein Jahr lang hat das Ehepaar Kist Wohnhaus und Scheune ausgeräumt. „Wir haben jedes Stück in die Hand genommen, schließlich steckte in vielen dieser Dinge die Geschichte dieser Familie“, erklärt Bettina Kist. 2015 begann die aufwendige Sanierung, überwiegend in Eigenleistung.
Wäre Klaus Kist nicht gelernter Installateur und Wassermeister der Gemeinde Bühlertal, wäre das Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen. Der erfahrene Handwerker hat nicht einfach nur restauriert, er hat viele innovative Ideen entwickelt und in seine Arbeit einfließen lassen.
Das Anwesen Haft 43 ist eine Hofanlage, wie es sie in den vergangenen Jahrhunderten in der Rheinebene viele gegeben hat. Inzwischen sind die meisten dieser ursprünglichen Haustypen verschwunden und durch oft gesichtslose Neubauten ersetzt. Das zweigeschossige Wohnhaus über hohem Sockelgeschoss in Haft hat ein massives Erdgeschoss aus Sandstein und ein Obergeschoss und einen Giebel aus Fachwerk.
Das Wohnhaus trägt ein sogenanntes Krüppelwalmdach. Die Abwalmung an der Giebelseite ist also nicht vollständig. Es gibt nur einen kleinen Schopf. Prägnant sind die drei Wetterdächer an der Giebelseite, die die eigentliche Schauseite des Gebäudes ist.
Bereits seit 1981 ein Denkmal
Wohnhaus und Scheune haben bereits seit 1981 Denkmalstatus. Die Scheune schließt, wie bei solchen Winkelhakenhöfen üblich, im rechten Winkel an das Wohnhaus an. Den baufälligen Verbindungstrakt hat das Ehepaar Kist inzwischen abgerissen und das Wohngebäude freigestellt.
Ein wenig überraschend wird das Wohnhaus in der Denkmalliste des Landesamtes für Denkmalpflege als barock und als gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden beschrieben.
Die bereits erwähnte Datierung im Türsturz spricht allerdings für einen Baubeginn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder zumindest für eine grundlegende Umgestaltung. Die Scheune und die weiteren kleineren Ökonomiegebäude aus Backstein stammen aus dem 19. Jahrhundert.
Nach dem Ausräumen der Gebäude machte sich die Familie Kist zunächst an die Außenrestaurierung. Das Dach des Wohnhauses erhielt eine neue Biberschwanzdeckung. Die Holzsprossenfenster und die Haustür wurden nach originalen Vorbildern ebenfalls erneuert. Klaus Kist legte das komplette Fachwerk frei und baute es neu auf.
Bauherr verlegt 1,5 Kilometer Heizungsleitungen
Sein Meisterstück legte der Installateur bei der Innensanierung ab. Er wagte sich an die schwierige Innendämmung des Wohnhauses und verwendete dafür Holzfaserdämmplatten. Eine Innendämmung ist bauphysikalisch problematisch. Falsch ausgeführt führt sie zu Schimmel. Klaus Kist hat in die Holzfaserdämmplatten eine Wandheizung eingebaut. Mühsam hat er in die Platten schmale Kanäle geschnitzt und insgesamt 1,5 Kilometer Leitungen für die Heizung verlegt. In der Scheune ist eine Einliegerwohnung entstanden.
Es gibt immer noch viel zu tun. Hinter der Scheune erhebt sich ein kleines Ökonomiegebäude mit einer nicht mehr funktionsfähigen Mühle am Ottersweierer Dorfbach. Mit der wurde nicht nur Getreide gemahlen, sondern auch elektrischer Strom erzeugt. Der erste in Haft übrigens.
Die technischen Einrichtungen hat Alois Kopf, ein findiges Mitglied der Familie Kopf, eingebaut, das an der späteren Fachhochschule Karlsruhe zum Ingenieur ausgebildet wurde. Das Uhrmacherhaus erzählt also nicht nur ein Stück Familiengeschichte, sondern auch Dorfgeschichte.
Im Landesamt für Denkmalpflege ist man hochzufrieden. „Aus den uns vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass die Arbeiten in denkmalfachlicher Weise verträglich durchgeführt wurden und die Bauherrschaft durchaus für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossen ist“, berichtet Pressereferentin Julia Kässer.
Im Inneren des Wohnhauses sind noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen. Für das Ehepaar Kist und seine Kinder ist aber klar, dass sie in ihr Baudenkmal nach Haft umziehen wollen.
Tag des offenen Denkmals
„Ich hoffe, unser Engagement macht anderen Mut“, sagt Bettina Kist. „Es werden immer noch viel zu viele alte Häuser abgerissen.“ Deshalb will sich die Familie Kist in diesem Jahr am Tag des offenen Denkmals beteiligen. Der findet seit 1993 immer am zweiten Sonntag im September statt, in diesem Jahr also am 13. September.
Dann werden Bettina und Klaus Kist ihr Haus zwischen 14 und 18 Uhr für Besucher öffnen. Der Aktionstag findet unter der Schirmherrschaft des Historischen Bürgervereins Ottersweier statt. Die Grünen Jäger Neusatz, bei denen Klaus Kist Posaune spielt, werden die Gäste unterhalten. „Wir arbeiten wegen der Corona-Pandemie aktuell an einem Hygienekonzept, das wir noch mit der Gemeinde abstimmen müssen“, berichtet Klaus Kist.