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Situation dennoch schwierig

Physiotherapeuten in Bühl sind vom zweiten Lockdown weniger stark getroffen

Beim ersten Lockdown im Frühjahr haben die Physiotherapeuten Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent hinnehmen müssen. Dieses Mal sieht es besser aus. Probleme gibt es trotzdem.

Physiotherapie
Hygiene ist wichtig: Gabriele Lieb und Markus Walter desinfizieren nach jeder Behandlung in ihrer Praxis die Behandlungsbänke. Masken sind obligatorisch. Foto: Ulrich Coenen

„Sie sind mit Abstand der tollste Patient“, steht in großen Buchstaben auf der Tür der Praxis. Die Physiotherapeuten haben nach dem neuen Lockdown allen Grund, um ihre Patienten zu werben und sie zu loben. Beim ersten Lockdown im Frühjahr mussten sie katastrophale Umsatzeinbußen hinnehmen. „Teilweise bis zu 50 Prozent“, berichtet der Bühler Physiotherapeut Markus Walter. „Damals war es eine Unklarheit in der Ausdrucksweise der Verordnung. Weil Massagen nicht mehr erlaubt waren, meinten viele, dass auch Physiotherapie nicht mehr stattfinden darf.“

Das Problem ist altbekannt. Viele Leute differenzieren nicht zwischen Massagen und Physiotherapie, obwohl der Unterschied gewaltig ist. „Beim zweiten Lockdown wird nun explizit betont, dass Physiotherapie systemrelevant ist“, freut sich Walter. „Und jetzt läuft es erstaunlich gut.“

Die meisten Patienten kommen weiterhin zu den Behandlungen
Hannah Krappmann, Vorstand des baden-württembergischen Landesverbandes für Physiotherapie

Das ist nicht nur in der Praxis von Markus Walter und Gabriele Lieb mit ihren insgesamt sechs Mitarbeitern in Bühl, sondern landesweit so. Die bestätigt Hannah Krappmann, Vorstand des baden-württembergischen Landesverbandes für Physiotherapie. „Die meisten Patienten kommen weiterhin zu den Behandlungen, weil die Therapie sehr wichtig ist“, berichtet sie. „Die Situation der Kollegen ist allerdings sehr individuell. Vereinzelt gibt es Probleme. Vor allem für kleine Praxen ist es schwer, wenn plötzlich Patienten ihre Termine absagen.“

Krappmann stellt fest, dass die Praxen sehr hohe Hygienestandards haben. „Die Patienten fühlen sich deshalb sicher“, sagt sie. Erfreulich sei auch, dass ihre Kollegen aktuell keine Schwierigkeiten hätten, die notwendigen Schutzmaßnahmen auch umzusetzen. „Das war im Frühjahr anders“, erinnert sie. „Da hatten wir Probleme, überhaupt an Hygieneartikel heranzukommen.“

Hygieneartikel schlagen aufs Budget

Anlass für Kritik gibt es für Krappmann trotzdem. „Wir bedauern, dass wir nicht in die regelmäßigen Coronatests, wie sie in Kliniken stattfinden, einbezogen werden“, sagt sie. „Wir arbeiten sehr nahe am Patienten. Da wäre dies sinnvoll.“

Die Preise für Hygieneartikel sind gestiegen
Markus Walter, Physiotherapeut aus Bühl

Auch Markus Walter sieht in dieser Hinsicht Nachbesserungsbedarf. Pro Rezept (in der Regel sechs Behandlungen) erhalten die Physiotherapeuten aktuell eine Hygienepauschale von 1,50 Euro. „Die Preise für Hygieneartikel sind gestiegen“, betont Walter. „Außerdem ist der Aufwand erheblich. Zurzeit arbeiten immer noch drei Therapeuten in unserer Praxis gleichzeitig. Wir lüften nach jeder Behandlung und desinfizieren Bänke und Türgriffe.“

Bei der Arbeit direkt am Patienten kommen anstatt der normalen OP-Masken die sicheren und teureren FFP2-Masken zum Einsatz. „Wir können nicht nur Übungen mit den Patienten machen, sondern müssen beispielsweise auch eine Wirbelsäule mobilisieren“, stellt Markus Walter fest.

Gabriele Lieb ist außerdem nicht sicher, ob die gute Auslastung der Praxen in diesem Winter Bestand haben wird. „Die planbaren Operationen in den Kliniken werden wegen der Pandemie bereits zurückgefahren“, stellt sie fest. „Das trifft uns in acht bis zehn Wochen.“ Im Frühjahr musste sie zwei ihrer Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit schicken. Lieb und Walter hoffen, dass sie das dieses Mal vermeiden können.

Einschränkungen gibt es aber auch jetzt schon. „Gruppentherapiesitzungen haben wir ausnahmslos abgesagt“, berichtet Markus Walter. „Überhaupt ist der gesamte Bereich der Prophylaxe, also alle Behandlungen ohne Rezept, aktuell schwierig. Aber alles, was im Rahmen der medizinischen Notwendigkeit vom Arzt verordnet wird, können wir weiterhin anbieten.“

Homeoffice belastet Rücken und Nacken

Offiziell ist allerdings auch Gruppenarbeit möglich, obwohl dies wegen der Abstandsregeln in vielen Praxen nicht umsetzbar ist. „Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat unserem Verband gerade mitgeteilt, dass Präventionsangebote möglich sind, wenn sie aus physiotherapeutischer Sicht notwendig sind“, berichtet Hannah Krappmann. „Allerdings müssen die gelten Hygienestandards eingehalten werden.“

Die Patienten verhalten sich nach Markus Walters Auskunft fast ohne Ausnahme vorbildlich und stellen die Hygieneregeln nicht in Frage. „Es gibt keine Maskenverweigerer“, sagt er. Gabriele Lieb hat inzwischen beobachtet, dass das sogenannte Homeoffice Auswirkungen auf ihre Patenten hat. Die Arbeit am Küchentisch ist nicht gesund. Weil der Arbeitsplatz daheim nur allzu oft nicht den Anforderungen entspricht, hören die Physiotherapeuten vermehrt Klagen. „Die Patienten entwickeln Nacken- und Rückenprobleme“, sagt Lieb.

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