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Stadt Bühl macht Tempo

Preiswerter Wohnraum kontra Klimakrise

Wohnraum in Bühl ist teuer und knapp. Das beschleunigte beziehungsweise vereinfachte Verfahren für Bebauungspläne nach Paragraf 13 a und b des Baugesetzbuches ist bei allen Kommunen, die sich in dieser Situation befinden, deshalb beliebt. Bei der Gemeinderatssitzung im Bühler Friedrichsbau standen gleich vier Bebauungspläne dieser Art auf der Tagesordnung, die allesamt verabschiedet wurden. Doch es gab auch Kritik aus ökologischen Gründen.

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Der Bebauungsplan Niederfeld erstreckt sich zwischen Hauptstraße und Windeck-Gymnasium. In diesem Bereich soll die Kernstadt nachverdichtet werden. Das Foto zeigt da sGrundstück des bereits abgerissenen Schappeler-Bungalows. Foto: Ulrich Coenen

Bei der Gemeinderatssitzung standen vier Bebauungspläne dieser Art auf der Tagesordnung, die allesamt verabschiedet wurden. Die Stadt drückt also mächtig aufs Tempo.

Das veranlasste Karl Ehinger, den Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler, zu mahnenden Worten. Er wies darauf hin, dass die Belange des Umweltschutzes bei beschleunigten Verfahren nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt würden. Vom Grundsatz her sehe er dies deshalb mit Skepsis. Die Stadt Konstanz habe bekanntlich den Klimanotstand erklärt. Bühl beschreite einen konträren Weg. „Das kann so nicht weitergehen“, meinte Ehinger. Er forderte, das Thema Klimanotstand auch in Bühl auf die Tagesordnung zu setzen.

Allgemeine Zustimmung

Ehingers Hinweis wurde weder von OB Hubert Schnurr, noch von den anderen Fraktionen im Gemeinderat bei dieser letzten Sitzung vor der Kommunalwahl am 26. Mai aufgegriffen. Stattdessen wurde der „Bebaungsplan der Innenentwicklung zur 3. Änderung und Ergänzung Niederfeld“ allgemein begrüßt und einstimmig verabschiedet. Dieser Bebauungsplan im Bereich der südlichen Innenstadt betrifft ein bereits erschlossenes Gebiet, das sich zwischen Hauptstraße und Windeck-Gymnasium erstreckt. In diesem Gebiet befand sich unter anderem der inzwischen abgerissene Schappeler-Bungalow.

Bürger warnen vor Nachverdichtung

Nachdem der Gemeinderat am 12. Dezember den Bebauungsplanentwurf gebilligt hat, wurden (wie gesetzlich vorgeschrieben) Öffentlichkeit und Fachbehörden beteiligt. OB Schnurr berichtete „von vier privaten Stellungnahmen, die vor einer extremen Nachverdichtung warnen“. Margret Burget-Behm (CDU) konstatierte, dass Nachverdichtung im Innenbereich immer ein Problem sei. „In diesen Fällen stoßen diametral entgegengesetzte Interessen aufeinander“, meinte sie. Burget-Behm setzte auf ein sozial gemischtes Wohngebiet für Familien mit Kindern. „Die öffentliche Infrastruktur wird ausgelastet, das gibt eine Stadt der kurzen Wege“, sagte sie. Auch Ehinger sprach in diesem Fall von einem „optimalen Wohngebiet“, bei dem die Bürgerwünsche weitgehend berücksichtigt worden seien.

Ringen um Kompromisse

„Demokratie ist ein ständiges Ringen um Kompromisse“, stellte Pit Hirn (SPD) fest. „Wir haben uns für die Nachverdichtung entschieden. An der Reaktion der Anwohner haben wir gemerkt, dass das nicht vergnügungssteuerpflichtig ist.“

Bedarf an Wohnraum ist groß

Thomas Wäldele (GAL) konstatierte, dass die „Nachverdichtung nicht zu umgehen“ sei. Es bestehe ein großer Bedarf an Wohnraum. „Wir müssen alle Freiflächen untersuchen“, forderte er. Im Gebiet Niederfeld mahnte er eine „große Vielfalt mit kleinen und großen Wohnungen und einen Mix mit unterschiedlichen sozialen Schichten“ an. Im Hinblick auf die Reduzierung der Gebäudehöhe im Bereich der Lessingstraße von den zunächst angedachten drei auf nur noch zwei Vollgeschosse (auf Wunsch der Anwohner) könne man geteilter Meinung sein. Lutz Jäckel (FDP) betonte, dass diese zunächst geplante Aufstockung die gesamte Problematik der Nachverdichtung deutlich zeige. „Das wollen die Bürger nicht und zwingen kann sie niemand“, meinte Jäckel. „Dennoch wäre das dritte Stockwerk gut gewesen.“ Patric Kohler (CDU) sprach von einer „guten Form der Bürgerbeteiligung“: „Kontroverse Diskussionen gehören dazu.“

Für viele ein Reizwort

Nachverdichtung in der Kernstadt und in den Stadtteilen ist für viele Bürger ein Reizwort, das regelmäßig zu kontroversen Diskussionen führt und mitunter sogar vor dem Verwaltungsgericht endet. Im Fall des Bebauungsplans Niederfeld hat die Stadt auf Druck der Bürger nicht nur die Aufstockung von Gebäuden in der Lessingstraße von drei auf zwei Vollgeschosse reduziert. Auch an der Stelle des inzwischen abgerissenen Schappeler-Bungalows in der Hauptstraße wird ein Mehrfamilienhaus mit „nur“ noch drei statt der ursprünglich angedachten vier Vollgeschosse (in jedem Fall plus Penthouse) entstehen.

Ökologisch sinnvoll

OB Hubert Schnurr betonte auf Nachfrage dieser Zeitung, dass Nachverdichtung ökologisch in jedem Fall sinnvoll sei, statt alternativ neue Flächen im Außenbereich in Anspruch zu nehmen. Er nannte Beispiele für eine sinnvolle Nachverdichtung, beispielsweise eine einseitig bebaute Straße komplett zu bebauen. „Da macht es Sinn“, meinte er. Aufstockungen wie in der Lessingstraße scheitern nach seiner Ansicht nicht nur, weil Bürger Nachverdichtungen grundsätzlich ablehnten, sondern auch, weil die Änderung des Bebauungsplans für die Eigentümer der Bestandsgebäude mit einer Nachzahlung bei den Abwassergebühren verbunden sei.

Große Gärten

Innerhalb des Bebauungsplans Niederfeld ist allerdings auch eine Nachverdichtung in den teilweise sehr großen Gärten möglich. „Wenn die Eigentümer das wünschen“, betonte Schnurr.

Beschleunigt und vereinfacht

Das von Karl Ehinger (FW) kritisierte beschleunigte beziehungsweise vereinfachte Verfahren für Bebauungspläne nach Paragraf 13 a und b des Baugesetzbuches sieht der Stadtplaner Schnurr als ein „hervorragendes Mittel, das Zeit spart“. Es gehe dabei um bereits erschlossene Flächen, nicht um Freiflächen. Ökologische Nachteile vermag Schnurr deshalb nicht zu erkennen.

Gesetzgeber gibt neue Möglichkeit

Das sieht der Gesetzgeber offensichtlich ebenso. Schnurr wies darauf hin, dass die Kommunen seit dem 13. Mai 2017 die Möglichkeit haben, Bebauungspläne im beschleunigten Verfahren für den Außenbereich aufzustellen. Die Novelle des Baugesetzbuches habe damals einen neuen Paragrafen 13 b eingeführt und die bereits bestehenden Möglichkeiten nach Paragraf 13 a, die nur den Innenbereich betrafen, bewusst ausgedehnt.

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