
Der Autor und Journalist Anton Ottmann aus dem Rhein-Neckar-Kreis fühlt sich an die eigene Kindheit erinnert. Die Berichte über Verschickungskinder, die in den 50er Jahren in Kinderheimen, unter anderem im Schwarzwald, untergebracht waren, lassen zwei eigene Aufenthalte in den Jahren 1953 und 1954 wieder aufleben.
Nach einer Tuberkulose-Erkrankung wurde er zur „Erholung“ ins Kinderkurheim Nickersberg in der Nähe von Hundseck und auf Ottersweierer Gemarkung gebracht. Als Privatpatient und aus der Region Heidelberg war er eine Ausnahme, alle anderen waren Verschickungskinder aus Berlin.
„Meine eigenen Erinnerungen sind ähnlich traumatisch wie die in den veröffentlichten Berichten: Lieblose Betreuerinnen, die mit den Kindern Gewaltmärsche durch den Wald unternahmen, Post zensierten und sie liebend gerne kalt duschten. Sie lernten den Kindern Soldatenlieder und zwangen sie zum Essen, selbst wenn sich ein Kind vor einer Speise ekelte“, berichtet Ottmann.
In dem ganzen Heim gab es bei geschätzt 80 Kindern nur zwei Toiletten.Anton Ottmann, ehemaliges Verschickungskind
„In dem ganzen Heim gab es bei geschätzt 80 Kindern nur zwei Toiletten, die nicht abschließbar waren und die man nachts nicht aufsuchen konnte, weil die Schlaftrakte abgeschlossen waren.“ Der angebliche Arzt, der das Heim leitete, habe sich inzwischen als „praktizierender Psychologe“ ohne medizinische Qualifikation herausgestellt.
Geschichte des Kinderheims
Laut der Landeskunde Baden-Württemberg wurde das Heim von 1950 bis 1963 als Kinderheim betrieben, nachdem es zuvor als Erholungs- und Ferienheim für Kinder französischer Besatzungssoldaten gedient hatte. Gebaut worden war es laut einer Akte im Freiburger Staatsarchiv „in den Wirren vor dem letzten Kriege von einer Offiziersvereinigung“, die in Darmstadt zuhause war. Vor der Nutzung als Kinderkurheim hatte es verschiedene Interessenten gegeben, etwa den Caritasverband, der sich aber wieder zurückzog.
Der „Führer durch das Hornisgrindegebiet“ beschrieb das Haus in den 1950er Jahren so: „Ein schmuckes Kinderheim in heilklimatisch begünstigter Lage, das in den Tannenwaldrücken des Nickersberges windgeschützt eingebettet liegt. Freier Blick in ein Waldtal, das zur Gertelbach führt. Höhenblick zur Badener Höhe und zum Mehliskopf. In 5 Autominuten Anschluß an die Schwarzwaldhochstraße. Und doch durch seine tiefe Waldeinsamkeit als Kurheim für erholungsbedürftige junge Gäste ideal gelegen. Sehr sonnig und nebelfrei.“
1963 erwarb die Katholische Gesamtkirchengemeinde Karlsruhe das Haus und baute es um. Heute wird das Haus für Ferienfreizeiten oder Hüttenwochenenden genutzt.
Recherchen und Suche nach Zeitzeugen
Ottmann möchte nun den damaligen Zuständen auf den Grund gehen und auch über das Personal recherchieren. Die Ergebnisse sollen veröffentlicht werden. Die Aktenlage ist offenbar dünn. Weder seien Heimkinderakten noch eine Aufsichtsakte des Landesjugendamts vorhanden, informiert die Landeskunde Baden-Württemberg.
Laut Ottmann gibt es allerdings im Generallandesarchiv Karlsruhe Akten über behördliche Besichtigungen. Er sucht nun nach Zeitzeugen, Kindern, die im Kinderkurheim Nickersberg untergebracht wurden, Beschäftigte, aber auch Menschen, denen über die Zustände im Heim berichtet worden ist. Auch Fotos seien willkommen.
Kontakt
Anton Ottmann, Telefon (06222) 70501, E-Mail: anton.ottmann@gmx.de oder redaktion.buehl@bnn.de