
Einen großen Kräuterbüschel trägt Dagmar Gassenschmidt mit sich, als sie mit Andrea Renz und Ulrike Hoyer die Wiesen auslotet, auf denen die Frauen in Kürze Kräuterblumen pflücken wollen, um diese später zu Sträußchen zusammenzubinden. Die Kräuterbüschel spielen am Sonntag beim Gottesdienst an der Vormberger Mariengrotte eine bedeutende Rolle, denn diese werden gesegnet.
Die drei Frauen gehören zum Vorstandsteam der katholischen Frauengemeinschaft (kfd), und seit mehr als 25 Jahren lässt die Frauengemeinschaft diesen alten Brauch, Kräuterbüsche in der Woche von Mariä Himmelfahrt zu binden, aufleben.
Kräuter sollen ihre größte Heilkraft von Mitte August bis Mitte September haben
Allgemeinhin wird den Wiesenkräutern in der Zeit zwischen dem 15. August und 15. September die größte Heilkraft nachgesagt. Deswegen ist es bei den Katholiken eine alte Tradition zum Mariä-Himmelfahrtstag, die gesammelten Kräuter segnen zu lassen.
„Ich habe viel von Elisabeth Vollmer über die Kräuter gelernt“, erzählt Andrea Renz im Gespräch. Die vor einigen Jahren gestorbene Sinzheimerin galt in der Stabsgemeinde als unangefochtene Autorität in Sachen Kräuterwissen.
Beim Blick auf die Wiese erkennen die kfd-Frauen sofort die „Blutströpfle“, deren dunkelrote, hängende Blüte auf einem langen Stängel sitzen. „Das hier ist Mädesüß, ein Aspirinmittel“, verrät derweil Ulrike Hoyer und zeigt auf das Kraut. Besonders prominent recken die roten Blüten des Amaranth empor, Dagmar Gassenschmidt pflückt gleich ein paar Exemplare. Andrea Renz weiß, dass die Samenkörner getrocknet und wie Popcorn zubereitet, sich bestens für das Müsli eignen.
Am Freitagnachmittag ist es dann so weit, zehn Helferinnen begeben sich auf die Wiesen bei Schiftung und in der Ebenung. Dort hat Mechthild Huber bereits Wiesen mit verschiedenen Kräutern entdeckt. Immer zu zweit strömen die Frauen aus, um rund ein Dutzend verschiedene Kräuter zu pflücken.
Die Frauen kennen sich gut mit den Kräutern aus
Vorsichtig werden diese gepflückt und auf ein feuchtes Tuch in einen Korb gelegt. „So bleiben die Kräuter länger frisch“, verrät Andrea Renz. Hier Melissenkraut, dort Minze sowie die dunkelblauen Josefköpfle und an anderer Stelle Blutsweiderich – jede der Frauen kennt die Kräuter aus dem Effeff.
Nach rund drei Stunden haben die Frauen Körbe voller Kräuter gesammelt. Nun gilt es, diese bis zum nächsten Tag so zu lagern, dass sie frisch bleiben. Mittlerweile haben einige Helferinnen große Kübel von der Tiefenau ins Pfarrzentrum geschafft und mit Wasser befüllt. „Im Keller ist es kühl“, sagt Dagmar Gassenschmidt.
Mehrere Stunden lang werden die Kräuter gebunden
Mindestens noch einmal drei Stunden sind dann für den Samstagnachmittag geplant, wenn die Sträuße in akribischer Arbeit gebunden werden müssen. Berge von Wiesenkräutern liegen je nach Art geordnet auf den Tischen. Ein angenehmer, frischer Kräuterduft umwölkt die Damen.
Jetzt kommt Barbara Vogels Demo-Strauß zum Einsatz. Dieser gibt den Frauen eine grobe Vorstellung, wie ein Sträußchen aussehen könnte.
Viele flinke Hände arbeiten jedes Jahr rasch die verschiedenen Wiesenkräuter zu kleinen Sträußchen zusammen. Die Frauen arbeiten einander zu: Zwei, drei Blüten „Blutströpfle“, ein stützender Zweig Rosmarin, dazu „Blutweiderich“, Beifuß, eine Ringelblume und so weiter. Zwischendurch ist immer wieder ein „Hatschi“ zu hören. Der Kräuterduft kitzelt in der Nase.

Am Ende des Arbeitsgangs folgt stets ein prüfender Blick. Ein schnelles „Schnipp, schnapp“ mit der Schere kürzt das Büschel fachgerecht und die Kräuter werden mit einem Bändchen zusammengebunden, so dass die Blütenpracht des Kräutersträußchen geradezu strotzt.
Die fertigen Sträuße verstaut Andrea Renz bis zum nächsten Tag in mit Wasser gefüllte Kübel. Am Sonntagmorgen werden sie sowie ihre beiden Vorstandskolleginnen die Kübel mit den mehreren Hundert Wiesenkräutersträußchen an die Vormberger Mariengrotte fahren, damit die Besucher diese kaufen und anschließend bei der Messe segnen lassen können.
Der Gottesdienst an der Vormberger Grotte beginnt am Sonntag um 10.30 Uhr. Bei schlechtem Wetter findet der Gottesdienst in der katholischen Pfarrkirche St. Martin statt.