Förderunterricht in den Ferien, das mögen Lehrer und Eltern gutheißen. Doch wie finden es die Kinder? „Es hat so viel Spaß gemacht“, schwärmt Lennard in der Grundschule in Kartung.
Er hat dort in den Pfingstferien an dem Programm „Lernen mit Rückenwind“ teilgenommen. Das heißt: Schule statt Schwimmbad, Aufstehen statt Ausschlafen. Da kann man Lennards Urteil zunächst kaum glauben. „Am Anfang wollte ich eigentlich nicht hin“, gesteht er dann doch ein. Aber nach dem ersten Tag war klar: „Das ist super!“ Seine Mutter Michaela Nadj war ohnehin überrascht: „Ich hatte mit mehr Gegenwehr gerechnet.“
Luca, der auch am Programm teilgenommen hat, hofft sogar, dass das Programm wieder stattfindet: „Dann mache ich wieder mit.“ Diese Hoffnung muss Schulleiterin Sabine Steimel leider gleich zerstören, denn das Projekt des Landeskultusministeriums wird in den Sommerferien nicht wieder angeboten. Aufgelegt worden war es, um Lernlücken, die während der Pandemie entstanden sind, zielgerichtet zu schließen.
Schüler in Kartung konnten Lernlücken individuell aufarbeiten
Für Steimel stand gleich fest: „Das bieten wir an.“ Frühzeitig ging man an die Organisation, Förderhefte wurden bestellt und Lehrkräfte des Bildungszentrums „Effektiv Bildung“ in Rastatt angefragt. Drei dieser Lehrkräfte und Schulleiterin Steimel selbst übernahmen dann den Unterricht in den Pfingstferien – täglich drei Schulstunden von 8.50 bis 11.25 Uhr.
Dazu wurden gezielt Kinder von ihren Lehrern eingeladen. „Die Resonanz war viel größer als erhofft“, erzählt Steimel am Mittwoch. Lennards Mutter erklärt das lapidar so: „Wenn man schon so ein tolles Angebot bekommt, dann macht man das ja auch.“ In der ersten Woche wurden dann 16, in der zweiten 17 Kinder von allen Grundschulen der Gemeinde Sinzheim unterrichtet.
Zunächst wurde mit jedem Schüler vereinbart, welche Lücken geschlossen werden sollen. „Ich wollte die Worte unterscheiden können“, erzählt Murat. Das hat er geschafft: Er kann nun sicher zwischen Nomen, Verben und Adjektiven trennen: „Ich bin ganz stolz auf mich“, platzt er heraus.
Um solche Erfolgserlebnisse geht es, wie Steimel erläutert. „Die Kinder merken ja selbst, dass sie nicht auf dem Stand sind und erleiden immer wieder Rückschläge.“ Durch den Erfolg bekämen sie Selbstvertrauen, was sich auch auf den weiteren Schulunterricht auswirke.
Wie bei Luca: Als er nach der Block- die Schreibschrift lernen sollte, kamen die Schulschließungen. Luca verlor den Anschluss. Der Junge merkte das und tüftelte sich kurzerhand selbst eine Handschrift aus: „Doch die konnte keiner lesen“, berichtet Steimel. Sein Ferienziel war daher: „Ich wollte Schönschrift lernen.“ Um gleich anzufügen: „Das kann ich jetzt!“
Auch Spiele kamen in den Lerngruppen nicht zu kurz
Und Maray und Merve können jetzt fließend lesen. Selbst nachmittags übten die Mädchen, erzählt ihr Vater Tücer Özsu stolz. Er hatte ohnehin schon Nachhilfe für seine drei Kinder gesucht und Steimel um Rat gefragt. Sie empfahl ihm das Projekt und da war klar, dass die Mädchen und Sohn Murat mitmachen. Doch der Transfer aus Winden war in den Ferien ein Problem. Steimel organisierte kurzerhand ein Anruf-Linien-Taxi.
Rayhana wiederum gefielen vor allem die vielen Spiele zwischen dem Lernen – und das ist auch so gewollt. Denn auch im sozialen Bereich hinterließ die Pandemie Spuren – die sollen mit dem Programm gemildert werden, indem die Kinder in Konfliktlösung üben und neue Bindungen aufbauen. Murat erzählt von einer neuen Freundin aus der Gruppe: Sie hat ihn nach den Ferien auf dem Schulhof umarmt.