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Kommunalpolitik

Ausschuss stoppt riesiges Mehrfamilienhaus in Bühl

Erstmals hat der Technische Ausschuss in Bühl eine Nachverdichtung nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches gestoppt. Das Mehrfamilienhaus eines Investors aus dem nördlichen Landkreis Karlsruhe mit elf Wohneinheiten, das in der Kappelkellerstraße entstehen soll, fügt sich nach Ansicht der Mehrheit des Gremiums nicht in die dörfliche Umgebung des Stadtteils Kappelwindeck ein.

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An städtebaulich markanter Stelle will ein Investor an der Ecke Kappelkellerstraße/Kappelwindeckstraße im Bühler Stadtteil Kappelwindeck Geschosswohnungsbau mit elf Wohneinheiten errichten. Foto: Joachim Eiermann

Obwohl Oberbürgermeister Hubert Schnurr das Projekt aus baurechtlicher Sicht für genehmigungsfähig hält, zog er den Tagesordnungspunkt zurück. Timo Gretz (SPD) hatte gedroht, einen Bebauungsplan für das Gebiet zu beantragen, um das aus seiner Sicht völlig überdimensionierte Gebäude zu stoppen. Schnurr will nun erneut mit dem Investor verhandeln.

Bebauungsplan fehlt

Für die Kappelkellerstraße gibt es (wie für viele Bereiche des Stadtgebiets) keinen gültigen Bebauungsplan. Bauanträge sind deshalb nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches zu beurteilen, der die „Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“ regelt und in den vergangenen Jahren in Bühl immer für Ärger sorgte.

Neubauten sollen sich „nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen“.

Barbara Thévenot, Abteilungsleiterin für Stadtentwicklung im Rathaus, stellte das Investorenprojekt in der Sitzung vor. Nach ihrer Auskunft hat der Bauherr seine ersten Pläne für die Eckbebauung Kappelkellerstraße/Kappelwindeckstraße, die ursprünglich noch massiver waren, bereits reduziert.

Das riesige lang gestreckte Gebäude wurde auf Druck der Abteilung Stadtentwicklung in zwei Baukörper gegliedert. Die sollen in steiler Hanglage unterhalb des Bühler Friedhofs und der Alban-Stolz-Kapelle entstehen. Der Geländeversatz beträgt rund fünf Meter.

Hübscher Altbau wird abgerissen

Über einer Tiefgarage soll ein viergeschossiges Gebäude mit zusätzlichem Penthouse entstehen, das wegen der Hanglage in Richtung Friedhof nur noch dreigeschossig erscheint. Für das Mehrfamilienhaus müssen ein hübscher zweigeschossiger Altbau, wie er typisch für Kappelwindeck ist, und ein benachbarter denkmalgeschützter Keller weichen. Dieser Keller wurde jetzt aus der Denkmalliste gestrichen und darf abgerissen werden.

Die Begeisterung im Rathaus über das Projekt hält sich offensichtlich in Grenzen. „Aus städtebaulicher Sicht wird das Vorhaben kritisch gesehen“, heißt es in der Verwaltungsvorlage zur Ausschusssitzung. Die zeitaufwendige Aufstellung eines Bebauungsplans hält man rathausintern aber für nicht gerechtfertigt, um das Projekt zu verhindern. Das sah der Technische Ausschuss mehrheitlich offensichtlich anders.

Timo Gretz ist sauer

Timo Gretz (SPD) startete im Technischen Ausschuss die Revolte gegen eine überzogene Nachverdichtung in dörflicher Umgebung. „Rechtlich fügt sich das Mehrfamilienhaus vielleicht ein“, meinte er. „Gestalterisch passt es nicht. Außerdem bringt es mehr Verkehr. Warum machen wir keinen Bebauungsplan und lenken das in geordnete Bahnen?“

„Es ist immer dieselbe Diskussion“, konterte OB Hubert Schnurr. „Wir können für das ganze Stadtgebiet Bebauungspläne aufstellen. Dann brauche ich aber zehn weitere Stadtplaner. Ich glaube nicht, dass mir der Gemeinderat die genehmigt.“

Im Fall der Kappelkellerstraße gabder Ausschuss aber nicht nach. „Ich finde die Pläne gewaltig“, sagte Peter Teichmann (GAL). „Viele Investorenprojekte dieser Art, die wir hier genehmigt haben, erschrecken mich nach der Fertigstellung.“ Norbert Zeller (FDP) ergänzte: „Ich bin nicht überzeugt. Das Gebäude ist überdimensioniert. Die Tiefgarage reicht außerdem vielleicht für die Bewohner des Hauses. Aber wo parken deren Besucher?“

"Wirklich grausig!"

„Der erste Entwurf, den die Verwaltung zurückgewiesen hat, muss wirklich grausig gewiesen sein“, vermutete Peter Hirn (SPD). „Auch das, was uns jetzt vorliegt, ist immer noch überdimensioniert. Natürlich sind wir in der Zwickmühle, weil wir neuen Wohnraum schaffen müssen.“ Franz Fallert (FW) konstatierte: „Das Ding ist einfach zu groß und zu wuchtig.“ Fallert wies außerdem darauf hin, dass die Bestandsgebäude in der Nachbarschaft ausschließlich Satteldächer tragen und deren Firsthöhen als Maßstab für den geplanten Neubau herangezogen werden. „Satteldächer sind aber nicht mit Flachdächern vergleichbar“, stellte er fest.

„Mir gefällt diese Architektur nicht“, konstatierte Karl Ehinger (FW). „Die Investoren bauen doch nur Flachdächer, weil sie dann auf derselben Fläche mehr Quadratmeter Wohnfläche unterbringen.“ Johannes van Daalen (CDU) verstand die Aufregung nicht. „Ich sehe das entspannt“, sagte er. „Um den Wirtschaftsstandort Bühl zu stärken, brauchen wir Wohnraum. Es gibt schon eine ganze Reihe ähnlicher Häuser im Stadtgebiet.“

OB Schnurr kam der Widerstand des Technischen Ausschusses offensichtlich nicht ganz ungelegen. „Gestalterisch bin ich bei Ihnen“, erklärte er. „Der Bebauungsplan ist unsere einzige Waffe, um das Projekt zu verhindern“, meinte Timo Gretz.

Das sah Hubert Schnurr allerdings anders, denn der Aufwand für ein Bebauungsplanverfahren ist erheblich. Gestärkt mit dem Votum seines Technischen Ausschusses will der OB aber nun erneut das Gespräch mit dem Investor suchen. „Wir werden ihm die hier geäußerte Kritik mitteilen“, sagte er. „Er muss das Projekt deutlich abspecken.“

Kommentar zum Thema: Mutige Entscheidung Es reicht. Der Geschosswohnungsbau, der seit Jahren im Stadtgebiet Bühl entsteht und nach den Buchstaben des Paragrafen 34 genehmigt wird, ist selten schön. Er fügt sich ebenso selten in die Nachbarschaft ein, weil regelmäßig die städtebaulichen „Sündenfälle“ in der Umgebung als Referenzobjekte herangezogen werden. Daraus resultiert eine anspruchslose, überdimensionierte Architektur, die die Taschen der Investoren füllt und die für die Stadt nur einen einzigen Vorteil hat: Es gibt dringend benötigten Wohnraum. Das geht aber auch anders und vor allem besser.

Der Technische Ausschuss hat jetzt die Notbremse gezogen und droht einem Investor mit einem Bebauungsplan, wenn er seine für das dörfliche Umfeld von Kappelwindeck völlig überzogenen Pläne nicht deutlich reduziert. Das ist mutig und richtungsweisend.

Die banalen Investoren-Projekte, die in Zeiten der Wohnungsknappheit überall entstehen, machen unsere Städte und Dörfer kaputt. Es geht den Bauherren nur darum, auf den vorhandenen Grundstücken möglichst viele Quadratmeter Wohnfläche unterzubringen und teuer zu verkaufen. Das Flachdach wird dabei vom Gestaltungselement zur Gelddruckmaschine degradiert. Es erhält den Vorzug gegenüber dem geneigten Dach nämlich nur, weil sich so bei derselben Gebäudehöhe mehr Wohnfläche generieren lässt.

Die Entwürfe der Investoren für Geschosswohnungsbau sind nur allzu oft austauschbar. Häuser mit mehreren Stockwerken und zusätzlichem Penthouse werden in Serie produziert. Die Handschrift eines Architekten, der dem Gebäude an seinem jeweiligen Standort eine angemessene und unverwechselbare Form gibt, ist nicht erkennbar. Auch im Stadtgebiet Bühl gibt es inzwischen leider dutzende traurige Beispiele.

Selbstverständlich geht das auch anders. Die gerade fertig gestellten Neubauten auf die Lörch-Gelände beweisen es. Sie reagieren auf den städtebaulichen Kontext und sprengen diesen nicht. Ihre Formensprache ist originell und kommt nicht von der Stange, auch wenn Traditionalisten mal wieder Flachdächer und „springende Fenster“ in den Fassaden kritisieren. Für das Lörch-Gelände gibt es allerdings einen Bebauungsplan, der in vielen Bereichen der Stadt fehlt. Der gewaltige Aufwand für flächendeckende Bebauungspläne ist für keine deutsche Stadtverwaltung zu leisten. Im Einzelfall hilft aber die Drohung mit diesem Instrument. Notfalls muss man Taten folgen lassen.

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