Mit großer Begeisterung hatte sich Altschweier auf dem Weg zu einem neuen Ortszentrum gemacht, das rund um die Reblandhalle entstehen sollte. In diversen Arbeitsgruppen entwickelten zahlreiche engagierte Bürger Ideen für die Zukunft des Orts. Mit der Aufnahme als Schwerpunktgemeinde in das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum schienen auch beträchtliche Fördermittel möglich. Mittlerweile herrscht aber tiefe Ernüchterung.
Warum aus den Plänen nichts geworden ist und wie es nun weitergehen könnte, hat Ortsvorsteher Manfred Müller im Gespräch mit ABB-Redakteur Wilfried Lienhard erläutert.
Herr Müller, in Altschweier sind in den vergangenen Jahren große Pläne entwickelt worden. Die Reblandhalle sollte modernisiert und drumherum ein neues Ortszentrum entwickelt werden. Mit der Aufnahme als Schwerpunktgemeinde im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum wurden auch zusätzliche Landesmittel möglich. Daraus geworden ist: nichts. Wie groß ist die Enttäuschung darüber?
Manfred MüllerDer Frust ist sehr groß. Wir mussten zusehen, wie eine große Chance verstreicht. Was wir im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ und im Zusammenhang mit dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum mit den unterschiedlichsten Gruppen diskutiert haben, hat zu keinerlei Nutzen für die Gemeinde geführt. Nur die privaten Häuslebauer haben profitiert. Sie haben zunächst für die Renovierung von Ökonomiegebäuden und dann überraschend auch für Neubauten Zuschüsse aus dem Entwicklungsprogramm erhalten. Der Ort selbst ging leer aus. Lediglich die Begleitung des Bürgerbeteiligungsprozesses durch SPES, die Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung der Strukturen aus Freiburg, hatten wir. Zu konkreten Veränderungen hat das aber auch nicht geführt.
Außer SPESen also nichts gewesen?
MüllerMüller: So kann man das leider sagen.
Wurde wenigstens der Fördertopf für Private leergeräumt?
MüllerJa, der wurde voll ausgenutzt. Es gab bis zu 20.000 Euro für eine Wohnung. Da gab es keine Probleme. Wer die Fördermittel beantragt hat, hat sie auch erhalten.
Der eine Topf ist leer, der andere musste gut gefüllt zurückgegeben werden. Woran lag das?
MüllerUnser erster Förderantrag ist abgelehnt worden, nur Eisental, das gemeinsam mit uns Schwerpunktgemeinde war, ist mit dem gleichzeitig beantragten Trottenplatz erfolgreich gewesen. Wir haben dann gesagt, wir beantragen es wieder. Das wäre für 2020 gewesen. Doch dann winkte die Stadt ab, sie werde keinen Antrag mehr stellen, weil sie die nötigen eigenen Mittel nicht mehr zur Verfügung hatte. Es geht ja nicht nur um Fördermittel, die Kommune muss auch entsprechende Investitionen vornehmen.
Altschweier ist demnach ein Opfer des deutlichen Gewerbesteuereinbruchs, der die Stadt zum Handeln zwang.
MüllerNatürlich war uns klar, dass die ursprüngliche Planung nicht zu halten sein würde. Wir haben mit einem sehr umfassenden Modell begonnen, zum Beispiel mit Arztpraxis, gastronomischem Betrieb und einem Café. Bevor wir hier Kalkulationen angestellt haben, wurde schon deutlich abgespeckt. Am Ende blieb ein Vorhaben, das mit 3,1 Millionen Euro veranschlagt war.
Was ist am Ende von den Planungen übriggeblieben?
MüllerEs ist eine Variante, die einen Raum für die Vereine vorsieht. Das wäre im westlichen Teil der Halle, weshalb der Versorgungsbereich mit Küche und Toiletten komplett abgerissen werden müsste, weil die Räume verschoben würden. Aber das wird wohl auch nichts.
Warum nicht?
MüllerDie Stadt hat für die nächsten drei Jahre einen niedrigen sechsstelligen Betrag zur Verfügung gestellt. Der dient den nötigsten, dringenden Reparaturen, mehr aber auch nicht. Die Toiletten zum Beispiel müssen dringend angegangen werden. Von 3,1 Millionen Euro bleibt also nicht viel übrig. Ich muss aber auch sagen, dass es keineswegs sicher gewesen wäre, dass wir die maximal bis zu 700.000 Euro Fördermittel auch bekommen hätten, mit denen wir als Zuschuss aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum kalkuliert hatten.
Wie geht es jetzt weiter?
MüllerWir haben im Ortschaftsrat diskutiert, ob wir eine Renovierung oder doch einen Neubau anstreben sollen. Die Richtung geht dahin, dass wir irgendwann eine komplett renovierte Halle haben werden. Aber um ehrlich zu sein: Ich sehe auch dafür in den nächsten Jahren keine Chance.
Wäre ein Neubau überhaupt möglich? Wo könnte der hin?
MüllerEs gab mal den Vorschlag, die Reblandhalle abzureißen und außerhalb des Orts einen Neubau zu errichten. Die Frage, wo der errichtet werden sollte, ist sehr berechtigt. Wir haben im Außenbereich keine Infrastruktur, da fehlt Strom, da fehlt Wasser, und im Landschaftsschutzgebiet sind wir auch. Neben den Friedhof können wir auch keine Festhalle stellen. Wir müssen also mit der Situation leben, dass es zum Beispiel keinerlei Möglichkeiten gibt, ob für Vereine oder den Ortschaftsrat, irgendwo Besprechungen mit 15 bis 20 Personen abzuhalten. Da gibt es eben nur die Reblandhalle. Die ist 64 Jahre alt, und das merkt man. Dort hallt es so, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Und von Barrierefreiheit müssen wir auch nicht reden.
Die Reblandhalle war Teil des Bürgerbeteiligungsprozesses. Was machen diese schlechten Aussichten mit der Motivation der Bürger, die sich hier mit viel Engagement eingebracht haben?
MüllerZugespitzt formuliert: Sie ist im freien Fall. Die Arbeitsgruppen haben sich gewissermaßen in Luft aufgelöst. Ihre Arbeit ist in keinster Weise honoriert worden. Das Interesse geht aktuell gegen Null. Alles ruht.
Ist irgendetwas von den Anregungen der Arbeitsgruppen umgesetzt worden?
MüllerNein, gar nichts. Es ist im Ort auch kein Interesse mehr an diesem Prozess festzustellen. Polemisch formuliert, ist der ganze Bürgerbeteiligungsprozess abgestraft worden. Aber ich mache niemandem einen Vorwurf. Das notwendige Geld ist einfach nicht mehr da.
Was wurde aus den Vorschlägen der Nürtinger Studenten von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, die für ein Seminarprojekt in Altschweier waren ?
MüllerSie haben mehrere Varianten vorgestellt, die aber die Realität insoweit ausgeblendet haben, als beispielsweise die L 83 mit einer Brücke kreuzt oder Zugangswege zur Reblandhalle über Privatgelände führt. Es war eine Planung, die auf keine Besitzverhältnisse Rücksicht nehmen musste. Damit wäre aber auch eine Umsetzung nicht möglich gewesen. An dem Punkt wäre es interessant geworden.