Im Bühler Polizeirevier steht ein Wechsel bevor. Erster Hauptkommissar Walter Kautz verlässt nach 41 Jahren den Polizeidienst und geht in den Ruhestand. Seit Ende 2003 leitet er das Revier. Im Gespräch mit den BNN stellt Kautz sich die erste Frage selbst: „Jeder möchte von mir wissen, ob ich noch mal zur Polizei gehen würde.“
Nun, das sollte eigentlich die Schlussfrage des Gesprächs sein. Aber da sie nun mal schon in der Luft hängt, liefert der scheidende Leiter des Bühler Polizeireviers die Antwort gleich mit: „In meinen 41 Jahren bei der Polizei habe ich wenig Negatives erlebt. Der Beruf hat mich ausgefüllt und mir Spaß gemacht. Ja, ich würde noch einmal zur Polizei gehen. Zumindest wäre es wieder eine Option.“
"Freund und Helfer" ist mehr als eine Floskel
Am 31. März ist der letzte Arbeitstag des Ersten Hauptkommissars. Dass er zufrieden zurückblickt, habe auch damit zu tun, dass er die Polizeiarbeit zuallererst als einen Dienst für den Bürger betrachte. „Dein Freund und Helfer“: Das sei mehr als nur eine Floskel.
Auch interessant:Vertrauen sei sehr wichtig und baue Schwellenängste ab. Das sei auch die oberste Prämisse seiner 16 Jahre in Bühl gewesen. Mit der Berufung zum Revierleiter sei Ende 2003 ein Traum in Erfüllung gegangen. In seiner Zeit beim Stab hatte Kautz schon einige spannende Aufgaben wie die Euro-Einführung bearbeitet, aber das sei alles doch vergleichsweise weit vom Bürger weg gewesen.
Persönlicher Ansprechpartner für die Bühler
Als Revierleiter habe er sich nie als anonymer Vertreter der Obrigkeit gesehen, sondern als Ansprechpartner: „Natürlich vertreten wir Recht und Gesetz. Aber wir wollen, dass sich die Menschen vertrauensvoll an uns wenden können.“
In Bühl falle dies leichter als andernorts: „Die Kollegen kennen Land und Leute, sie sind hier verwurzelt.“ Dass dies für den Lichtenauer Kautz ebenso gilt, habe die Arbeit erleichtert. Und davon gab es immer mehr als ausreichend.
Im Revier sind stets offene Stellen
87 Haushaltsstellen hat das Revier, 79 sind aktuell besetzt; Kautz kann sich nicht erinnern, „dass einmal alle besetzt waren“. Mehrarbeit falle immer wieder an. Das sei auch ein Stück weit normal. Aufgefangen wurde dies durch eine sechste Dienstgruppe, eine Ausnahme unter den Revieren im Präsidium.
Als es vor rund 15 Jahren Probleme gegeben habe, den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten, sei auf der Suche nach alternativen Dienstzeitplänen das Revier Weil am Rhein mit seinen sechs statt der üblichen fünf Dienstgruppen in den Blick geraten. Mehr Stellen waren damit nicht verbunden. In Bühl wurde ein einjähriger Probelauf gestartet und nach einer Abfrage bei den Kollegen, von denen mehr als 90 Prozent zustimmten, vom Innenministerium als Dauerlösung genehmigt.
Polizei bleibt oft nur die Reaktion
Die verschiedenen Reformen hätten die Arbeiten kaum verändert. 2005 wurde das Baden-Badener Rebland dem Bühler Polizeirevier zugeordnet und der Posten Steinbach aufgelöst. Dafür wurde Sinzheim nach Baden-Baden abgegeben und ein Posten Baden-Oos eingerichtet.
Die jüngste Polizeireform habe auch nur marginale Veränderungen gebracht. Am Arbeitsaufkommen änderten Reformen eh nichts. Denn oft bleibe der Polizei nur die Reaktion, etwa bei neuen Kriminalitätsformen wie im Internet, und grundsätzlich sei es sehr schwierig, „vor die Lage zu kommen“, sagt Kautz.
Auf Veranstaltungen sei die Polizei stets gut vorbereitet. Dass dies bei der Kriminalitätsbekämpfung so nicht möglich sei, liege in der Natur der Sache.
NATO-Gipfel und Fußball-WM als Höhepunkte
Erfolge habe es aber in seiner Bühler Zeit doch einige gegeben. Kautz erwähnt als Beispiel die Aufklärung einer Diebstahlserie durch von jenseits des Rheins nach Deutschland gebrachten Kindern. Schwerpunkte seiner Bühler Jahre seien auch die Versammlungen rechtsextremer Gruppen in Söllingen gewesen.
Ebenso sind ihm die Motorradproblematik auf der Schwarzwaldhochstraße, die Fußball-WM 2006 mit dem englischen Trainingslager auf der Bühlerhöhe und in Bühlertal und alle Jahre wieder die Fastnacht stets in Erinnerung.
Ein absoluter Höhepunkt sei der Nato-Gipfel 2009 gewesen, als Kautz für mehr als ein halbes Jahr Teil eines eigens gebildeten Stabs in Freiburg war: „Ich konnte mit hoch qualifizierten Führungskräften zusammenarbeiten, von denen ich viel gelernt habe.“
Bühler Radrennen begeistern den Polizisten persönlich
Als leidenschaftlicher Radsportler waren die jährlichen Bühler Radrennen, ob Paarzeitfahren oder Kriterium, auch für den Leiter des Polizeireviers besondere Erlebnisse. 2004 etwa, als Lance Armstrong, der Seriensieger der Tour de France, mit George Hincapie zum Paarzeitfahren antrat.
Die Polizei holte Armstrong, der in Begleitung seiner Freundin Sheryl Crow war, am Baden-Airpark ab und brachte ihn zum Hotel „Heiligenstein“ in Neuweier, wo die Fahrer sich frisch machten, ehe Armstrong und Hincapie mit dem Rad durch die Weinberge nach Bühl fuhren, die Polizei vorneweg.
Nach dem Rennen, das das Duo als Vierter beendete, hielt Armstrong nicht im Zielbereich an, sondern fuhr weiter bis zum Friedenskreuz. Dort las ihn die Polizei auf und brachte ihn zum Flughafen, wo er nach einer Dusche beim Polizeiposten wieder in den Flieger stieg.
Ungeklärte Fälle berühren noch immer
Was ihn nach wie vor sehr beschäftigt, ist, dass der seit 2006 vermisste kleine Felix Heger nicht gefunden werden konnte. Von einer persönlichen Niederlage wolle er nicht sprechen. Aber das Geschehen „berührt mich immer noch sehr“.
Eine gute Nachricht gab es auf den letzten Dienstmetern. Die Einbruchsserie in Kappelwindeck scheint aufgeklärt; ob der Festgenommene tatsächlich der Täter war, müsse noch geklärt werden: „Aber den letzten Einbruch in Kappelwindeck hatten wir Mitte Oktober. Seither haben wir Ruhe.“
Abschied im engsten Kollegenkreis
Seinen Abschied hat sich Walter Kautz dann doch etwas anders vorgestellt. Geplant war eine Verabschiedung mit 110 geladenen Gästen im Bühler Friedrichsbau. Doch die Corona-Pandemie durchkreuzte diese Pläne ebenso wie eine um die Hälfte reduzierte Variante. Eine offizielle Feier wird es nicht geben.
Es bleibt wohl bei einer Verabschiedung im engsten Kollegenkreis. „Das ist schon sehr enttäuschend, weil ich mich gerne von den vielen Wegbegleitern persönlich verabschiedet hätte“, sagt der scheidende Leiter des Polizeireviers Bühl. Er erkennt aber auch die Notwendigkeiten der aktuellen Situation.
Ruhig geht es also in den Ruhestand, der vielleicht nicht immer so ruhig sein wird – die Enkel, das Haus mit Garten, das sportliche Hobby Rennrad und Mountainbike, vielleicht eine neue Fremdsprache lernen oder auch ein Seniorenstudium: „Geschichte und Politik könnten mich interessieren. Aber konkret ist noch nichts.“
Lebenslauf
Walter Kautz, der in Helmlingen und Lichtenau aufgewachsen ist und 1978 am Bühler Windeck-Gymnasium sein Abitur ablegte, begann seinen Polizeidienst bei der Bereitschaftspolizei in Lahr, nachdem er zunächst auch ein Jura-Studium erwogen hatte. 1980 wurde Kautz für den gehobenen Dienst zugelassen und studierte an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen.
1986 wurde er zum Leiter des Bezirks- und Postendiensts beim Polizeirevier Rastatt ernannt. Eine seiner Initiativen war hier die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Form von gemeinsamen Streifen deutscher und französischer Polizisten. Später war Kautz im Einsatzstab der Polizeidirektion Rastatt.
In diese Zeit fiel auch eine seiner größten Aufgaben, als er den Polizeieinsatz beim SWR-Start ins „Wildall“, die Feier zur Senderfusion von Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk auf dem Baden-Airpark, koordinierte. Auch als Zugführer des Alarmzugs der beiden Polizeidirektionen Rastatt und Baden-Baden bewährte sich Kautz.