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„Kleinkunst hat keine Lobby“

Zum Tränen vergießen: Bühler Kleinkünstler sehen den Lockdown mit großer Sorge

Der nächste verordnete Stillstand bahnt sich an und er trifft mal wieder die Künstler mit voller Wucht. Zwei Bühler Kunstschaffende, der Rocksänger Peter Teichmann und der Kulturmanager und Schüttekeller-Impressario Rüdiger Schmitt machen sich Sorgen.

Rüdiger Schmitt und Christian Wulff im Bühler Schüttekeller
Da war noch Betrieb: Rüdiger Schmitt und Ex-Bundespräsident Christian Wulff bei einer Kleinkunstveranstaltung im Bühler Schüttekeller. Foto: Katrin König-Derki

Es waren für Rüdiger Schmitt, den Bühler Kulturmanager mit Herz und Seele, den umtriebigen Impressario der Kleinkunstbühne im Schüttekeller sehr emotionale Stunden am Computer. Als noch niemand von einem zweiten Lockdown, als dem verordneten Stillstand sprach, war doch schon alles anders.

Schmitt saß am Rechner und wollte die Rund-Mail zum Kabarettabend mit dem bekannten H.G. (Hans-Günter) Butzko schreiben. Kulturbetrieb unter erschwerten Bedingungen ist es in diesen Tagen, das macht die Werbung nicht einfacher. „Ich tat mich wahnsinnig schwer“, berichtet Schmitt, „zwischendurch saß ich am Rechner und habe geweint.“ Nun folgt die zweite Zwangsauszeit. „Das ist, wie wenn Dir einer auf dem Konzert den Stecker zieht.“

Schon wieder ein Keulenschlag für die Branche

Gitarrenmusik mit Ralf Illenberger und Peter Autschbach hätte Schmitt im November im Programm gehabt, samt Lehrgang, danach die Kabarettistin Sarah Hakenberg. „Ich hoffe noch, aber vermutlich fallen diese Veranstaltungen flach.“ Es trifft eine gesamte Branche wie ein Keulenschlag. „Der Kulturbetrieb beschäftigt in Deutschland rund zwei Millionen Menschen“, gibt Schmitt zu Bedenken. Die blieben Außen vor, das Geld fließe in andere Branchen.

Die Kleinkunst hat eben keine Lobby
Peter Teichmann, Rocklegende aus Bühl

Auch für Rocksänger Peter Teichmann kommt der nächste Lockdown zur Unzeit. Dieser Tage hat er mit seinem Pianisten Klaus Hofsäss noch ein stimmungsvolles Akustik-Konzert gegeben - und nun das. „Die Kleinkunst hat eben keine Lobby, und da beginnt das Problem.“ Doch Peter Teichmann, der mit seiner Band Van Teichmann auch richtig laut auf Deutschrock kann, ist weit davon entfernt, aufzugeben. „Im Zweifelsfall wird es mit Peter und Klaus wieder einen Livestream geben“, sagt er, vielleicht ein corona-konformes Konzert in einer Fabrikhalle.

Auch Teichmann verweist darauf, dass der anstehende Lockdown wohl viele Kunstschaffende noch mehr in Exitenznot bringen dürfte, als es bisher der Fall war. Dabei drehe es sich nicht allein um die die Leute, die auf der Bühne stehen, gibt der Musiker zu Bedenken.

Angst vor dem Vergessenwerden

Wer sich die Internetseiten des Schüttekeller ansieht, dem fällt bei der Programmvorschau 2021 das Wort Ersatztermin auf. Vom 19. Februar (Zollhausboys) bis 15. Oktober (Kabarett mit Thomas Reis) sind fünf Veranstaltungen damit gekennzeichnet. „Das alles musste in diesem Jahr ausfallen - wegen der Corona-Pandemie“, berichtet Schmitt. Und wenn er die etablierten Programmpunkte schon kaum noch unterbringe, „brauche ich schon gar nicht nach neuen Talenten Ausschau halten.“

Schmitt sieht die Entwicklung mit Sorge: Es sei jetzt schon so, dass vor allem die älteren Stammgäste nicht kommen. Risikogruppe - da geht man nicht aus dem Haus, wenn man nicht muss. Und Kleinkunst sei kein Muss. Wenn jetzt wieder gar nichts stattfinden kann, „geraten wir irgendwann in Vergessenheit und können von vorn anfangen.“

Das Prinzip Hoffnung

In einem Punkt ist sich Schmitt sicher: Auch in der Kleinkunst werde Corona noch lange den Takt vorgeben. Peter Teichmann, Bühls dienstältester Rocker, sieht die Entwicklungen ebenfalls mit Skepsis. Natürlich müsse die Politik handeln. Natürlich seien auch weitere Einschränkungen nötig. Aber ob man gerade im Kulturbetrieb und in der Gastronomie alles auf Null fahren muss, sehe er nicht unbedingt als den besten Weg an.

An diese Überlegungen knüpft Rüdiger Schmitt an. Doch es zähle das Prinzip Hoffnung. Und da kommt Schmitt noch einmal auf seine Zollhausboys. Das sei eine tolle Truppe aus Deutschen und Syrern - Lieder, Gedichte und Kabarett aus Bremen, Aleppo und Kobani. Allein wegen denen müsse es weiter gehen.

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