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Tiere leiden unter Knallerei

Zwei Zicklein totgetrampelt – Böller verursachen Panik im Stall

Totgetrampelt – das Rückgrat gebrochen. In einem Bühler Stadtteil musste der Besitzer einer Ziegenherde Tiere einschläfern lassen. Sie waren wegen Silvesterknallereien in eine derartige Panik geraten, dass sie sich gegenseitig massiv verletzt haben. Der Wunsch von Tierfreunden und -besitzern: ein Verbot der Knallerei an Silvester.

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Zwei Zicklein sind tot – ob ihre Mutter ihre Verletzungen überleben wird, ist noch nicht sicher. (Symbolbild) Foto: N/A

Totgetrampelt – das Rückgrat gebrochen. In einem Bühler Stadtteil musste der Besitzer einer Ziegenherde Tiere einschläfern lassen. Sie waren wegen Silvesterknallereien in eine derartige Panik geraten, dass sie sich gegenseitig massiv verletzt haben.

Zwei Zicklein sind tot – ob ihre Mutter ihre Verletzungen überleben wird, ist noch nicht sicher. „2020 – Das Jahr beginnt nicht für jeden froh. Nicht nur in Krefeld, wo ein Affenhaus abgebrannt ist. Nein, auch direkt vor unserer Haustüre sterben Tiere, weil sie durch die Knallerei in Panik geraten, so auch Ziegen in meiner Nachbarschaft“, schreibt dazu Carmen Prudlik auf Facebook und weiter:

„Ich wohne im Außenbereich, wo auch einige Landwirte mit ihren Tieren wohnen. Der erste Tag des neuen Jahres beginnt für sie mit Aufsammeln von Müll und von Überresten der Raketen. Es ist nicht schon unverantwortlich und schlimm genug, dass ihre Tiere in der Silvesternacht in Panik geraten. Nein, sie müssen auch noch die Ignoranz sämtlicher Leute ausbaden, die in besagter Nacht ihren Spaß und ihr Vergnügen auf und neben ihren Wiesen ausleben. Von den Wildtieren möchte ich gar nicht anfangen. Für sie ist die Nacht ein einziger Albtraum. Ich hoffe, dass endlich auch die Stadt Bühl ihre Konsequenzen daraus zieht. Den Klimanotstand hat sie ja bereits ausgerufen“.

Knallerei soll verboten werden

Carmen Prudlik hofft auf eine Initiative Richtung Verbot der Knallerei. Und die Mehrzahl der überaus zahlreichen Kommentare dazu gibt ihr Recht; angeregt werden sogar Petitionen mit dem Ziel des Böllerverbots.

Toten Zicklein sind kein Einzelfall

Die toten Zicklein sind keine Einzelfälle – das ist jedem klar, wie auch eine kleine Umfrage bei Tierärzten der Region bestätigt, die aus diesem und vergangenen Jahren berichten.

Walter Dörr (Bühl) weiß von Hunden, die in ihrer Panik nicht nur davongelaufen sind, sondern zumindest in einem Fall auch nicht mehr zurückgefunden haben.

Komplett verfangen – und das über Stunden – hatte sich dieser Hund in einem Zaun. Er war derart in Panik, dass die Polizei ihn nicht befreien konnte und das Tier betäubt werden musste.
Komplett verfangen – und das über Stunden – hatte sich dieser Hund in einem Zaun. Er war derart in Panik, dass die Polizei ihn nicht befreien konnte und das Tier betäubt werden musste. Foto: Privat

Andreas Wahl (Lichtenau) weiß von einem besonders signifikanten Fall vor einem Jahr: Ein Hund ist nachts panisch in den Zaun gerannt und war dort bis am nächsten Vormittag gefangen, er konnte wegen seiner Panikreaktionen nicht befreit werden. Die Polizei habe ihn angerufen und gebeten, den Hund mit dem Betäubungsgewehr zu betäuben.

Und ein Reh hatte sich ein Jahr zuvor nachts an Silvester ebenfalls in einem Zaun verfangen. Trotz Bemühungen erholte sich das Tier nicht und musste erlöst werden. Hundebesitzer fragen nach Beruhigungsmitteln, alle Tierbesitzer – auch Landwirte – müssen sich auf diese Nacht vorbereiten: „Bereits mein Opa hat an Silvester für alle eine Ausgehsperre verhängt. Alle Familienmitglieder mussten die Ställe bewachen, um die Tiere zu beruhigen und mögliche Feuerentwicklung durch landende Silvesterböller oder Raketen rechtzeitig wahrzunehmen“, sagt Andreas Wahl.

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Opfer eines Zauns wurde dieses Reh; auch Pflege konnte ihm nicht mehr helfen. Foto: Privat

Stallwache ist für Tierbesitzer angesagt

Das ist auch heute noch so, weiß seine Ehefrau Helene: „Wir verbringen jedes Silvester im Stall, in der Hoffnung, unsere Tiere vor Stress, Schaden und Feuer zu beschützen. Zeitgleich haben wir das Handy auf Rufbereitschaft, um anderen Tierbesitzern in Not hoffentlich helfen zu können“. Zahlreiche Pferdekunden müssten die Pferde bewachen, diese würden meist über Stunden in Panik umherrennen. Abgesehen vom Stress sei es auch ein hohes Risiko, dass die Pferde in Panik die Stromzäune durchrennen.

Dies betreffe natürlich auch alle anderen Tiere, die auf Koppeln oder in Außenanlagen gehalten werden, führt sie weiter aus. Und was die Knallerei erst für Wildtiere bedeutet, könne man nur erahnen: „Aus dem breiten Spektrum verunglückter Wildtiere können wir nur einen minimalen Ausschnitt wahrnehmen, da sich diese außerhalb unseres normalen Beobachtungsfeldes befinden“. Mit Carmen Prudlik ist sich Helene Wahl einig, dass es so nicht weitergehen dürfe. Denn neben Sicherheits- und Umweltaspekten kämen tausende domestizierter Tiere und Wildtiere in einer Silvesternacht ums Leben.

Verbot gemäß Tierschutzgesetz

„Das sind ausreichend Fakten, um politische Konsequenzen folgen zu lassen, so wie sie auch in anderen Ländern durchgesetzt wurden“, betont Helene Wahl und erinnert an das Tierschutzgesetz, das besagt, dass aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen seien. Niemand dürfe einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

„Es stellt sich demnach die Frage, ob die Silvesterknallerei ein vernünftiger Grund ist oder ob sie den Tieren kein Leid verursacht. Für mich und vermutlich für den Großteil der Bevölkerung ist die Frage längst beantwortet“.

Erinnerung an Krefeld: Orang-Utan wollte Karotte tauschen

Und Krefeld? Dazu haben die Wahls eine ganz besondere Beziehung. Vor geraumer Zeit besuchten sie im Zoo einen Studienkollegen und durften einen Blick hinter die Kulissen werfen. „Ein Orang-Utan reichte uns aus dem Gitter seine Karotte – er wollte sie gegen eine süße Frucht tauschen“, erinnern sich die beiden an eine berührende Begegnung. Der Orang-Utan ist tot. „Ich weiß, Himmelslaternen – die vermutliche Brandursache – sind sowieso verboten. Nicht minder gefährlich sind aber jene Feuerwerke, die an gefährdeten Plätzen gezündet werden“.

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