Die Große Kreisstadt Gaggenau hält einen Weltrekord: Mit dem Mercedes-Benz-Werk auf ihrer Gemarkung darf sie sich Standort des ältesten heute noch produzierenden Automobilwerks nennen. Diese Lobeshymne wird im Verlauf des Jahres noch öfters zu hören sein. Denn 2019 ist Jubiläumsjahr im Murgtal: „125 Jahre Automobilbau“ wird vom Benz-Werk und der Stadt gleichermaßen gefeiert. Die Stadt plant zu diesem Anlass ein großes Open Air, Daimler richtet mit Blick auf das Jubiläum einen Familientag aus.
Ursprünglich sollten die beiden Veranstaltungen an den beiden Samstagen vor den Sommerferien stattfinden, also quasi in unmittelbarer Abfolge – das Open Air war für den 13. Juli geplant und der Familientag im Benz-Werk eine Woche später am 20. Juli. Der erstgenannte Termin wurde verlegt, der zweite bleibt. Die Stadtverwaltung Gaggenau nimmt Rücksicht auf das große Jubiläumswochenende in der Nachbarstadt („800 Jahre Gernsbach“), das am Wochenende vom 12. bis 14. Juli in der Alten Amtsstadt gefeiert wird und weicht deshalb aus.
Open Air im Sommer
Das Open Air in Gaggenau findet somit definitiv nicht am 13. Juli, sondern nunmehr innerhalb eines dreitägigen Jubiläumsprogramms am letzten Wochenende der Sommerferien (6. bis 8. September) statt. Das detaillierte Programm über das Open Air hinaus steht laut Rathaus noch nicht fest, hieß es zuletzt auf BNN-Nachfrage. Verwaltungsintern ist im Rathaus hierfür eine Arbeitsgruppe mit Mitarbeitern von Kulturamt und Wirtschaftsförderung gebildet worden.
Familientag im Juli
Das Benz-Werk feiert intern, und doch wird das Fest am Samstag, 20. Juli, eine große Dimension haben: Zum Familientag werden laut Unternehmensangaben über 20 000 Gäste erwartet. Eingeladen sind an diesem Tag die Mitarbeiter des Werks sowie deren Familien (das Motto könnte lauten: „Mal schauen, wo Papa arbeitet“) und Freunde.
Ausbildung wird 100
Runde 25 000 Besucher waren es im Übrigen im September 2011, als zum Jubiläumsprogramm„100 Jahre Benz-Werk Gaggenau“ ebenfalls ein Familientag zählte; dieser wurde mit der Musical-Show „Abba Mania“ und einem Feuerwerk abgeschlossen. Der Familientag 2019 wird übrigens nicht der einzige Festtag bei Gaggenaus größtem Arbeitgeber in diesem Jahr sein: Bereits im Mai sollen „100 Jahre Ausbildung am Standort“ mit einem Festakt gefeiert werden.
125 Jahre Automobilbau
Das Jubiläum „125 Jahre Automobilbau“ bezieht sich auf das Jahr 1894 (dieses Datum wurde jüngst auch im Zeit-Magazin gewürdigt, in dem sehr alte Fabriken in Deutschland, die heute noch produzieren, aufgelistet wurden): Fabrikant Theodor Bergmann war in seinen noch jungen Industriewerken in Gaggenau war am Bau eines Motorfahrzeugs interessiert – zu einem Zeitpunkt, als der Durchbruch des Automobils noch nicht zu erkennen war. Zu Bergmanns Produktpalette zählten damals auch Verkaufsautomaten, Blechschilder oder Liftpistolen.
Beginn mit dem Orient-Express
Für den Bau eines von einem Motor angetriebenen Fahrzeugs gewann Bergmann 1894 den jungen Ingenieur Joseph Vollmer aus Baden-Baden als Konstrukteur. Das Ergebnis: 1897 wurde das erste Automobil im Murgtal vorgestellt; in Anlehnung an den legendären Luxuszug erhielt es den Namen „Orient-Express“ genannt, es hatte die Form einer offenen Reisekutsche, sechs PS und einen Ein-Zylinder-Motor.
Historie des Benz-Werks
Der „Orient-Express“, von dem insgesamt 350 Stück gebaut werden (ein Gutteil hiervon wird nach England verkauft), markiert somit den Beginn der Automobilgeschichte in der Region. Weitere bedeutende Stationen der Anfangsphase sind für Gaggenau im Jahr 1904 der von Willy Seck gebaute Kleinwagen „Liliput“, die Gründung der Süddeutschen Automobilfabrik (SAG) durch Georg Wiß im selben Jahr und die Übernahme eben dieser SAG durch den Mannheimer Konkurrenten „Benz und Cie Rheinische Gasmotorenfabrik“ 1907. Im Jahr 1911 erfolgt die Umbenennung in „Benz-Werke Gaggenau GmbH“. Der heutige Name „Mercedes-Benz-Werk Gaggenau“ ist sehr ähnlich.
Pionier-Fahrzeug kehrte zurück
Gut ein Jahr vor den Jubiläumsfeiern im Sommer 2019 gab es bekanntlich einen weiteren Grund zur Freude: Ist doch ein Exemplar aus der Pionierreihe des „Orient-Express“-Baureihe an seinen Ursprungsort Gaggenau zurückgekehrt. Im Frühjahr 2018 hat das Unimog-Museum, auch dank einer Spendenaktion, für 280 000 Euro das Pionierfahrzeug von dem in England lebenden Australier Ron Mellowship gekauft.
Andrang im Unimog-Museum
Wo auch immer die „Autokutsche“ seitdem in der Region zu sehen war, war sie ein Hingucker ersten Ranges. Die Nachfrage sei riesengroß, freute sich unlängst Museumschef Stefan Schwaab. Auch bei den Jubiläumsveranstaltungen in diesem Sommer dürfte der „Orient-Express“ in der ersten Reihe stehen.