Die „Beschäftigungssicherung 2030“ bei Daimler verheißt auf den ersten Blick stabile und garantierte Arbeitsplätze für die Belegschaft bis ins Jahr 2030. Doch ganz so einfach ist es nicht: Bei stark veränderten wirtschaftlichen Bedingungen gibt es eben keinen hundertprozentigen Schutz, dann müssen Unternehmensleitung und Betriebsrat wieder an den Verhandlungstisch und Lösungen suchen.
Dies nennt sich „Wind- und-Wetter-Klausel“, die Daimler-Chefetage hat im Frühjahr in der Corona-Krise genau diese Klausel gezogen und Druck bei den aus ihrer Sicht zu hohen Personalkosten gemacht. Um die Beschäftigungssicherung aufrechtzuerhalten, mussten und müssen die Arbeitnehmervertreter zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sein.
Ein Paket an Maßnahmen
Herausgekommen ist dabei ein ganzes Paket an Maßnahmen, das Einschnitte beim Personal zur Folge hatte und weiterhin hat. Dieser Prozess zeigt inzwischen erste Wirkungen, ablesbar an den guten Zahlen des dritten Quartals, die der Konzern vorgelegt hat: Die waren deshalb so gut, weil der Autobauer wieder bessere Verkaufszahlen präsentieren konnte, aber auch weil das Sparprogramm sich bereits abbildete. Neben der Kurzarbeit in Teilbereichen ist eine befristete Verringerung der Arbeitszeit ebenso vereinbart worden wie ein kompletter Wegfall der jährlich ausbezahlten – und meist üppigen – Ergebnisbeteiligung („Jahresprämie“).
Neben diesen Maßnahmen mit befristetem Charakter spart das Unternehmen dauerhaft Kosten durch einen Personalabbau ein: Durch ein erweitertes Altersteilzeitprogramm einerseits und, um den Abbauprozess noch zu beschleunigen, durch Abfindungen bei einem freiwilligen Abschied von Mitarbeitern. Die Konditionen für ein früheres Ausscheiden gelten für alle Beschäftigte, die nicht in der Produktion arbeiten; das sind besonders die Verwaltung, aber auch produktionsnahe Bereiche wie Instandhaltung und Logistik.
2.000 Mitarbeiter zeigen Interesse
Voraussetzung ist das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit: Das Unternehmen muss auf die jeweiligen Mitarbeiter zugehen, und diese müssen mit dem Angebot auch einverstanden sein, dürfen also nicht zu einem Abschied gedrängt werden. Die Unternehmensleitung soll, so heißt es, mit dem bisherigen Zwischenergebnis sehr zufrieden sein. Bei der Pkw-Tochter Mercedes-Benz AG sind es derzeit ungefähr 1.500 Mitarbeiter deutschlandweit, die Interesse haben, bei der Daimler Truck AG, zu der auch das Werk Gaggenau zählt, etwa 500.
Wie viele hiervon auf den Standort Gaggenau entfallen, ist nicht bekannt. Dass es in der Lkw-Sparte weniger sind, erklärt sich zum einen aus der verhältnismäßig geringeren Beschäftigtenzahl gegenüber dem Pkw-Bereich, zum zweiten aus dem Abbauprogramm „Stream“, bei dem schon 2017 Stellen gestrichen worden sind.
Der Gesamtbetriebsrat von Daimler sagt auf BNN-Nachfrage: „Die Gespräche laufen überwiegend sachlich, kollegial und unaufgeregt. Die Vereinbarung zu freiwilligem Ausscheiden zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung läuft bis Ende 2021 und wird bis Ende 2020 nicht abgeschlossen sein.“ Wie zu hören ist, haben aber auch in Gaggenau nicht wenige schon den „Goldenen Handschlag“ akzeptiert.
2021 sollen die Zielbilder fertig sein
Ein Unternehmenssprecher sagt gegenüber dieser Zeitung: „Wir bei Daimler befinden uns in einer Restrukturierung, zu der als zusätzliche Herausforderung die Corona-Pandemie hinzukommt. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind Einsparungen bei Investitionen, Materialkosten und bei den Personalkosten notwendig.“ Mehr ins Detail gehen möchte der Konzern nicht.
Bekannt wurde aber, dass die Unternehmensleitung mit dem Betriebsrat für jeden Standort ein Zielbild verhandelt. Für das große Werk Untertürkheim wurde in diesem Zusammenhang in Medienberichten bereits ein möglicher Stellenabbau von bis zu 4.000 Mitarbeitern bis zum Jahr 2025 ins Spiel gebracht. Für die meisten Standorte, auch für Gaggenau, laufen die Gespräche noch; die Zielbilder sollen bis zum Jahresbeginn 2021 feststehen.
Der Druck am Arbeitsplatz wächst
Klar ist aber auch: Wenn freiwerdende Stellen nicht mehr besetzt werden, wenn die Altersteilzeit ausgeweitet wird und wenn Mitarbeiter mit Abfindungen freiwillig gehen, so kommt dies unter dem Strich einem größeren Personalabbauprogramm gleich. Das Arbeitsvolumen nimmt aber nicht in gleichem Maße ab – heißt im Umkehrschluss: Für die verbleibenden Mitarbeiter steigt der Druck am Arbeitsplatz. Was, wie aus Mitarbeiterkreisen zu hören ist, ganz sicher nicht zur Stimmungsaufhellung beiträgt.