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Umstrittene Methode

Baumschnittkurs nach Oeschberg-Palmer-Methode: Förderverein Streuobstwiesen an Murg und Oos lädt ein

Der Förderverein Streuobstwiesen an Murg und Oos lädt am 4. März zu einem speziellem Schnittkurs ein. Dabei wird die Oeschberg-Palmer-Methode gezeigt, die in der Vergangenheit für reichlich Streit sorgte.

Der erste SOMO-Vorsitzende Christoph Werner erläutert an einem Apfelbaum bei Michelbach den Oeschberg-Schnitt.
Der erste SOMO-Vorsitzende Christoph Werner erläutert an einem Apfelbaum bei Michelbach den Oeschberg-Schnitt. Foto: Ralf Joachim Kraft

Der Grünen-Realpolitiker und Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer gilt als rebellisch und ist stets, allerdings nicht immer zur Freude seiner Partei, für eine Überraschung gut. Auch in seinem Falle gilt, und hier sogar buchstäblich: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Auch das wird ein ganz spezieller Baumschnittkurs zeigen, zu dem der Förderverein Streuobstwiesen an Murg und Oos (SOMO) am Samstag, 4. März, um 10 Uhr einlädt.

Es handelt sich nach Auskunft von Vereinsschriftführer Bernhard Schorpp um einen Schnittkurs nach der sogenannten Oeschberg-Palmer-Methode. Darin erfahren die Teilnehmer alles über den Erziehungsschnitt junger Bäume bis zum Erhaltungsschnitt großkroniger Hochstämme.

Kursleiter ist Helmut Ritter. Er war ein Schüler von Boris Palmers Vater – dem „Remstalrebellen“ Helmut Palmer. Der hatte in den 1950er Jahren den Oeschberg-Schnitt so vehement vertreten und verbreitet, dass er dadurch einen Konflikt ausgelöst hat, der als „Württembergischer Obstbaukrieg“ in die Landesgeschichte eingegangen ist, wie Schorpp berichtet.

Woher kommt der Oeschberg-Schnitt?

Entwickelt hat diese Technik in den 1930er Jahren der Schweizer Hans Spreng vor dem Hintergrund der mangelnden Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Obst. Hierzulande bekannt geworden ist die Methode durch Helmut Palmer, der nach dem Zweiten Weltkrieg eine Lehre als Obstbauer abschloss.

Dann ging er 1948 in die Schweiz, wo er sich bis 1950 in Obstbaukunde (Pomologie) weiterbildete. Dabei erlernte der junge Mann nicht nur die neue Schnittmethode. Er machte auch Bekanntschaft mit einer anderen Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die tief verwurzelte demokratische Kultur der Eidgenossen faszinierte ihn.

Zurückgekehrt in seine schwäbische Heimat, vertrat er mit Feuereifer die naturgemäße Schnittmethode und wollte den württembergischen Obstbau revolutionieren. Doch er stieß dabei auf erheblichen Widerstand. Denn zu festgefahren waren die Obstbauern und Baumwarte in ihren Anbaumethoden. Sie nutzten einfache Techniken, die in den ersten Jahren zwar schnell viel Ertrag lieferten, aber keine Qualität.

Palmer setzte die neue „demokratische Schnittmethode der Schweizer“ in deutlichen Kontrast zur Schnitttechnik der Deutschen, „die ihre Obstbäume nach dem Führerprinzip schneiden“, wie er einmal sagte. Während beim Oeschberg-Schnitt die Last auf mehrere Trägeräste verteilt werde und alle Zweige ausreichend Licht bekämen, sei es hierzulande so, dass einem Haupt-Ast alles untergeordnet werde. „Die oberen Äste bekommen das ganze Licht, die unteren dagegen nichts.“

Die Vorteile der Oeschberg-Palmer-Methode beim Baumschnitt

Ein großer Vorteil der Oeschberg-Palmer-Methode gegenüber anderen Techniken besteht nach Aussage des ersten SOMO-Vorsitzenden Christoph Werner darin, dass auch größere Bestände in einem guten Zustand erhalten werden können, ohne die Obstbauern zeitlich zu überfordern.

Es werde hier mit der Natur gearbeitet und nicht gegen sie. Hinzu komme ein geringerer Arbeitsaufwand. Wer seine Obstbäume nach den Grundsätzen dieser Methode schneide, erhalte mit wenigen Schnitten eine einfache, klar strukturierte und nach oben offene Kronenform.

„Vier bis fünf Leit-Äste bilden vom Stamm weg einen Trichter und sorgen so dafür, dass alle Äste ausreichend Licht bekommen.“ Durch den großen Abstand zwischen den Ästen erhalten die Blätter demnach so viel Sonne, dass die Früchte groß und süß werden. Ernte und Pflege würden durch den Schnitt erleichtert, sagt Werner. Man erhalte leicht bearbeitbare Obstbäume, deren Erträge zunächst nicht quantitativ, später aber vor allem qualitativ sehr gut abschneiden.

Was in den 1950er Jahren noch neu war, setzte sich im Lauf der Jahre zunehmend durch. Es dauerte aber fast zwei Generationen, bis Helmut Palmer zu den Ehren kam, die ihm gebühren. Selbst heute noch wird der Name des wichtigsten Protagonisten des Oeschberg-Schnitts mitunter lieber verschwiegen.

Service

Treffpunkt für den Schnittkurs unter dem Titel „Der Oeschberg-Schnitt – Erziehung einer stabilen Hochstammkrone“ ist das Gasthaus Christoph-Bräu.

Die Teilnahmegebühr beträgt 20 Euro und für Mitglieder zehn Euro, jeweils inklusive Heft „Naturgemäße Baumerziehung“. Anmeldungen sind noch möglich via E-Mail an: vorstand@streuobstwiesen-murg-oos.de.

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