Christliche Tradition für Flüchtlinge im Murgtal: Nikolaus-Besuch in der Gemeinschaftsunterkunft
Für Seydi-Ahmet Bindal ist es eine Premiere: In diesem Jahr erlebt er zum ersten Mal das christliche Weihnachtsfest und die Adventszeit. Denn Bindal ist Muslim und stammt ursprünglich aus der Türkei. Seit Juli dieses Jahres wohnt er in der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Ochsen in Gaggenau-Bad Rotenfels.
Doch ganz unbekannt ist ihm Weihnachten nicht: „Ich kenne die Bräuche und weiß natürlich, was die Adventszeit und Weihnachten für die Christen bedeutet“, betont Bindal. Zudem hätten er und seine Familie etwas Vergleichbares wie Weihnachten gefeiert.
Bei vielen Türken habe es sich eingebürgert, an Silvester die Eltern und Geschwister zu beschenken, Lieder zu singen und „einfach gemütlich zusammenzusitzen“. Das Neujahrsfest in der Türkei orientiere sich an den christlichen Weihnachtsbräuchen.
Aber in diesem Jahr wird für Bindal alles etwas anders sein. „Ich bin gespannt und freue mich“, sagt Bindal. Aber auf was genau? Wie sieht die Weihnachtszeit in den Flüchtlingsheimen im Murgtal aus?
Weihnachten: Eine neue Erfahrung für die Flüchtlinge
In den beiden Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises Rastatt legt man großen Wert darauf, sie für die Bewohner erfahrbar zu machen. Vera Fritz ist die Heimleiterin des ehemaligen Ochsen in Bad Rotenfels. „Ich finde es sehr wichtig, den Bewohnern die christlichen Bräuche näherzubringen“, betont sie. „Wir haben hier nämlich die unterschiedlichsten Nationalitäten.“ Für einen Großteil der Bewohner sei Weihnachten eine neue Erfahrung.
Dennoch ist es laut Fritz nicht notwendig, den Flüchtlingen von Grund auf alles zu erklären. „Die allermeisten wissen zumindest grob, was es mit Weihnachten auf sich hat.“ Das bestätigt auch Natela Vodanovic. Sie leitet die vom Landkreis Rastatt geführte Gemeinschaftsunterkunft Sonnenhof in Gernsbach.
Vodanovic berichtet: „Diejenigen, die mit Weihnachten gar nichts anfangen können, informieren wir natürlich über die Hintergründe – spätestens im Dezember.“ Das ist ihrer Aussage nach aber eher die Ausnahme. Sie fügt hinzu: „Die Bewohner freuen sich sehr über unsere Aktion in der Weihnachtszeit.“
Was wird denn konkret in den beiden Flüchtlingsheimen gemacht? In Bad Rotenfels gibt es für die vorweihnachtliche Stimmung einen Adventskranz mit Kerzen, wie Fritz berichtet. Der stehe aus Brandschutzgründen in ihrem Büro. Einen Adventskranz gibt es im Gernsbacher Sonnenhof nach Vodanovics Angaben zwar nicht. Aber es ist – wie auch im ehemaligen Ochsen – nach zwei Corona-bedingten Ausfällen in diesem Jahr wieder eine Weihnachtsfeier geplant.
Kinder schreiben Wunschzettel
Im Vorfeld der Feier schreiben die Kinder fleißig Wunschzettel mit Dingen, die sie sich wünschen. Mitarbeiter einer Firma aus dem Murgtal kaufen die Geschenke dann ein und übergeben sie in Form einer Spendenaktion an die beiden Flüchtlingsunterkünfte.
„Natürlich können dabei nicht alle Geschenkwünsche erfüllt werden“, sagt Vodanovic. Fritz fügt schmunzelnd hinzu: „Eine Playstation als Wunsch: Das geht natürlich nicht.“ Aber Geschenke im Wert von bis zu 30 Euro pro Kind seien möglich.
Die Spielsachen und anderen gewünschten Dinge werden dann bei den Weihnachtsfeiern an die Kinder überreicht. Im Sonnenhof ist die am 22. Dezember geplant, im ehemaligen Ochsen am 15. Dezember. Ein geschmückter Weihnachtsbaum soll jeweils für eine schöne Stimmung sorgen.
Den werde es auch in den städtischen Flüchtlingsunterkünften in den Gaggenauer Stadtteilen Moosbronn und Freiolsheim geben, erklärt Judith Feuerer auf Nachfrage. Eine Feier werde aber nach aktuellem Stand nicht stattfinden, ergänzt die Pressesprecherin der Stadt Gaggenau. Ob stattdessen etwas anderes geplant ist, sei ihr derzeit nicht bekannt.
Vera Fritz und Natela Vodanovic freuen sich derweil auf die Weihnachtsfeiern in ihren Einrichtungen. „Es wird sehr festlich. Wir essen gemeinsam, sitzen zusammen und unterhalten uns“, sagt Fritz. „Das stärkt den Zusammenhalt.“ Außerdem hat sie Heinz Adolph, unter anderem bekannt als Gaggenauer FWG-Stadtrat, als Weihnachtsmann engagiert. Er soll die Geschenke an die Kinder übergeben.
Für den Sonnenhof sei bisher noch kein Weihnachtsmann gefunden. Vodanovic sagt schmunzelnd: „Die meisten sind ausgebucht.“ Zur Not müsse sich eben der Hausmeister einen Weihnachtsmantel umwerfen.