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Abwasser-Monitoring

Corona-Orakel lässt für den Landkreis Rastatt viele Fragen offen

Die Pandemie mit Hilfe des Abwassers im Blick? Karlsruhe ist beim Corona-Abwasser-Monitoring schon dabei – der Landkreis Rastatt gibt sich dagegen eher zurückhaltend.

Mikroschadstoffe werden eliminiert: Mit der vierten Reinigungsstufe, die es künftig in den Klärwerken Rastatt (Foto) und Gaggenau geben wird, sollen unter anderem Arzneimittelrückstände aus dem Abwasser herausgefiltert werden. Der noch nicht verbindlich vorgeschriebene Ausbau trägt dem Umweltschutz, insbesondere dem Gewässerschutz, Rechnung.
Schmutzwasser aus der Region: Im Rastatter Klärwerk läuft das Abwasser aus sechs Städten und Kommunen zusammen, in Gaggenau aus zweien. Foto: Ralf Joachim Kraft

Die Amtsärzte fordern, dass alle Städte und Gemeinden ins Abwassermonitoring einsteigen sollen, um die Verbreitung von Corona schneller und auch günstiger zu dokumentieren.

Denn während bei der bisherigen Teststrategie eine hohe Dunkelziffer vermutet wird, weil längst nicht jeder an Covid Erkrankte auch einen offiziellen Test macht, geht jeder zur Toilette. Und scheidet dort Viren aus. Eine charmante Idee – die in der Region aber mit Zurückhaltung aufgenommen wird.

Etwa von Sean Allen Brent, dem Leiter der Gernsbacher Stadtwerke. „Das ist ein wichtiges Thema“, sagt er. „Aber das ist nicht so einfach, wie man denkt.“ Zwar werde derzeit viel Forschung betrieben, aber es seien eben auch noch viele Fragen offen.

Landkreis Rastatt befürchtet „Riesenaufwand“ für Corona-Abwasser-Orakel

Tatsächlich sind Länder wie Österreich oder die Niederlande bei dem Thema schon weiter: Bei unseren westlichen Nachbarn wird das Abwasser schon lange auf bestimmte Viren untersucht – inzwischen eben auch auf Corona.

Auch in Deutschland hat man das Thema nicht links liegen gelassen, aktuell läuft ein Pilotprojekt mit 20 Kommunen. Karlsruhe ist beim Corona-Abwasser-Orakel dabei.

Der Aufwand würde in keiner Relation zur Erkenntnis stehen.
Michael Janke, Pressesprecher Landkreis Rastatt

„Im Gegensatz zu Karlsruhe, wo es ein Abwassersystem gibt, gibt es hier im Landkreis eine große Anzahl von Klärwerken“, gibt Kreis-Pressesprecher Michael Janke zu bedenken. „Das wäre ein Riesenaufwand.“

Hinzu kommt, dass nicht alle Systeme gleich seien – es gebe Kommunen mit Mischsystemen, bei denen Regen- und Abwasser zusammenlaufen und Trennsysteme, bei denen das Niederschlagswasser nicht mit dem Abwasser vermengt wird.

Allein das sei schon so unterschiedlich, dass kein einheitliches Bild über die Pandemieentwicklung im Landkreis gewonnen werden könne, so Janke. „Der Aufwand würde in keiner Relation zur Erkenntnis stehen“, sagt der Kreis-Pressesprecher. „Und es bleibt zu fragen, ob es überhaupt eine Erkenntnis gibt.“

Kann ein Monitoring überhaupt einen Mehrwert erreichen zur Pandemiebekämpfung?
Sean Brent, Leiter Stadtwerke Gernsbach

Diese Meinung teilt auch Brent. Er fragt: „Kann ein Monitoring überhaupt einen Mehrwert erreichen zur Pandemie-Bekämpfung?“ Er könne sich vorstellen, dass es sinnvoll sei, sich auf bestimmte Gebiete zu konzentrieren, beispielsweise Ballungsräume – worunter das Murgtal definitiv nicht fallen würde.

Unklar seien auch noch ganz grundsätzliche Fragen zum Vorgehen bei der Probenahme: vom Qualitätsmanagement über das geschulte Personal bis hin zur Probestelle. Die finanziellen Aspekte seien sowieso noch völlig offen, betont Brent: „Das kann man am Ende nicht den Kunden zahlen lassen.“

Was  macht man dann, wenn man was findet?
Thomas Buchter, Technischer Leiter Abwasserverband Murg

273 Euro koste eine Analyse, erklärt Thomas Buchta. Er ist technischer Leiter beim Abwasserverband Murg und damit für die Kläranlagen in Rastatt und Gaggenau zuständig.

Ende 2021 hat sich Buchta erstmals intensiver mit dem Thema beschäftigt, als der Rastatter Gemeinderat nachfragte, ob sich die Stadt nicht an einem kostenpflichtigen Corona-Abwassermonitoring beteiligen wolle. Als dann klar wurde, dass es nicht mal eben möglich sein würde, konkrete Daten für Rastatt auszufiltern, wurde das Ansinnen von der Rathausspitze abgelehnt.

Dass – anders als bei Tests – keine gemeindescharfen Daten entstehen, liegt an der Beschaffenheit des Netzes: Im Gaggenauer Klärwerk fließt zwar das Abwasser aus ganz Gaggenau mit all seinen Stadtwerken zusammen, aber auch das Abwasser aus Ebersteinburg.

In der Rastatter Kläranlage ist es noch komplexer: Neben dem Rastatter Abwasser läuft hier auch das Schmutzwasser aus Bischweier, Kuppenheim, Muggensturm, Ötigheim und Steinmauern zusammen. „Was macht man dann, wenn man was findet?“, fragt Buchta. Zumal bisher auch noch unklar sei, wie viele Viren einer Person zuzuordnen seien.

Die Devise im Landkreis Rastatt lautet: Abwarten und Schnelltest machen

Um also ein wirklich konkretes Bild von Coronaausbrüchen im Landkreis zu erhalten, wäre es nötig, mehrere Probestellen einzurichten. Das wiederum würde aber noch mehr Geld kosten als die 273 Euro pro Probenanalyse. Geräte müssten angeschafft, installiert und gewartet werden.

„Wenn es nur um die Frage geht, ob es Viren gibt oder nicht, das ist kein Problem“, betont Buchta. Doch er stellt auch die moralische Frage: „Was macht man dann? Welche Folgen hat das?“

Der Gernsbacher Stadtwerkechef geht davon aus, dass es noch eine Weile dauern wird, bis aus dem Pilotprojekt konkrete Maßnahmen werden. Die Forderung der Amtsärzte, jetzt mit allen Kommunen einzusteigen, hält er für verfrüht.

Auch die EU empfiehlt, dass Städte ab einer Größe von 150.000 Einwohnern beim Abwassermonitoring mitmachen sollen. Von kleineren Kommunen ist nicht die Rede. „Ich glaube, die Politik wartet erst mal die Forschungsergebnisse ab“, sagt Brent. „Vielleicht wissen wir im nächsten Jahr mehr.“

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