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Auch Leichen sind infektiös

Coronavirus zwingt Angehörige bei Bestattungen zu harten Entscheidungen

Die Corona-Pandemie ist für trauernde Angehörige eine zusätzliche Belastung. Sie müssen sich entscheiden, wer von ihnen zur Bestattung geht - und wer zu Hause bleiben muss. Bei den Bestattern gelten erhöhte Sicherheitsbestimmungen. Auch eine Leiche kann hochinfektiös sein. Eine Bestatterin aus Gaggenau berichtet.

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Letzter Weg: Bei Bestattungen ist ein Trauerzug zum Grab des Verstorbenen üblich. In Zeiten der Corona-Pandemie entfällt er wie auch andere Traditionen. Nur wenige Angehörige dürfen sich zum Abschied versammeln. Foto: Gambarini

Die Corona-Pandemie ist für trauernde Angehörige eine zusätzliche Belastung. Sie müssen sich entscheiden, wer von ihnen zur Bestattung geht - und wer zu Hause bleiben muss. Bei den Bestattern gelten erhöhte Sicherheitsbestimmungen. Auch eine Leiche kann hochinfektiös sein. Eine Bestatterin aus Gaggenau berichtet.

Eine Stunde vor der Bestattung kommt plötzlich eine E-Mail aus dem Kultusministerium. Die Ansage: Das Begräbnis darf nur unter freiem Himmel stattfinden und mit maximal zehn Personen (inzwischen sind nur noch fünf Personen erlaubt - siehe Infobox). Bestatterin Petra Kamm-Schlegel, die schon die Gaggenauer Friedhofskapelle bestuhlt hat, plant hektisch um. Schlimmer noch: Die Hinterbliebenen müssen kurzfristig entscheiden, wer von ihnen zu Beerdigung geht – und wer zu Hause bleibt.

Hinweis der Redaktion Inzwischen sind aufgrund des Infektionsschutzgesetzes in Baden-Württemberg nur noch fünf Anwesende erlaubt. Sie müssen in direkter Linie verwandt sein, in häuslicher Gemeinschaft miteinander leben oder direkte Partnerinnen oder Partner sein - Geistliche und Trauerredner sind von dieser Regelung ausgeschlossen.

„Es tut mir für die Familien weh, dass sie auf diese Art Abschied nehmen müssen“, sagt Kamm-Schlegel. Die Corona-Pandemie hat den Job der Bestatterin auf den Kopf gestellt. Sie kritisiert, dass es für die Umsetzung der Verordnung keine Frist gab, wie etwa bei der Schließung von Schulen.

Familien, die bereits eine Bestattung geplant hatten, mussten deshalb harte Entscheidungen treffen. „Die Situation ist für sie dramatisch“, sagt Kamm-Schlegel. Für die Angehörigen ist die Corona-Krise eine zusätzliche Belastung.

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Friedhof in Gaggenau-Michelbach Foto: Kocher

Die Arbeit der Bestatter hat sich radikal verändert. Bei der Überführung der Toten tragen die Mitarbeiter Schutzanzüge, Masken und Handschuhe. Was viele nicht wissen: Auch Leichen können hochinfektiös sein. „Bislang hatten wir noch keinen Corona-Toten“, berichtet Kamm-Schlegel.

Vorbereitung auf den Ernstfall

Für den Ernstfall ist das Bestattungshaus aber vorbereitet. Die Kliniken müssen auf der Todesbescheinigung angeben, dass ein Mensch am Coronavirus gestorben ist. Die Körper werden in eine dichte Spezialhülle gelegt, die Särge mit dem Aufkleber „infektiös“ versehen.

Corona-Tote werden nicht angekleidet



„Außerdem desinfizieren wir sie gründlich“, erklärt Kamm-Schlegel, „vor allem die Griffe.“ Ein weiterer Unterschied: Corona-Opfer werden zwar würdig in den Sarg gebettet, aber nicht mehr aufwendig angekleidet. „Ich muss meine Mitarbeiter schützen“, betont Kamm-Schlegel.

Sicherheitsabstand am Grab

Die Bestattungen finden gemäß der Landes-Verordnung unter freiem Himmel statt. Mehr als fünf Personen dürfen nicht am Grab stehen – und das auch nur im Sicherheitsabstand. Keine Trauerfeier, kein Trauerzug, keine Umarmungen und kein Händeschütteln: Die neuen Regeln sind streng. „Beim Abschied will man sich gegenseitig Halt geben“, sagt Kamm-Schlegel, „den Trauernden fällt es schwer, darauf zu verzichten.“

Petra Kamm-Schlegel, Bestatterin aus Gaggenau
Petra Kamm-Schlegel, Bestatterin aus Gaggenau Foto: Dominic Körner

Die Entscheidung, wer zur Bestattung kommen darf, ist brutal. Lebenspartner, Geschwister Kinder und Enkel – die Höchstzahl ist in vielen Familien schnell erreicht. Oft bleiben die Schwiegerkinder und Enkel zu Hause.

Digitale Übertragung ist möglich

Eine digitale Übertragung der Bestattung ist möglich, darum müssen sich aber die Hinterbliebenen selbst kümmern. Auch das hat mit der Personenbegrenzung zu tun. „Wir sind auf dem Friedhof nicht mehr dabei“, sagt Kamm-Schlegel.

Grundsätzlich können die Trauernden Bestattungen durchaus aufschieben – bei Särgen bis zu acht Tage, bei Urnen noch länger. Allerdings ist fraglich, ob die Bestimmungen bald gelockert werden. „Außerdem wollen die Menschen einen Abschluss“, sagt Kamm-Schlegel. Das Verhalten ihrer Kunden beeindruckt sie: „Sie sind sehr tapfer.“

Wir werden schon allein aus Pietätsgründen nicht einschreiten.
Gaggenaus Pressesprecherin Judith Feuerer über Verstöße am Grab

Und wenn sich die Menschen am Grab doch in den Armen liegen? „Wir werden schon allein aus Pietätsgründen nicht einschreiten“, betont die städtische Pressesprecherin Judith Feuerer.

Man gehe ohnehin davon aus, „dass die kleinen Trauergruppen überwiegend aus Personen desselben Haushaltes bestehen.“ Zudem sind Menschen, die in gerader Linie verwandt sind, etwa Großeltern, Eltern, Kinder und Enkel, von den Beschränkungen ausgenommen.

Anwesenheitsliste hilft bei Infektionen

Alle Trauernden müssen sich am Grab mit ihrem Namen und Kontaktdaten in eine Anwesenheitsliste eintragen, die das Friedhofsamt verwaltet. So lassen sich Infektionsketten im schlimmsten Fall schnell nachvollziehen.

Feuerer: „Unsere Erfahrung ist, dass die Bürger diese Einschränkungen schmerzen, aber sich viele für eine Bestattung in noch kleinerem Kreis entscheiden und später eine Trauerfeier planen.“

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