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Den Anfang macht eine Zahnarzt-Praxis

Einstiges Eisenwerk in Gaggenau soll zum medizinischen Zentrum werden

In Gaggenau könnte in einem früheren Werksgebäude ein medizinisches Versorgungszentrum entstehen. So wünscht es sich zumindest der Eigentümer.

Neu eingezogen: Direkt neben der Rösterei Eisenwerk liegen die Räumlichkeiten der neuen „Zahnarztpraxis an der Murg“. „Eine eigene Praxis war schon immer mein Ziel“, sagt Katarzyna Stebel. Sie habe eineinhalb Jahre lang eine Praxis zur Übernahme gesucht. Schließlich entschied sie sich zur Neugründung im ehemaligen Gaggenau-Werk am Medienplatz.
Neu eingezogen: Direkt neben der Rösterei Eisenwerk liegen die Räumlichkeiten der neuen „Zahnarztpraxis an der Murg“. „Eine eigene Praxis war schon immer mein Ziel“, sagt Katarzyna Stebel. Sie habe eineinhalb Jahre lang eine Praxis zur Übernahme gesucht. Schließlich entschied sie sich zur Neugründung im ehemaligen Gaggenau-Werk am Medienplatz. Foto: Christiane Widmann

Christian Warth hat eine klare Vorstellung, was er sich für die freien Flächen im ehemaligen Gaggenau-Werk am Medienplatz wünscht: ein medizinisches Versorgungszentrum.

Doch was ist bislang geplant und welche Ärzte könnten sich überhaupt ansiedeln? Die BNN haben nachgehakt.

Wer macht den Anfang?
Katarzyna Stebel macht sich am Medienplatz mit der „Zahnarztpraxis an der Murg“ selbstständig. Die Eröffnung ist für 1. Februar geplant. Langfristig schwebt ihr eine Praxisgemeinschaft mit einem Manualtherapeuten vor, denn einer ihrer Schwerpunkte sind Kiefergelenk-Erkrankungen. Eine weitere Spezialität neben der allgemeinen und der Kinderzahnheilkunde sei die Behandlung von Angst-Patienten. „Ich habe einen sehr guten Draht zu ihnen“, sagt die 35-Jährige. Eine anheimelnde Gestaltung soll den Praxisbesuch angenehmer machen. Bei Bedarf sind Narkosen möglich. Sie hat eine Anästhesistin im Team.

Welche Ärzte fehlen im Murgtal?

„Die fachärztliche Versorgung im Landkreis ist sehr gut, die hausärztliche im Murgtal dagegen schlecht“, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg mit. Diese ist für Ärzte und Psychotherapeuten zuständig. Im Bereich Gaggenau/Gernsbach praktizieren 29 Hausärzte, neun weitere könnten sich niederlassen. Der Versorgungsgrad liegt bei 84,3 Prozent. „Das ist sehr wenig. Hier befürchten wir eine Unterversorgung in den nächsten Jahren“, sagt die Pressereferentin Swantje Middeldorff.

Für Fachärzte im Planungsbereich Baden-Baden/Rastatt „liegen die Werte bei allen Fachgruppen deutlich über den 110 Prozent – außer bei den Nervenärzten, hier ist er bei 100 Prozent“, sagt Middeldorff. „Rein rechnerisch droht also in absehbarer Zeit kein Engpass. Wir kennen natürlich trotzdem die Situation vor Ort, dass Praxen voll oder übervoll sind. Aber wir sind an die Bedarfsplanung gebunden.“

Bei den Zahnärzten sei für das Murgtal „aus heutiger Sicht keine Unterversorgung zu befürchten“, teilt die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg mit. „Es haben zwar in Gaggenau Praxen geschlossen, jedoch haben sich zwei Zahnärzte neu niedergelassen“, sagt Pressesprecher Alexander Messmer. Generell gelte: „In Baden-Württemberg gibt es keine unterversorgten Planungsbereiche.“ Im Bereich Rastatt (Stadt) liege der Versorgungsgrad bei 95,3 Prozent, in Gaggenau (Stadt) bei 91,6 Prozent, in Rastatt (Land) bei 82 Prozent. Als zu hundert Prozent versorgt gelten Bereiche mit einem Zahnarzt pro 1.680 Einwohner. Als unterversorgt gelten sie bei einem Wert unter 50 Prozent.

Wie helfen die Landesverbände?
Die Kassenärztliche Vereinigung fördere die Niederlassung von Hausärzten in bestimmten Kommunen, auch im Murgtal. Das Problem: „Es gibt nicht genug niederlassungswillige junge Mediziner, vor allem Allgemeinmediziner“, sagt die Pressereferentin Swantje Middeldorff.

Die Kassenzahnärztliche Vereinigung biete unter anderem eine Niederlassungsberatung und ein Werbeportal für Kommunen an, teilt der Pressesprecher Alexander Messmer mit.

Ein Ärztehaus bilden – geht das so einfach?
Neun Hausärzte könnten sich im Murgtal niederlassen – auch unter einem Dach. Die Sitze für Fachärzte sind hingegen belegt. Daher könnten nur bestehende Praxen im Landkreis umsiedeln. „Ärzte können sich nicht einfach so niederlassen“, erklärt Swantje Middeldorff, Pressereferentin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Grund ist die oben angesprochene Bedarfsplanung. Diese legt fest, wie viele Ärzte pro Einwohner in einer bestimmten Region zugelassen werden. „Dadurch erhält man eine bestimmte Anzahl an Arztsitzen, die hundert Prozent entsprechen“, erklärt Middeldorff. Bei 110 Prozent ist Schluss. „Die Bedarfsplanung ist in den 90er Jahren eingeführt worden, als eine Ärzteschwemme drohte. Inzwischen haben wir es an vielen Stellen eher mit einem drohenden Ärztemangel zu tun. Das Planungsinstrument hat sich also in einigen Bereichen überholt. Nichtsdestotrotz sind wir daran gebunden.“

Für Zahnärzte ist die Sache einfacher. „Jeder Zahnarzt darf sich niederlassen, wo er möchte“, sagt Alexander Messmer, Sprecher der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Eine Ausnahme sei die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren durch Krankenhäuser: Sie müssen aufgrund des Terminservice- und Versorgungsgesetzes seit Mai 2019 eine Quote beachten. Diese richtet sich nach dem Versorgungsgrad im betroffenen Bereich und begrenzt die Zahl der Zahnarztstellen.

Wer zieht noch ins Eisenwerk?
Im Erdgeschoss öffnet voraussichtlich Ende Januar eine Filiale des Personaldienstleisters Orizon. Im April zieht der Fotograf Stephan Kaminski von der Gernsbacher Stadtmitte an den Gaggenauer Medienplatz. Im Gebäude stehen noch weitere Flächen zur Verfügung. Zudem werden Mitte des Jahres Räumlichkeiten frei: Dann verlegt die Post AG ihren DHL-Zustellstützpunkt in den Stadtteil Bad Rotenfels. Die Rösterei Eisenwerk und die Werbeagentur Kraftjungs hingegen bleiben im Eisenwerk. Zu weiteren künftigen Mietern gibt der Eigentümer Christian Warth keine Auskunft. Er verweist auf laufende Verhandlungen. „Unser Anliegen ist nach wie vor, langfristig den Anteil von Praxen im Gebäude zu erhöhen und die Immobilie als medizinisches Versorgungszentrum zu entwickeln.“

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