Ein älteres Ehepaar aus Gaggenau erhält am Dreikönigstag einen alarmierenden Anruf. Am Telefon ist eine unbekannte Frau, die den Eheleuten erzählt, ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht. Das Paar könne nun verhindern, dass die Tochter ins Gefängnis kommt, indem es eine Kaution zahlt.
Als eine Kurierin noch am gleichen Tag bei den beiden Über-80-Jährigen auftaucht, händigen sie ihr Schmuck und mehrere Wertgegenstände aus. Wenig später folgt das böse Erwachen: Die Geschichte mit dem Unfall war frei erfunden. Die Wertsachen sind futsch. Die Senioren wurden Opfer eines sogenannten Enkeltricks.
Wie verbreitet ist diese Form des Trickbetrugs im Murgtal? Wie gehen die Täter vor? Und wie kann man sich schützen? Die BNN haben bei der Polizei nachgefragt.
Wie verbreitet ist der Enkeltrick in der Region?
Der Polizei wurden im Vorjahr zwei vollendete Enkeltricks gemeldet, wie Polizeioberkommissar Rüdiger Schaupp auf Anfrage dieser Redaktion berichtet. Im gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Offenburg, also im Landkreis Rastatt, in Baden-Baden und im Ortenaukreis, waren es laut Schaupp zwölf vollendete Taten. Der Gesamtschaden betrage rund 180.000 Euro. Im Polizeipräsidium Offenburg seien rund 600 Anrufe zur Anzeige gebracht worden. Bei den Anrufen ohne Schaden geht Schaupp von einer hohen Dunkelziffer aus: „Nicht jeder meldet einen Anruf bei der Polizei.“ Manche nähmen keine unbekannten Anrufe entgegen oder legten sofort wieder auf. In den Vorjahren sah die Statistik laut Schaupp ähnlich aus.
Welche Masche wenden die Täter an?
Es gibt verschiedene Varianten des Enkeltricks. Einige Betrüger behaupten, ein Angehöriger habe einen tödlichen Unfall verursacht und könne nur nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden – so wie im Fall des älteren Ehepaars in Gaggenau. Dabei meldet sich zuerst eine weinerliche Stimme, die sagt, dass etwas Schlimmes passiert sei, und im Anschluss ein angeblicher Polizeibeamter. In anderen Fällen behaupten die Täter, ein Angehöriger brauche Geld für seine Wohnung oder sein Auto. Zuerst meldet sich der vermeintliche Enkel am Telefon. Anschließend ein angeblicher Notar, der einen Mitarbeiter vorbeischickt, um das Geld abzuholen. Es gibt auch eine Corona-Variante des Enkeltricks: Dabei behaupten die Anrufer, ein Angehöriger sei schwer an Corona erkrankt und brauche dringend ein teures Medikament aus dem Ausland. In solchen Fällen meldet sich häufig ein angeblicher Arzt.
Wie finden die Betrüger ihre Opfer?
Über das Telefonbuch. Dort suchen sie nach Namen, die alt klingen, oder nach kurzen Telefonnummern. Die Polizei empfiehlt älteren Menschen daher, sich aus dem Telefonbuch streichen zu lassen, ihre Telefonnummer zu tauschen und diese „geheim“ zu halten.
Wie sollte man vorgehen, wenn man einen ominösen Anruf erhält?
Nicht darauf eingehen und das Telefonat umgehend beenden. Gegebenenfalls selbst bei der oder dem angeblich betroffenen Angehörigen oder bei der örtlichen Polizei anrufen. Die Polizei rät, das Telefonat vorher auf jeden Fall selbst zu beenden und sich nicht verbinden zu lassen.
Was weiß man über die Täter?
Laut Schaupp handelt es sich um Familien-Clans aus Osteuropa. Die Täter rufen aus dem Ausland an. Die Telefonnummer ist oft unbekannt oder „gespooft“, also manipuliert. Die Anrufe sind daher nur schwer rückzuverfolgen. Sogenannte Logistiker koordinieren die Abholer und lotsen sie zum Tatort.
Welche Folgen hat ein Enkeltrickbetrug für die Opfer?
Natürlich finanzielle. Aber schlimmer sind häufig die psychischen Folgen. Die Opfer machen sich Vorwürfe und schämen sich, dass sie auf die ihnen doch meistens bekannte Masche hereingefallen sind. Häufig trauen sie sich nicht, mit Angehörigen oder Bekannten darüber zu reden.
Wie können Angehörige vorbeugen?
Indem sie mit ihren Eltern oder Großeltern sprechen und sie sensibilisieren. Sie sollten sie außerdem darauf hinweisen, niemals fremden Personen Geld zu übergeben. Weder die Polizei noch das Gericht lässt Bargeld oder Wertgegenstände abholen.