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Geheimnisvoller Ort

Im Krieg gesprengt: Brücke am Holdereck stand nur 31 Jahre

Nur 31 Jahre stand die steinerne Brücke am Holdereck. Der stählerne Nachkriegsbau ist inzwischen mehr als doppelt so alt. Kaum einer der Fahrgäste in der Stadtbahn dürfte ahnen, wie viel Geschichte an diesem Platz schlummert.

Ein Zug fährt über eine große Brücke.
Kunstvoll und aus Stein: So präsentierte sich der Talübergang Forbach bis 1945. Foto: Kreisarchiv Rastatt

Der Ort strahlt etwas Mystisches aus. Tief unten am Fluss, an der Stelle, an der die Murgtalbahn auf einer Brücke das wildromantische Tal überquert, gibt es einen „Lost Place“, also einen „vergessenen Ort“ der besonderen Art. Unterhalb des 362 Meter langen Haulertunnels liegen jede Menge Granitsteine – Reste von gemauerten Bögen oder Pfeilern. Dazu gesellen sich behauene Quader, wie hingestreut in die Landschaft.

Ein mächtiger Klotz aus Beton und Naturstein, ehemals eine Pfeilerbasis, ist gekippt, weg gesprengt. Seit nunmehr fast 75 Jahren harrt er so aus; seiner Funktion beraubt, von Efeu, Farn und anderen Pflanzen überwuchert. Eisenbahnarchäologie vor den Toren Forbachs, nur einen entspannten Spaziergang vom Bahnhof entfernt.

An Sommerwochenenden, wenn die Erholungssuchenden anrücken, geht das Geheimnisvolle schnell im Bade- und Fetentrubel unter, doch an einem Werktag-Abend wird die Stille nur von gelegentlichem Motorradlärm auf der B462 und der ein oder anderen Stadtbahn unterbrochen.

Der Besucher heute kann sich kaum noch vorstellen, dass an dieser Stelle einmal eine kunstvolle wie kühne, steinerne Eisenbahnbrücke die Bahn auf dem Streckenabschnitt von Forbach nach Raumünzach über die Murg führte – bis sie, in der ersten Aprilhälfte 1945, in den letzten Kriegstagen, völlig sinnlos, von den Deutschen gesprengt wurde.

Talübergang bei Forbach als „bedeutendstes Bauwerk“

Schon Oberbauinspektor Friedrich König, einstmals Vorstand der Bahnbauinspektion Gernsbach, lobt in der Ausgabe der „Deutschen Bauzeitung“ vom 15. Februar 1919 den von 1912 bis 1914 errichteten Viadukt:

„Als bedeutendstes Bauwerk der Strecke, wohl auch als hervorragendstes der ganzen Murgtalbahn […] ist der Talübergang bei Forbach zu bezeichnen […]. Er überspannt mit drei, nur wenig von der Kreisbogenform abweichenden Korbbögen von 36,76, 42,5 und 39,33 Metern Spannweite rechtwinklig das Tal.“

Mit den Fundamenten und dem Aufmauern der Pfeiler wurde im Oktober 1912 begonnen. In 451 sogenannten Taglöhnerschichten wurden 746 Kubikmeter Material ausgehoben (ein handelsüblicher Dreiachs-Kipplaster von heute fasst zehn Kubikmeter).

Bis Ende September 1913 war der erste Hauptbogen fertig, im Dezember 1914 stand der ganze Bau, schrieb König vor 100 Jahren in seiner Betrachtung. Der Talübergang Forbach ist eine der ganz markanten Brücken der Murgtalbahn, deren erster Abschnitt von Rastatt nach Gernsbach vor 150 Jahren eröffnet wurde.

Brücke fügt sich gut in das prächtige Landschaftsbild ein.
Friedrich König, Oberbauinspektor Anfang des 20. Jahrhunderts

„Die Hauptgewölbe sind aus vollkantigen, rauh bearbeiteten Quadern aufgeführt und weisen Stärken von 2,2 und 2,4 Metern an den Kämpfern, von 1,52 Metern im Scheitel auf. Trotz dieser kräftigen Abmessungen erscheint das Bauwerk als zart gegliedertes Gebilde, das mit seinen kühnen Bögen und weiten Oeffnungen sich gut in das prächtige Landschaftsbild einfügt“, so König weiter.

Versorgungsgerüst mit „Dienstbahngleis“

Um die Eisenbahnbrücke errichten zu können, wurde das übliche, hölzerne „Lehrgerüst“ aufgestellt. Es ist die Schalung, auf der die Bögen Lage um Lage empor wuchsen. Daneben entstand ein großes Versorgungsgerüst.

Beim Betrachten von alten Fotografien fühlt man sich ein wenig an die großen Holzbrücken der US-amerikanischen Eisenbahnen erinnert. Über die mächtig erscheinende Konstruktion wurde die Versorgung der Baustelle mit Material abgewickelt – und zwar auf der Schiene, denn auf dem Gerüst lag ein „Dienstbahngleis“.

Abläufe auf Baustelle bei Forbach waren eng verzahnt

Die Planer hatten alle Abläufe auf dem in den Jahren 1912 bis 1915 entstandenen Streckenabschnitt zwischen Forbach und Raumünzach eng verzahnt. Ein Teil der Granitquader für die Brücke stammte zum Beispiel aus den Gesteinsmassen, die beim Bau des Raumünzacher Bahnhofs anfielen.

Die alte Holdereck-Brücke, wie sie der Volksmund nach dem nah gelegenen, ehemaligen Kurhaus nennt, war 32 Meter hoch sowie 152 Meter lang und damit die längste im Verbund der „prominenten Viadukte“ (mehr als 100 Meter Länge) auf der Murgtalbahn.

Von diesen vier großen Hochbauten ist heute nur noch der kühn geschwungene Tennetschlucht-Viadukt erhalten. Er hat sein „Überleben“ der Zivilcourage zweier Männer zu verdanken: Dem Zimmermeister Julius Großmann – Vater des letzten Bühler Landrats, Dr. Josef Großmann und Emil Wunsch. Kreisarchivar Martin Walter hat Josef Großmann vor dessen Tod interviewt.

Nach den daraus entstandenen, noch nicht publizierten Aufzeichnungen, hat Großmann damals als Stellvertreter von Kompaniechef Wunsch mit seinen Volkssturmleuten den SS-Befehl zur Sprengung durch kluge Verzögerungstaktik unwirksam werden lassen. Im Gespräch mit Walter nennt Großmann den 12. April 1945 als entscheidendes Datum. Seit 2005 erinnert eine Gedenktafel an die mutige Rettungsaktion.

Wehrmacht gab Murgtal am 10. April 1945 auf

An der Holdereck-Brücke (wie auch am Christophstal-Viadukt und am Talübergang Langenbrand) wurde die Anordnung vollzogen. Am Ausgang des Krieges änderte sich nichts. Die Franzosen als Teil der Alliierten Streitkräfte nahmen seit dem 7. April 1945 das Murgtal ein. Das Oberkommando der deutschen Wehrmacht gab den Landstrich am 10. März auf, die in Bermersbach stationierte SS machte sich aus dem Staub.

Heute überspannt an der Stelle, an der einst der Steinbau stand, eine 144 Meter lange Stahlbrücke die Murg. Es handelt sich um ein Provisorium, errichtet von den Franzosen, das ab dem Spätjahr 1947 diese Lücke auf der Murgtalbahn schloss. Inzwischen ist es deutlich älter als seine Vorgängerin.

Umfangreiche Sanierung an Murgtalbahn

Gerade wird der Stahlkoloss saniert, und erhält einen neuen Korrosionsschutz. Insgesamt investiert die Albtalverkehrsgesellschaft als Betreiber der Strecke mehrere Millionen Euro in ein ganzes Bündel an Instandhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen an der Murgtalbahn.

Der Talübergang Forbach zählt dabei laut Michael Krauth zu den größten Posten. Nach umfangreichen Vorarbeiten kann die Brücke nun abgestrahlt und mit Rostschutz versehen werden, so der Pressesprecher der Verkehrsbetriebe Karlsruhe weiter.

Danach wird es wieder ruhig am „Lost Place“ und wohl kaum einer der Reisenden in den Stadtbahnen wird wissen, dass unter (und in) der Stahlbrücke deutsche Geschichte schlummert.

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