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Kompromiss mit Zusatzschildern

Gaggenau benennt die Hindenburgstraße nicht um

Der erste Versuch zur Umbenennung der Hindenburgstraße im Gaggenauer Stadtteil Bad Rotenfels war nicht von Erfolg gekrönt, im zweiten Anlauf wird es im neuen Jahr eine Kompromisslösung geben: Die Stadtverwaltung bestätigte BNN-Informationen, wonach die Hindenburgstraße zwar weiterhin nicht umbenannt wird, jedoch die Straßennamensschilder an allen drei Standorten durch Hinweisschilder ergänzt werden.

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In Pforzheim noch Ehrenbürger: Paul von Hindenburg. Fünf Straßen sind im Enzkreis nach dem Reichspräsidenten benannt. Foto: AFP

Der erste Versuch zur Umbenennung der Hindenburgstraße im Gaggenauer Stadtteil Bad Rotenfels war nicht von Erfolg gekrönt, im zweiten Anlauf wird es im neuen Jahr eine Kompromisslösung geben: Die Stadtverwaltung Gaggenau bestätigte BNN-Informationen, wonach die Hindenburgstraße zwar weiterhin nicht umbenannt wird, jedoch die Straßennamensschilder an drei Standorten durch Hinweisschilder ergänzt werden. Dies soll laut Pressestelle im Frühjahr 2019 erfolgen. Der Text auf diesen Hinweisschildern sei mit Historikern aus der Stadt abgestimmt worden.

"Für Kriegsverbrechen verantwortlich"

Zu diesen Historikern gehört Ulrich Behne, der bis zu seinem Ruhestand Geschichte und Deutsch (auch als Fachleiter) am Goethe-Gymnasium Gaggenau gelehrt und durch mehrere Recherchen auf sich aufmerksam gemacht hat (unter anderem zum „Jüdischen Leben in Gaggenau und Umgebung“). Der Text auf den zusätzlichen Schildern lautet:  „Paul von Hindenburg (1847 – 1934) war im Ersten Weltkrieg als Chef der Obersten Heeresleitung für das Prinzip der verbrannten Erde in Frankreich und andere Kriegsverbrechen verantwortlich. Er bekämpfte die Befürworter eines Verständigungsfriedens, die er nach der katastrophalen Niederlage mit der Dolchstoßlegende belegte. Als Reichspräsident der Weimarer Republik ernannte er am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler.“

Vorstoß von Ulrich Behne

Ulrich Behne war auch wesentlich an dem ersten Vorstoß beteiligt, mit Blick auf die Kriegsverbrechen deutscher Truppen im Ersten Weltkrieg, die Paul von Hindenburg als Generalfeldmarschall und Chef der Obersten Heeresleitung mit zu verantworten hat, die Hindenburgstraße im Bad-Stadtteil umzubenennen. Unter anderem hat Hindenburg im Januar 1917 beim Kaiser die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges durchgesetzt, womit er England zur Kapitulation zwingen wollte – das bedeutet die Versenkung von internationalen, also auch amerikanischen Handelsschiffen ohne vorherige Warnung mit dem Tod Hunderter unschuldiger Zivilisten.

Verbrannte Erde in Frankreich

Behne hatte in nicht öffentlicher Sitzung vor dem Gemeinderat Gaggenau auch auf ein weitgehend unbekanntes Verbrechen an der französischen Bevölkerung aufmerksam gemacht: In der Picardie und im Pas-de-Calais wurde im Rahmen der Begradigung der Front die Bevölkerung deportiert und das gesamte Gebiet nach dem Prinzip der verbrannten Erde systematisch verwüstet. Insgesamt 200 Ortschaften samt der Infrastruktur wurden zerstört, sogar Alleebäume gefällt und die Brunnen verseucht.

"Tausch" gegen Meyerhoff-Straße im Gespräch

Der Vorschlag von Ulrich Behne bestand darin, die „belastete“ Hindenburgstraße in Dr.-Isidor-Meyerhoff-Straße umzubenennen. Meyerhoff war ein jüdischer Arzt aus Rotenfels, der kranke Menschen auch dann betreute, wenn sie die Behandlung oder Medikamente nicht bezahlen konnten. 1938 wurde er von Nazis fast zu Tode geprügelt und vertrieben, 1940 starb er verarmt in einem sogenannten Judenhaus in Mannheim. Behne machte sich wiederholt für eine späte Anerkennung des segensreichen Wirkens von Meyerhoff stark.

"Anwohner nicht belasten"

Inzwischen ist die Dr.-Isidor-Meyerhoff-Straße in Gaggenau tatsächlich Realität geworden, das neue Straßennamenschild wurde im April 2018 im Beisein von in den USA lebenden Nachfahren von Isidor Meyerhoff feierlich enthüllt. Doch hatten die Stadtoberen nicht die Hindenburgstraße ausgewählt, sondern die Bruchgrabenstraße – durchaus auch eine längere Straße (die hoch zum Wohngebiet „Heil“ führt), aber mit nur wenigen unmittelbaren Anliegern. Denn Stadtverwaltung und Gemeinderat hatten zuvor schon in nicht öffentlichen Sitzungen entschieden, die etwa 350 Bewohner in rund 85 Anwesen der Hindenburgstraße von dem organisatorischen Aufwand einer Adressänderung zu verschonen.

Zusatzschilder an drei Standorten

Dies gilt auch jetzt noch. Die Pressestelle der Stadtverwaltung schreibt auf BNN-Nachfrage: „Eine Adressänderung würde für die Bewohner einen erheblichen Aufwand nach sich ziehen. Diesen wollte die Verwaltung den Anwohnern ersparen und hat dem Gemeinderat deshalb vorgeschlagen, die Straße nicht umzuwidmen, sondern die Straßennamensschilder an allen drei Standorten durch ein Hinweisschild zu ergänzen, das weitere Informationen zur Person Hindenburg gibt.“ Eine Umbenennung hat beispielsweise die Stadt Bühl vollzogen: 2013 wurde in der Zwetschgenmetropole die Hindenburgstraße in Herbert-Odenheimer-Straße umbenannt. Allerdings: Auch in Bühl zählte die einstige Hindenburgstraße nur wenige private Anlieger.

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