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Gemeinderat beschließt Prüfung

Brechstangenmethode und lebensbedrohliche Fehlentwicklung: Fußgängerzone Gernsbach bleibt ein Streitthema

Nach einer emotionalen Debatte beschließt der Gemeinderat, die Verkehrsführung einer Evaluation zu unterziehen. Bei dem Prozess mit externer Moderation sollen alle Betroffenen (Wohneigentümer, Handel und Gewerbe) mit an den Tisch.

Um den Verkehr in der Fußgängerzone weiter zu beschränken, prüft die Stadt, ob physische Barrieren helfen können. Es werden Angebote von Fachfirmen für Absperrpfosten eingeholt. Markierungen, wo diese hinkommen könnten, sind schon vorhanden.
Um den Verkehr in der Fußgängerzone weiter zu beschränken, prüft die Stadt, ob physische Barrieren helfen können. Es werden Angebote von Fachfirmen für Absperrpfosten eingeholt. Markierungen, wo diese hinkommen könnten, sind schon vorhanden. Foto: Biagio Viola

Es sind markige Worte, die am Montagabend im Gemeinderat zur Fußgängerzone zu Gehör kommen: Von Brechstangenmethode und lebensbedrohlichen Fehlentwicklungen ist die Rede; Forderungen, die Reißleine zu ziehen und die Rolle rückwärts zu machen, werden laut.

CDU und Freie Bürger wollen gegensteuern, SPD und Grüne halten das für falsch. Am Ende einer teils hitzigen Debatte steht die Entscheidung, die Verkehrsführung der Altstadt noch vor dem Sommer in einem öffentlichen Prozess mit externer Moderation unter Beteiligung der Betroffenen (Wohneigentümer, Handel und Gewerbe) zu evaluieren.

„Dann liegen die Erfahrung fast eines ganzen Jahres vor“, erklärt Fraktionschef Uwe Meyer den Antrag der Freien Bürger, der mit 15 Ja-Stimmen letztlich eine deutliche Mehrheit findet. Das Büro Citiplan, das den ersten Beteiligungsprozess begleitet hat, soll den Prozess moderieren.

Meyer betont indes, seine Fraktion stehe „nach wie vor hinter der Einführung einer Fußgängerzone auf dem Stadtbuckel: Allerdings ist die Akzeptanz der Neuerung bei den Bewohnern und Gewerbetreibenden der Altstadt eher negativ belegt. Hier gilt es, die Betroffenen mitzunehmen und in gewissen Bereichen nachzusteuern.“

CDU plädiert für Rolle rückwärts

Dieses Nachsteuern wäre bei der Verkehrsführung eine Rolle rückwärts, ginge es nach dem Willen der CDU. Der Status quo „führt aus unserer Sicht nicht zu dem Ziel, eine lebendige Altstadt mit einem gemischten Einzelhandelsangebot, das zum Flanieren und Sightseeing einlädt, zu generieren“, sagt Frauke Jung.

Die Christdemokraten beantragen daher, die Sperrung auf die Wochenenden (Samstag ab 13 Uhr bis Montag um 6 Uhr vom Marktplatz bis zum Metzgerbrunnen) zu beschränken. An den übrigen Tagen soll die Durchfahrt der Altstadt im Schritttempo erlaubt sein. Zudem fordert die Fraktion, die Schwellen (Aufpflasterungen auf Höhe der Metzgerei Decker und am Eiscafé Fran Rosa) zurückzubauen und einen barrierefreien Zugang zur Altstadt zu schaffen.

Mir blutet das Herz. Wenn das so weiter geht, brauchen wir die Evaluierung nicht mehr, weil es uns dann nicht mehr gibt.
Thomas Knapp, FW-Stadtrat und Gewerbetreibender

Der Antrag der CDU findet zwar nur sieben Ja-Stimmen, aber Irene Schneid-Horn (SPD) stimmt immerhin zu, dass die Schwellen weg können. Für sie seien Poller wichtiger, um endlich auch die Uneinsichtigen dazu zu bringen, mit ihren Fahrzeugen nicht mehr in die Fußgängerzone einzufahren.

Es müsse Leben in die Altstadt kommen, das schon vor der Sperrung nicht da gewesen sei – wegen der „Autobahn nach Staufenberg“, wie die Fraktionschefin der Sozialdemokraten moniert. Für einen Abgesang auf den Altstadtentwicklungsprozess sei es viel zu früh.

Drei große Pakete für die Altstadt

Das sieht auch Bürgermeister Julian Christ (SPD) so. Es stecke viel Aufwand hinter der angestoßenen Entwicklung, die ja erst ganz am Anfang stehe. Er verweist auf Lob seitens der Städteplaner und des Regierungspräsidiums Karlsruhe, „dass wir diese Verkehrsberuhigung endlich eingeschlagen haben“.

Volker Arntz (SPD) unterstreicht das: Man habe sich im Gemeinderat auf drei große Pakete für die Altstadt verständigt, die insgesamt 14 Maßnahmen umfassen. „Von denen haben wir bisher eine umgesetzt – und jetzt wollen wir evaluieren?“, stellt Arntz auch dieses Vorhaben in Frage und nennt es einen Schildbürgerstreich.

Bürgermeister Christ steht zu Verkehrsberuhigung

Für mehrere Betroffene geht es derweil um die Existenz. Das macht Optikermeister Thomas Knapp deutlich, der von teils erheblichen Umsatzeinbußen der Gewerbetreibenden in der Altstadt berichtet: „Mir blutet das Herz. Wenn das so weiter geht, brauchen wir die Evaluierung nicht mehr, weil es uns dann nicht mehr gibt“, zeichnet der Geschäftsmann ein düsteres Bild.

Auch er sei nicht grundsätzlich gegen eine Sperrung, diese sollte aber mit Bedacht erfolgen, nicht mit der Brechstange. „Geht doch mal raus und fragt die Leute“: Fast schon flehentlich versucht Thomas Knapp die Ratskollegen zu animieren, das Ohr bezüglich der Fußgängerzone am Volk zu haben: „Von euch sieht man keinen in der Altstadt“, klagt der Mandatsträger der Freien Bürger in Richtung SPD und Grüne.

Die 24/7-Sperrung hilft unserer Altstadt nicht. Wir waren mehr visionsgetrieben als faktenorientiert
Stefan Freundel, CDU-Gemeinderat

„Wir merken, dass wir eine Entscheidung getroffen haben, die kontraproduktiv ist“, bestätigt Stefan Freundel für die CDU die Einschätzung Knapps: „Die 24/7-Sperrung hilft unserer Altstadt nicht!“

Von daher sollte man die Rolle rückwärts vollziehen und zu einer zeitweisen Sperrung zurückkehren. „Wir waren mehr visionsgetrieben als faktenorientiert“, analysiert Freundel. Und Rudi Seyfried (Freie Bürger) fragt sich: „Sind wir nicht im Stande, Fehler zu korrigieren?“

Diese Fehler sieht man bei den Grünen nicht: „Wir tun gerade so, als hätten wir vorher eine florierende Altstadt gehabt – das hatten wir aber nicht“, wundert sich Birgit Gerhard-Hentschel über die Diskussion: „Ich denke, wir sollten den Prozess weiter gehen, ihm Zeit geben.“ Jetzt wird erst mal evaluiert.

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