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Steigen die Gebühren?

Die Stadt Gernsbach muss sparen: Diese Investitionen stehen auf der Kippe

Ein massiver Sanierungsstau, hohe Personalkosten, teure Bäder - und dann auch noch Corona: Die Stadt Gernsbach muss dringend sparen. Die BNN zeigen, welche Investitionen jetzt auf dem Prüfstand stehen - und welche Projekte sicher sind. Ein Stadtrat bringt steigende Gebühren ins Gespräch. Die CDU kritisiert die Stadt.

Luftbild Gernsbach Stadtmitte
Die Stadt Gernsbach muss sparen. Ihr Haushalt war bereits vor der Corona-Krise angespannt. Foto: Hertweck

Ein massiver Sanierungsstau, hohe Personalkosten, teure Bäder - und jetzt auch noch Corona: Die Stadt Gernsbach steht finanziell unter großem Druck. Die Pandemie hat ein Loch in Höhe von 2,3 Millionen Euro in den Haushalt gerissen. Gemeinderäte rechnen mit drastischen Einsparungen. Auch steigene Gebühren könnten eine Option sein. Nun erklären die Fraktionssprecher, welche Investitionen auf der Kippe stehen und welche Projekte sicher sind. Die BNN beantworten die wichtigsten Fragen zum Gernsbacher Haushalt.

Wie ist die aktuelle Situation?

Schon vor der Corona-Krise stand unter dem Gernsbacher Haushalt erstmals seit Jahren ein Minus von 470.000 Euro.

Allein in die Kinderbetreuung kostet die Stadt 2020 rund 8,8 Millionen Euro. Weitere 5,1 Millionen Euro investiert sie in die Schulen. Die Instandhaltung der vier städtischen Bäder kostet 1,5 Millionen Euro. Zu Jahresbeginn, noch vor der Krise, waren zudem die Gewerbesteuer-Einnahmen eingebrochen.

Die Corona-Pandemie verschärft die Situation nun weiter. Dringende Investitionen bei Pflichtaufgaben wie die Sanierung der Grundschule, die Sanierung des Rathauses und die Umsetzung des Feuerwehrbedarfsplanes sind nach städtischen Angaben „mittelfristig nicht finanzierbar”.

Warum hat die Stadt finanzielle Schwierigkeiten?

FBGV-Sprecher Uwe Meyer sieht hinter der Gernsbacher Schieflage auch ein strukturelles Problem. „Die immensen, sozialpolitisch gewollten Aufwendungen für Betreuung und Bildung, die ohne adäquate Finanzausstattung durch Bund und Land geschultert werden müssen, bringen die Kommunen an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit”, kritisiert Meyer.

Er wirft der Politik vor, die Städte und Gemeinden in der Corona-Krise allein zu lassen: „Die Maßnahmen zur Stützung der Kommunen wurden bisher vollmundig verkündet”, sagt er, „aber er ist bisher nur sehr wenig angekommen.”

Widerspruch kommt von den Grünen. „Corona kann nach den umfangreichen Maßnahmenpaketen des Landes und des Bundes für die Kommunen den Gemeindehaushalt 2020 nicht belasten”, betont Birgit Gerhard-Hentschel. Allein das Land stelle drei Milliarden Euro bereit, an denen Gernsbach partizipiere.

Statt der Pandemie führt die Grünen-Sprecherin andere Ursachen für die finanziellen Schwierigkeiten der Stadt auf. „Der angespannte Haushalt ist eine Kombination aus Sanierungsstau und Gewerbesteuer-Rückgang - noch vor dem Lockdown”, sagt Gerhard-Hentschel.

In dieselbe Kerbe schlägt SPD-Sprecherin Irene Schneid-Horn: „Die angespannte Haushaltslage hat sich schon bei der Einbringung des Haushaltes abgezeichnet.” Die Steuerausfälle durch Corona wollten Bund und Länder in diesem Jahr abmildern. „Richtig prekär könnte es für die Gemeinden 2021 werden”, warnt Schneid-Horn.

Sie sieht aber auch die Stadt in der Verantwortung: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie seit Längerem einen gravierenden Sanierungsstau bei öffentlicher Infrastruktur und Gebäuden vor sich herschiebt.”

Frauke Jung kritisiert die Stadt. „Der Aufwand pro Einwohner liegt in Gernsbach seit Jahren über dem Niveau vergleichbarer Städte”, betont die Sprecherin der CDU-Fraktion. Dennoch seien die gesamten Aufwendungen in den vergangenen Jahren „permanent angestiegen”.

Jung rückt vor allem die Personalkosten in den Blick. Sie fordert ein Organisationsgutachten von außen. Beispielsweise könne die Gemeindeprüfungsanstalt „ermitteln, ob das Personal an der richtigen Stelle eingesetzt wird.”

Die Stadt Gernsbach (14.400 Einwohner) wendet für ihr Personal aktuell 11,1 Millionen Euro auf. Zum Vergleich: In Karlsbad (15.800 Einwohner) liegen die Kosten bei 7,5 Millionen Euro, in Kraichtal (14.600 Einwohner) sogar nur bei 5,4 Millionen Euro.

Die CDU-Fraktion habe in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass der Haushalt zu optimistisch geplant sei. „Die Spitze des Rathauses hat mit der Mehrheit des Gemeinderats alle Warnungen ignoriert und uns in die Situation hineinmanövriert”, kritisiert Jung.

Die AfD-Gruppierung sieht im städtischen Sanierungsstau einen Hauptgrund für die finanziellen Probleme. „Er besteht noch und lässt sich nicht in wenigen Jahren auflösen”, sagt Sprecher Ernst-Dieter Voigt.

Wo muss gespart werden?

„Es muss jedem Gemeinderat klar sein, dass Gernsbach über seine Verhältnisse lebt”, sagt Irene Schneid-Horn. Viele Einrichtungen seien mehrfach vorhanden, also in jedem Stadtteil. „Sie aufrecht zu erhalten, ist eine enorme finanzielle Herausforderung.”

Was die SPD-Sprecherin meint: Feuerwehrhäuser, Hallen, Freibäder. „Man wird künftig nicht umhinkommen, unliebsame Entscheidungen zu treffen, die auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen könnten”, sagt Schneid-Horn.

Eine solche wäre die Schließung des Lautenbacher Freibades gewesen, die der Gemeinderat im Januar nach heftigen Protesten und einer emotionalen Debatte verworfen hatte. „Die Sanierung des Bades als viertes Gernsbacher Schwimmbad halten wir für nicht verantwortbar”, sagt Schneid-Horn und verweist auf dringende Aufgaben wie die Kinderbetreuung.

„Das Lautenbacher Bad ist eine Zusage aus früheren Zeiten, also noch Geld da war”, sagt Ernst Dieter-Voigt: „Es wagt niemand, dieses heiße Eisen anzufassen.”

Wie Schneid-Horn hält auch Frauke Jung die städtischen Strukturen für problematisch, gibt aber zu bedenken: „Gerade in den Stadtteilen ist es schwierig abzuwägen, welche Infrastruktur ist noch notwendig und welche nicht.”

Gradmesser müsse dabei immer sein, was sich die Stadt tatsächlich leisten könne. „Wir wollen nicht, dass unsere Kinder und Enkel unsere Schulden zurückzahlen müssen und nicht mehr selbst gestalten können”, mahnt die CDU-Fraktionsvorsitzende.

„Es wird immer schwierig bleiben, Zukunftsinvestitionen zu tätigen und zu finanzieren”, sagt auch FBVG-Sprecher Uwe Meyer mit Verweis auf die städtische Struktur. „Ich bin seit 1999 im Gemeinderat, und es war nie einfach”, erinnert er sich.

Welche Projekte sind Pflicht?

„Investitionen in Bildung und Erziehung sind prioritär”, sagt Uwe Meyer. Die begonnenen Projekten müssten alle umgesetzt werden - darunter Schulsanierungen und der Ausbau von Betreuungsplätzen in den Kitas.



„Auch das Lautenbacher Schwimmbad steht für uns nicht in Frage”, betont Meyer. Gerade in den Teilorten sei es „notwendig, zur Gewährleistung von Wohn- und Lebensqualität städtische Infrastruktur zu erhalten.” Künftig müsse man allerdings sparen: „Für neue Projekte gibt es keinen Spielraum.”



Auch die SPD will weiter in die Kinder investieren. Besonders dringend sind nach Aussage von Schneid-Horn die Sanierung der Von-Drais-Grundschule und ein Kita-Neubau, um den Betreuungsbedarf zu decken.



Für die CDU sind Bildung und Klimaschutz Pflichtaufgaben. „Aber auch da ist immer abzuwägen, welche Investitionen sinnvoll sind”, sagt Frauke Jung. Beispielsweise müsse man vor einem Kita-Neubau bereits vorhandene Immobilien auf ihre Nutzbarkeit hin prüfen.



Auch Jung will an der Sanierung des Lautenbacher Bades festhalten. Der Gemeinderat habe 2015 den Grundsatzbeschluss gefasst, dass alle Bäder erhalten bleiben sollen. „Nun allein das Lautenbacher Bad auszuschließen, wäre nicht fair gewesen”, sagt Jung - zumal es im Ort „keine weitere große Infrastruktur” gebe.



Grünen-Sprecherin Birgit Gerhard-Hentschel betont wie auch Ernst-Dieter Voigt die Bedeutung von Investitionen in Kindergärten und Schulen, außerdem in die Friedhöfe, Kläranlagen und die Feuerwehr.



Sie sagt aber auch: „Wenn ich auf den Sanierungsstau in der Von-Drais-Grundschule blicke, kann ich aber nicht erkennen, dass die Gemeinde auch zu guten Zeiten Pflichtaufgaben priorisiert hat.”

Was kommt auf die Bürger zu?

„Wir werden auf Dinge, die selbstverständlich waren, verzichten müssen”, kündigt Uwe Meyer an. Außerdem werde man die „Bürger mit höheren Umlagen und Gebühren belasten müssen.” In vielen Bereichen könne man den bisherigen Standard nur erhalten, wenn sich die Bürger ehrenamtlich engagierten.

Mit Blick auf die Wirtschaft sagt Meyer: „Wir müssen alles tunt, um unsere Industrie und das Gewerbe am Ort zu halten und zu fördern.” Die Stadt müsse „um jede Einrichtung und jeden Arbeitsplatz kämpfen.”

Irene Schneid-Horn äußert sich ähnlich. „Gernsbach muss den Mut haben, unpopuläre Maßnahmen einzuleiten”, sagt die SPD-Rätin. Zudem werde es auf jeden Fall nötig sein, die „Infrastruktur auf eine leistbare Größe zu bringen”, das heißt: „einzudampfen”.

Für Investitionen in Bildung und Betreuung halte es die SPD-Fraktion „unter Umständen für verantwortbar, Schulden zu machen.”

Die CDU-Fraktion fordert von Stadt und Gemeinderat ein „transparentes und offenes Agieren” ein. Bei den Aufwendungen müsse man den Gürtel enger schnallen.

„Es braucht eine Investitionsplanung mit Augenmaß”, sagt Frauke Jung. „Dafür ist ein wirksames Controlling unerlässlich.” Allerdings will die CDU die Gernsbacher Bürger nicht stärker belasten.

Laut Birgit Gerhard-Hentschel muss die Stadt bei ihren Projekten ein konkretes Ziel vor Augen haben, „das zukunftsorientiert ist und Gernsbach als Wohnort, Wirtschaftsstandort und Urlaubsort attraktiv macht.”

Ihr Augenmerk sei auch auf Einsparungspotenzial beim Energieverbrauch bei kommunalen Gebäuden zu richten.

Sicher ist: Die Stadt muss in den kommenden Jahren sparen. Ernst-Dieter Voigt kündigt an: „Wir werden einige Kröten schlucken müssen.”

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