Am 27. Oktober 1998 wird aus der Murg ein tosendes Ungeheuer. Der Fluss überflutet Straßen, Gärten und die Keller zahlreicher Anwohner in Gernsbach. Dort ist Hochwasser kein Einzelfall: Auch am 4. Januar 2018 droht die Murg die Stadtbrücke zu überschwemmen. Zum Schutz vor sogenannten hundertjährlichen Hochwassern setzt die Stadt Gernsbach nun gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe mehrere Schritte um.
Einer entsprechenden Vereinbarung stimmte der Gemeinderat am Montag geschlossen zu. Im ersten Schritt soll die Murg am Wörthgarten (besser bekannt als Pfleiderer-Areal) verbreitert werden. Das senke den Wasserspiegel bis zurück zur Stadtbrücke um 40 Zentimeter, heißt es vonseiten der Stadt. Somit werde die Hochwassergefahr in der Nordstadt verringert.
Die Aufweitung der Murg kostet die Stadt schätzungsweise eineinhalb bis zwei Millionen Euro. Die Vorplanung ist nach Angaben der Stadtverwaltung bereits abgeschlossen. Dies ist aber nur ein Teil des Projekts, das insgesamt zehn Millionen Euro kostet. Das steht in der Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Regierungspräsidium. Zunächst sollen drei der insgesamt neun Teilmaßnahmen umgesetzt werden. Während die Kommune Trägerin des Projekts ist, übernimmt das Land Baden-Württemberg 70 Prozent der Gesamtkosten.
Projekt soll schnell umgesetzt werden
Bürgermeister Julian Christ (SPD) sagt: „Mit dem Vorhaben verbessern wir den Schutz der Bevölkerung. Es macht zudem die Bebauung des Wörthgartens möglich.“ Die Verwaltung arbeite derzeit mit Hochdruck daran, das Projekt rasch voranzutreiben.
Markus Schleicher, Mitglied der Interessengemeinschaft Murghochwasser, lobt, dass sich beim Hochwasserschutz etwas tut. Der Anwohner der Schloßstraße hat sich 2020 mit weiteren Murganliegern zusammengeschlossen, um auf die Hochwasser-Problematik hinzuweisen. Bei den nun geplanten Maßnahmen sieht er Defizite. Er hält es für falsch, die Staumauern etwa in der Schloß- und Igelbachstraße zu erhöhen. Dadurch steige der Wasserdruck weiter an – und damit die Gefahr, dass die zahlreichen denkmalgeschützten Gebäude durchfeuchtet und somit beschädigt werden.
Wir verlieren in der Schlossstraße wertvolle Zeit.Markus Schleicher, Anwohner in der Schlossstraße
Schleicher betont: „Wir müssten in erster Linie den Durchfluss an der Stadtbrücke verbessern.“ Nach seiner Auffassung liegt dort der Gefahrenpunkt Nummer eins, weil sich schnell das Wasser stauen könne.
Brücke müsste um- oder neu gebaut werden
Das Problem lasse sich nur durch einen Neu- oder Umbau der Brücke beheben, erklärt Schleicher. In der Vereinbarung zwischen Stadt und Regierungspräsidium steht, dass der „Neubau einer hydraulisch optimierten Stadtbrücke“ zu einem späteren Zeitpunkt angedacht ist – im Zuge von künftigen Arbeiten an der Straße L78, die über die Brücke führt. Diese gehört nach Angaben der Verwaltung nicht der Stadt, sondern dem Land.
Ein Neubau der Stadtbrücke kostet circa 4,5 Millionen Euro. Das geht aus einer Machbarkeitsstudie des Ingenieurbüros Wald+Corbe aus dem Jahr 2019 hervor. Diese diente als Grundlage für die Planung des Hochwasserschutzes. Schleicher kritisiert bei der zeitlichen Planung, dass zuerst die Maßnahmen im Bereich des Wörthgartens anstehen. Erst danach, so sieht es die Planung vor, ist der Hochwasserschutz rund um die Schloßstraße an der Reihe.
Dabei gebe es in diesem Bereich viele betroffene Anwohner, während der Wörthgarten noch gar nicht bebaut sei, sagt Schleicher. „Wir verlieren in der Schloßstraße wertvolle Zeit.“ Es sei dem Zufall zu verdanken, dass Überflutungen in der Vergangenheit relativ glimpflich ausgegangen sind. Schleicher fordert, dass die beiden Maßnahmen parallel starten sollen. Vonseiten der Verwaltung heißt es, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe und die Stadt nach der Einschätzung durch das Ingenieurbüros Wald+Corbe die Prioritäten anders gesetzt hätten.